© David Pupăză – unsplash.com
News • Konsequenzen von NIH-Förderausstieg
Experten warnen vor Verlust wichtiger Forschungsdaten
Grundlagenforschung ist auf den freien Zugang zu Forschungsdaten angewiesen. Unterhaltung, Pflege und Weiterentwicklung von Forschungsdatenbanken kosten viel Geld, das bislang dank weniger großer Förderer zur Verfügung stand.
Heute ist die Zukunft vieler Repositorien allerdings ungewiss. Die Betreiber der Datenbanken beginnen bereits damit, hohe Nutzungsgebühren einzuführen. Finanzmittel, die nicht eingeplant und für viele Forscher aus den Ländern des globalen Südens auch gar nicht leistbar sind. Am Beispiel der Datenbank VEuPathDB (The Eukaryotic Pathogen, Vector, and Host Informatics Resources) werden die Konsequenzen des Verlusts von freiem Zugang zu Daten deutlich.
Würde das Browsen im Internet, die Nutzung von Suchmaschinen und eingebauten KI-Tools plötzlich zahlungspflichtig, hätte das wahrscheinlich einen massiven Einfluss auf Ihre tägliche Arbeit und ihre Produktivität, erklärt Prof. Dr. Markus Engstler, jüngst gewählter Präsident des Verbands Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland (VBIO), aus aktuellem Anlass: „Genau dieses Szenario zeichnet sich gerade in Hinblick auf spezialisierte wissenschaftliche Datenbanken ab - die Entwicklungen bei der vor allem in der Infektionsbiologie genutzten Datenbank VEuPathDB sind da nur ein Beispiel.“
Ist das entsprechende personelle Know-how erst einmal verloren, ist die Wiederherstellung einer einmal abgeschalteten Datenbank kaum noch möglich – und kostet deutlich mehr als der Erhalt der bestehenden Datenbank
Markus Engstler
Biowissenschaftliche Forschung benötigt Zugang zu einer Vielzahl von speziellen Datensammlungen. Die dort gesammelten Daten sind allesamt Forschungsergebnisse, die über lange Zeiträume hinweg erhoben, annotiert und in Datenbanken öffentlich zugänglich gemacht wurden. Tatsächlich sind Publikationen ohne Veröffentlichung der zu Grunde liegenden experimentellen Datensätze heute quasi nicht mehr möglich. In den Datenbanken liegen also Schätze – wissenschaftliche Ergebnisse, auf denen alle künftige Forschung aufbaut.
Beispiele solcher unverzichtbaren Ressourcen sind die großen biologischen Datenbanken; etwa die Sammlungen genetischer und biochemischer Daten, die seit Beginn der Molekularbiologie vor über 50 Jahren aufgebaut wurden. Die Protein Data Bank (PDB) etwa versammelt alle verfügbaren Strukturdaten von Proteinen. Nur mit Hilfe dieser dort über Jahrzehnte gepflegten Datensätze konnte eine bahnbrechende KI wie AlphaFold trainiert werden – eine Leistung, die soeben mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Im Bereich der eukaryotischen Pathogene, Vektoren und Wirtsinformationen ist die relevante Datenbank VEuPathDB. Sie stellt sicher, dass genomische und andere umfangreiche Datensätze für die weltweite Gemeinschaft der biomedizinischen Forscher zugänglich, durchsuchbar und mit ständig neuen Algorithmen analysierbar sind. Sie liefert damit entscheidende Informationen über Erreger von Infektionskrankheiten, einschließlich ihrer Interaktion mit Säugetierwirten und Krankheitsüberträgern, wie z.B. blutsaugenden Mücken und Fliegen. Die Grundlagenforschung an großen Infektionskrankheiten mit Millionen Krankheitsfällen wie beispielsweise Malaria oder Chagas-Fieber ist auf den offenen und freien Zugang zu den in dieser Datenbank hinterlegten Daten angewiesen.
Doch die Finanzierung von VEuPathDB ist in Gefahr, da sich das NIH (National Institutes of Health), bisher maßgeblicher Förderer, aus der Förderung zurückgezogen hat. Vor wenigen Wochen wurde ein „freiwilliges Bezahlmodell“ eingeführt, das den Fortbestand der Datenbank kurzfristig sichern soll. Das bedeutet für ein durchschnittlich großes Labor Kosten von bis zu mehreren tausend Euro pro Jahr. Finanzielle Mittel, die so nicht eingeplant und für viele Forscher aus den Ländern des globalen Südens so gar nicht leistbar sind.
Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren

News • Themenkanal
Medizinisches Datenmanagement
Elektronische Patientenakte, diagnostische Werte, Studienkohorten: Datenmanagement ist zu einem zentralen Bestandteil im Gesundheitswesen geworden – von Diagnostik und Therapie bis zur Forschung.
Wenn ein wissenschaftliches Fachgebiet seine spezialisierten Datenbanken – hier die VEuPathDB – verliert, wird seine Produktivität umgehend und drastisch eingeschränkt. Das Forschungsfeld verliert massiv an Attraktivität. Der wissenschaftliche Nachwuchs wird auf der Suche nach zukunftsträchtigeren und produktiveren Forschungsfelder kurzfristig abwandern und das Fachgebiet mittelfristig verschwinden. Dies wäre vor allem für Forschungsfelder wie die Infektionsbiologie oder Parasitologie fatal, die die Grundlagen liefern, um z.B. den Herausforderungen von One Health und Pandemieprävention zu begegnen.
Es besteht also kurzfristiger Handlungsbedarf, denn die erforderlichen Mittel müssen zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Eine zeitlich befristete Aussetzung der Pflege der Datenbanken ist dabei keine Option, da der Datenbestand ständig wächst und die Datenbank selbst technisch angepasst werden müssen. „Ist das entsprechende personelle Know-how erst einmal verloren, ist die Wiederherstellung einer einmal abgeschalteten Datenbank kaum noch möglich – und kostet deutlich mehr als der Erhalt der bestehenden Datenbank“ erläutert Engstler.
Das drohende Schicksal der VEuPathDB ist hier nur ein aktuelles Beispiel für die Herausforderungen, die auf die Biowissenschaften zukommen. Es sei dringend Zeit, dass die Naturwissenschaften sich der Gefahr bewusst werden und dass die Politik die Instrumente schafft, wissenschaftliche Datenbanken unangreifbar und resilient zu machen, lautet der abschließende Appell des Experten.
Quelle: Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland
23.05.2025