Der OP der Zukunft ist ein Netzwerk
Über 30 Partner aus Klinik, Forschung und Industrie arbeiten gemeinsam an einem der größten deutschen Verbundvorhaben der orthopädischen Forschung: SmartOR - Innovative Kommunikations- und Netzwerkarchitekturen für den modular adaptierbaren integrierten OP-Saal der Zukunft auf Basis von Internet-Technologien.
Report: Anja Behringer
Für dieses Großprojekt. das sich mit zukünftigen operativen Strategien für Knie, Hüfte und Wirbelsäule befasst, stellte das Bundesforschungsministerium BMBF bereits über 13 Millionen Euro zur Verfügung. Bis Anfang 2013 soll eine Demonstratorplattform zur Evaluierung und Demonstration der Technologien verfügbar sein.
Zu den großen Industriepartnern gehören Siemens, Aesculap oder SurgiTAIX, ein Spinn-Off der RWTH. Teilprojekte des Komplexes Minimal-Invasive Orthopädische Therapie (OrthoMIT) bearbeiten die Bereiche Produkt- und Qualitätsmanagement, Ausbildung. Ultraschall, Mechatronik, Navigation und die Integrierte Arbeitsstation als Netzwerk.
Projektleiter Professor Klaus Rademacher vom Lehrstuhl für Medizintechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen erklärt: „SmartOR ist ein weiterführendes Projekt, das aus dem großen Erfolg des orthopädischen Teilprojektes TP 13 – der Integrierten Arbeitsstation“ – resultiert und den sehr komplexen Aspekt des Risikomanagements für modulare integrierte OP-Systeme auch für andere chirurgische Disziplinen weiterverfolgt.“
Wichtiger Aspekt für den OP der Zukunft ist die Entwicklung praxistauglicher Beiträge zur internationalen Standardisierung im Bereich des Risikomanagements von IT-Netzwerken in der Medizin. Forschungsinstitute, Kliniken und industrielle Partner werden die smartOR-Demonstrationsumgebung als experimentelle Entwicklungsplattform, zur Validierung der entwickelten Konzepte, für Ausbildung und Training sowie für eine erfolgreiche zukünftige Vermarktung nutzen.
Aus klinischer Sicht steht die Optimierung klinischer Arbeitsabläufe sowie chirurgischer Strategien und Protokolle im Mittelpunkt, um die Gesamtkosten eines Eingriffes zu senken. Der Einsatz neuer Methoden und Techniken führt zu kürzeren Operations- und Rehabilitationszeiten und damit zu kürzeren Krankenhausaufenthalten. Die Patienten und das medizinische Personal sind einer geringeren Röntgenstrahlendosis ausgesetzt und es kommt seltener zu Komplikationen. Arbeitsbelastungen des Operationsteams und die Ungenauigkeit der chirurgischen Ausführung sollen gesenkt werden. Dies schließt auch Aspekte der postoperativen Pflege und Rehabilitation ein, soweit sie durch die spezifische therapeutische Strategie bedingt sind oder Maßnahmen der Qualitätssicherung betreffen.
Durch die Analyse und Modellierung von spezifischen klinischen Arbeitsabläufen (Workflows) in unterschiedlichen chirurgischen Disziplinen, wird eine dynamische Adaption des Systems an sich ändernde Umgebungsbedingungen und Anforderungsprofile möglich. Auch sollen Benutzerfreundlichkeit und –akzeptanz für die Mensch-Maschine-Schnittstellen erhöht werden.
Chirurgische Instrumente werden mit neuartigen miniaturisierten Sensoren ausgestattet, die nicht nur die präzise Lokalisierung und Navigation des Instrumentes ermöglichen, sondern auch die unmittelbare Auswertung von Knochenqualität oder auftretenden Bearbeitungs- oder Gelenkkräften. Intelligente mechatronische Assistenzsysteme ermöglichen dem Chirurgen das ermüdungsfreie Halten und präzise Führen von Instrumenten und Sensoren. So sollen u.a. auch neuartige miniaturisierte Robotersysteme entwickelt werden, die die Probleme bisheriger Systeme beheben und eine höchstpräzise und - effiziente Knochenbearbeitung erlauben - und damit auch neue minimal-invasive Verfahren z.B. des Gelenkerhaltes und Gelenkersatzes. Da die Qualität der Therapie sowohl durch die Qualität der zur Verfügung stehenden Werkzeuge und Verfahren, als auch durch die Übung und Geschicklichkeit des Operateurs im Umgang mit der Technologie geprägt wird, sieht das Projekt auch die integrierte Entwicklung von modernsten computergestützten Lern- und Trainingssystemen für die chirurgischen Anwender vor.
Alle Maßnahmen vereint das große Ziel der Kostensenkung durch die Integration moderner technischer Verfahren und Werkzeuge in den chirurgischen Arbeitsablauf bzw. in den gesamten Behandlungsverlauf von der Diagnose bis zur Rehabilitation. Entsprechend der durch die WHO unterstützten globalen multidisziplinären Initiative der "Bone and Joint Decade", fokussiert das Projekt die chirurgische Therapie im Bereich der Hüfte, des Knies und der Wirbelsäule, die in gleichem Maße von Osteoarthrose, Osteoporose und Trauma betroffen sind.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Ziel von OrthoMIT die Schaffung einer neuen Generation modularer, computerintegrierter chirurgischer Arbeitsplätze und Werkzeuge, welche den chirurgischen Therapieprozess von der präoperativen Vorbereitung über die intraoperative chirurgische Arbeit bis hin zur postoperativen Nachsorge und Rehabilitation unterstützen. Voraussetzung dafür ist unbedingt, dass die vernetzen Medizinsysteme mit Hersteller übergreifenden offenen Standards unter Gewährleistung eines effektiven Risikomanagements ausgestattet sind. Daran muß die Industrie gemeinschaftlich arbeiten.
Auch soll die Rolle der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt für orthopädische Chirurgieprodukte gestärkt werden. Der Weltmarktwert für orthopädische Produkte lag 2002 bei 12-13 Milliarden US$ mit einer Wachstumsrate von 9-10% pro Jahr.
14.11.2011