Artikel • Diagnostik der Leber
Über den vielfältigen Nutzen der MR-Elastographie
Tumoren und andere Läsionen in der Leber sind leicht zu diagnostizieren: Untersucht man die Leber mittels CT oder MRT, so zeichnen sich Leberherde deutlich ab – schließlich haben ein bösartiger Tumor eine andere Signalintensität als das umliegende gesunde Gewebe.
Bei sogenannten diffusen Lebererkrankungen hingegen ist die Diagnostik deutlich komplizierter. Da sie die Leber als Ganzes betreffen, gibt es kein gesundes Lebergewebe, das als Referenz dienen könnte. Lange Zeit war die Biopsie daher die einzige Möglichkeit, um derartige Lebererkrankungen zu untersuchen. „Mittlerweile können wir auch Erkrankungen quantifizieren, die das gesamte Lebervolumen betreffen“, betont PD Dr. Dr. Adrian Huber, der am Universitätsinstitut für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie des Universitätsspitals Bern die radiologische Forschungsgruppe „Imaging bei diffusen Lebererkrankungen“ leitet. Das wichtigste Instrument ist hier die Magnetresonanz-Elastographie (MR-Elastographie) in Kombination mit anderen Messungen, die gleichzeitig im selben MR-Scan durchgeführt werden. „Ich bin überzeugt, dass die MR-Elastographie über kurz oder lang Eingang in die klinische Routine finden wird“, sagt der Radiologe.
Die Krux der Gewebedifferenzierung bei der Fettleber
An erster Stelle der diffusen Lebererkrankungen steht die Fettleber. Die verstärkte Einlagerung von Fett in Leberzellen findet sich in der westlichen Welt bei 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung. In der Vergangenheit wurden Fettlebererkrankungen in erster Linie mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht, mittlerweile ist jedoch die nicht-alkoholische Fettleber stärker in den Fokus gerückt. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, zwischen der relativ gutartigen reinen Fettleber (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) und der gefährlichen Fettleberhepatitis (non-alcoholic steatohepatitis, NASH) zu unterscheiden. „Eine Fettleberhepatitis kann sich zu einer Leberzirrhose entwickeln und sogar zu Leberkrebs führen“, erläutert der Leberspezialist.
Die Leberfibrose, bei der Lebergewebe zunehmend durch Bindegewebe ersetzt wird, betrifft meist das gesamte Lebervolumen. Zur Diagnostik wird heute in der Regel ein Fibroscan – auch transiente Elastographie genannt – durchgeführt, eine spezielle Ultraschalluntersuchung zur Messung der Leberkonsistenz. Der Nachteil eines Fibroscans ist allerdings, dass er die Steifigkeit der Leber nur an einer Stelle misst und seine Aussagekraft deshalb v.a. bei niedriggradigen Fibrosen limitiert ist. Zudem ist der Fibroscan bei stark übergewichtigen Patienten häufig nicht akkurat messbar. „Mittels MR-Elastographie kann die bekanntlich inhomogene Leberfibrose besser und auch in einem früheren Stadium erfasst werden“, betont Huber.
MR-Elastographie im Verein mit T1, ECV und PDFF bringt den Fortschritt
Die MR-Elastographie ist eine Methode zur nicht-invasiven Darstellung der Gewebekonsistenz im Rahmen der MR-Bildgebung. Sie basiert auf der Beobachtung der Ausbreitung mechanischer Wellen im Gewebe durch akustische Wellen, die in einem zusätzlichen Generator erzeugt werden. Im Zuge einer MR-Elastographie kommen jedoch auch weitere Pulssequenzen zum Einsatz, die wichtige Informationen über das Lebergewebe liefern: die Ergebnisse des sogenannten T1-Mappings korrelieren mit einer etwaigen Entzündung, das Extrazellulär-Volumen (ECV) gibt Auskunft über den Grad einer möglichen Fibrose und mittels PDFF (proton density fat fraction) lässt sich der Fettgehalt der Leber in Prozent bestimmen. „Durch die Kombination all dieser Parameter können wir endlich auf nicht-invasivem Weg unterscheiden, ob der Patient eine reine Fettleber hat oder bereits eine Steatohepatitis“, erläutert Huber die Vorzüge des Verfahrens.
