Robotisches System im OP (Symbolbild)

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Artikel • Höhere Präzision, kürzere Lernkurve

Viszeralchirurgie: Die Rückkehr der Robotik

OP-Roboter gewinnen zunehmend an Bedeutung, doch in der Viszeralchirurgie spielten sie lange kaum eine Rolle. Dabei hat die Technik nicht nur ihre Wurzeln in diesem Bereich, sondern bringt eine ganze Reihe von Vorteilen für Operateure, sagt Prof. Dr. Beat Müller. Der Experte spricht auf dem Viszeralchirurgie-Kongress in Hamburg darüber, wie robotische Unterstützung einige Eingriffe erheblich erleichtert oder sogar erst möglich macht, und was noch passieren muss, um die Technik im Fachbereich zu etablieren.

Artikel: Wolfgang Behrends

portrait of beat müller in surgeon gear
Prof. Dr. Beat Müller

Bildquelle: Peggy Rudolph, Universitätsklinikum Heidelberg, Beat Müller, CC BY-SA 4.0

Während robotische OP-Systeme in der Viszeralchirurgie lange kaum eingesetzt wurden, sind sie in der Urologie bereits fest etabliert: „Der klassische Eingriff ist hier die Prostatektomie, die heute fast ausschließlich mit dem Roboter durchgeführt wird“, weiß der Experte zu berichten, der als stellvertretender Ärztlicher Direktor, Geschäftsführender Oberarzt, Sektionsleiter Minimalinvasive und Roboter-assistierte Chirurgie sowie Sektionsleiter Obere Gastrointestinalchirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg tätig ist. „Der Grund dafür ist, dass der Eingriff mit konventionellen laparoskopischen Mitteln sehr schwierig ist. In der Vergangenheit waren nur ein paar wenige Top-Chirurgen in der Lage die Prostatektomie minimalinvasiv durchzuführen – das war ein richtiggehendes Alleinstellungsmerkmal.“ Mit der Entwicklung robotisch assistierter Verfahren endete jedoch diese Exklusivität und die Vorteile der minimalinvasiven Herangehensweise kommen nun allen Patienten zugute.

Intuitives Operieren in beengten Verhältnissen

Neben den Vorteilen bei komplexen Eingriffen hat die Robotik dazu beigetragen, die Lernkurve für Chirurgen erheblich zu verkürzen. Dieser wichtige Aspekt fällt bei vielen vergleichenden Studien unter den Tisch, gibt Müller zu bedenken: „Es geht nicht unbedingt darum, ob ein Chirurg mit oder ohne Roboter besser operiert – viel interessanter ist der Aspekt, wie viele Eingriffe nötig sind, bis ein Operateur einen Eingriff gut beherrscht. Und in diesem Punkt bringen robotische Systeme einen großen Mehrwert.“ 

Ihre Vorteile kann die Robotik in der minimalinvasiven Chirurgie ausspielen, denn die Eingriffe finden nicht nur in sehr beengtem Raum statt, sondern stellen den Operateur zusätzlich mit Hebel- und Spiegeleffekten bei der Bedienung der Instrumente vor Herausforderungen. „Deshalb ist das Erlernen konventioneller laparoskopischer Eingriffe enorm anspruchsvoll“, erklärt der Experte. „Der Roboter räumt viele dieser Hindernisse für den Chirurgen aus dem Weg; ein Computer rechnet die Spiegelung und Hebeleffekte heraus, so dass die Abläufe viel intuitiver sind. Das ist der große Benefit des Robotischen.“

Vom verschmähten Helfer zum Game-Changer

Die roboterassistierte Chirurgie hat ihre Wurzeln in der Viszeralchirurgie, viele Aspekte der Technik kamen hier erstmals zum Einsatz: „Aber dort wurde der große Mehrwert nicht gesehen, denn die meisten Eingriffe konnte man ebenso gut ohne Roboter durchführen.“ Zudem haftete der Technik hier ein gewisser Ruch an; ein Hilfsmittel für die Chirurgen, die es ohne nicht ‚richtig‘ können, umschreibt Müller. 