Es wäre gut, bei einer Steatohepatitis oder einer Fibrose regelmäßig eine Verlaufskontrolle durchzuführen
Adrian Huber
„Auf diese Weise lassen sich bei Lebererkrankungen genau dieselben Befunde erheben wie mit der Histologie“, bekräftigt der Berner Radiologe. „Die Biopsie mit anschließender histologischer Untersuchung des entnommenen Gewebes bleibt nach wie vor die Baseline bei der Diagnose von diffusen Lebererkrankungen“, räumt er ein. Der große Vorteil der MR-Elastographie – immer in Kombination mit T1-Mapping, ECV und PDFF – ist jedoch ihre Nicht-Invasivität. Die MR-Elastographie bietet sich daher besonders für das Therapie-Monitoring an. „Es wäre gut, bei einer Steatohepatitis oder einer Fibrose regelmäßig eine Verlaufskontrolle durchzuführen“, so der Radiologe: „Doch bislang wird das nicht gemacht – man kann ja die Patienten nicht alle halbe Jahre einer kostspieligen und riskanten Leberbiopsie unterziehen.“
MR-Elastographie spielt ihre Stärke bei der Therapie aus
Lange dachte man, die Leberfibrose sei eine Einbahn. Neuere Daten belegen jedoch, dass sich eine Fibrose auch rückbilden kann
Adrian Huber
Die MR-Elastographie wird den weniger aufwändigen und günstigeren Fibroscan zur Diagnostik der Leberfibrose nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. „Der Fibroscan ist eine ,Bedside‘-Technik: schnell, preiswert und akkurat. Die MR-Elastographie ist allerdings für das Feintuning geeignet, wenn der Fibroscan eine erhöhte Lebersteifigkeit gemessen hat. Dies ist hilfreich wenn es also darum geht, feinste Unterschiede im heterogenen Gewebe akkurat darzustellen – vor allem bei den niedrigen Fibrosestufen“, skizziert Huber die Anwendungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Ausserdem lässt sich die MR-Elastographie aufgrund ihrer Nicht-Invasivität später wiederholen, um das Ansprechen der Therapie zu überwachen. Angesichts jüngster medizinischer Erkenntnisse erscheint dies umso wichtiger, denn: „Lange dachte man, die Leberfibrose sei eine Einbahn. Neuere Daten belegen jedoch, dass sich eine Fibrose auch rückbilden kann.“ Unter diesen Umständen biete eine akkurate, nicht-invasive Diagnostik, die auch longitudinal verwendbar ist, interessante Perspektiven.
Neben der Verlaufskontrolle und der Feindiagnostik bei der Fibrose nennt Huber noch einen dritten Aspekt, bei dem der Einsatz der MR-Elastographie von großem Nutzen ist: „Mittels MR-Elastographie lassen sich jene NASH- oder Fibrosepatienten, die eine Biopsie brauchen, zielgerichteter selektieren.“ Besonders wichtig ist in diesem Kontext: Die Differenzierung zwischen den Stadien der Leberfibrose sowie zwischen NAFLD und NASH, die dank MR-Elastographie so besonders akkurat möglich ist, hat große Auswirkungen auf die Therapie der Patienten.
Zu guter Letzt stellt sich die Frage, ob es sinnvoll sein könnte, die MR-Elastographie auch bei anderen Organen als bei der Leber anzuwenden. Huber sieht durchaus Potential für das Verfahren bei anderen abdominalen Organen, namentlich Niere, Pankreas, Milz und eventuell Prostata. Er verweist auf eine 3D-Sequenz, die in den USA für die MR-Elastographie entwickelt wurde, und die dem DIPR seit kurzem als einzigem Spital in der Schweiz zur Verfügung steht: „Ich bin überzeugt, dass die MR-Elastographie in Zukunft nicht nur verstärkt bei der Diagnostik diffuser Lebererkrankungen verwendet werden kann, – sondern in Kombination mit speziellen Sequenzen – auch bei anderen Organen.“
Profil:
PD Dr. Adrian Huber ist nach seiner Subspezialisierung für kardiale Bildgebung am Universitätsspital Bern und am Hôpital Universitaire Pitié-Salpêtrière Paris sowie einer Forschungstätigkeit zur nicht invasiven Gewebecharakterisierung mittels Herz-MRT im Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) im Herbst 2017 als Oberarzt an das Inselspital Bern zurückgekehrt. Adrian Huber besitzt den Facharzttitel FMH für Radiologie sowie einen Master of Science Abschluss in Biomedical Imaging der Université Paris Saclay (Fakultät für Physik).
20.05.2020