Mit der Weiterentwicklung der minimalinvasiven Viszeralchirurgie hat sich dieses Verständnis der Technik jedoch überholt: „Mittlerweile sind auch hier Situationen entstanden, die der Prostatektomie ähneln.“ Ein Beispiel ist die Entfernung des Bauchspeicheldrüsenkopfs, die sogenannte Whipple-Operation. „Sie ist nach wie vor eine Königsdisziplin der offenen Chirurgie“, erklärt der Experte. Der onkologische Eingriff erfordert höchste Präzision, die nach Ansicht vieler Experten nicht mit minimalinvasiver Technik erreichbar ist. „Doch dann haben uns die Urologen gezeigt, dass mit dem Roboter eben doch auch komplexe minimalinvasive Operationen möglich sind – und so wird heute auch die Pankreaskopfresektion immer häufiger minimalinvasiv per Roboter durchgeführt.“  

Prof. Müller bei einer laparoskopischen Ösophagektomie - der minimalinvasive...
Prof. Müller bei einer laparoskopischen Ösophagektomie - der minimalinvasive Eingriff wird zunehmend mithilfe robotischer Systeme durchgeführt.

Bildquelle: Hendrik Schröder, Universitätsklinikum Heidelberg, Beat Müller bei laparoskopischen Ösophagektomie, CC BY-SA 4.0

Ähnlich verhält es sich mittlerweile bei vielen anspruchsvollen Eingriffen der Viszeralchirurgie wie der Ösophagektomie, also der operativen Entfernung der Speiseröhre, die heute fast nur noch minimalinvasiv per Roboter durchgeführt wird. „Das ist ein gutes Beispiel, wie die neue Technologie zur Verbesserung einer gefährlichen Operation beigetragen hat. Früher lag die Mortalität hier bei 10% – heute sind es nur noch 3%, und wer darüber liegt, muss das gut begründen können. Ich würde mich jedenfalls nicht mehr dazu hinreißen lassen, die Operation ohne Roboter durchzuführen, denn der Eingriff wird dadurch nicht nur sicherer, sondern auch deutlich entspannter.“  Ein weiterer Eingriff, der von den Möglichkeiten robotischer Systeme profitiert, ist die Rektumresektion, führt Müller fort: „Das kleine Becken stellt mit seinen engen Räumen hohe Anforderungen an Chirurgen. Um diese Operation sicher und sauber durchzuführen, bringt der Roboter mit seiner Präzision einen großen Vorteil.“

„Der Roboter wird sich durchsetzen“ – wenn der Preis stimmt

Mit besserer Verfügbarkeit der OP-Roboter wird auch deren Repertoire an Eingriffen steigen, prognostiziert der Experte: „Diesen Trend kann man schon jetzt in den USA erkennen, da dort viele OPs von den Patienten selbst bezahlt werden.“ Bei elektiven Eingriffen fällt die Wahl zunehmend auf die robotergestützte, minimalinvasive Option und damit auf die Zentren, die diese Möglichkeit anbieten – eine Entwicklung, auf die der Markt entsprechend reagiert. 

Die Zentren, die diese Eingriffe mit dem Roboter durchführen, werden das zum Standard erheben. Und damit wächst der Druck auf die anderen, nachzuziehen, um mithalten zu können

Beat Müller

„Dabei geht es nicht in erster Linie um ausgereiftere Systeme“, betont Müller. „Der weitest verbreitete Roboter, der zurzeit den Markt beherrscht, ist schon extrem gut. Ganz banale Eingriffe wie eine Gallenblasenentfernung werden durch ein solches Assistenzsystem fast so einfach, als würde man sich die Schuhe zubinden.“ Derzeit verhindere vor allem der Kostenfaktor, dass mehr Eingriffe roboterassistiert durchgeführt werden. Mit zunehmender Konkurrenz unter den Herstellern und den daraus folgenden fallenden Preisen werde die Technik auf lange Sicht zunehmend auch bei kleineren Operationen zum Einsatz kommen. Für den Experten ergibt sich daraus eine sich selbst beschleunigende Entwicklung: „Die Zentren, die diese Eingriffe mit dem Roboter durchführen, werden das zum Standard erheben. Und damit wächst der Druck auf die anderen, nachzuziehen, um mithalten zu können.“ Neben den Patienten, die zunehmend auf Roboter-OPs bestehen, gelte das auch für den chirurgischen Nachwuchs, denn viele orientieren sich bei der Wahl ihrer Ausbildungsstätte an der Möglichkeit, das Arbeiten an diesen Systemen zu erlernen. 

Entsprechend deutlich fällt auch das Fazit des Experten aus: „Der Roboter wird sich durchsetzen; auch die Zukunft der Viszeralchirurgie ist robotisch. Die Technik hat das Potential, die Chirurgie sicherer zu machen, die Lernkurve für bestimmte Eingriffe zu verkürzen und höhere Präzision zu gewährleisten. Dank dieser Vorteile werden einige High-End-Eingriffe durch den Roboter überhaupt erst minimalinvasiv möglich.“ 

13.09.2022

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