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Stefan Störk (von links), Fabian Kerwagen und Friedrich Köhler stellten die aktuelle Studie am 18. Mai 2025, beim Heart Failure Congress der European Society of Cardiology in Belgrad vor.

Bildquelle: Universitätsklinikum Würzburg; © privat

News • Fernüberwachung in ländlichen Regionen

Telemedizin hilft vor allem dort, wo die Kardiologie weit entfernt ist

Telemedizin kann Leben retten – vor allem dort, wo der Weg zur kardiologischen Praxis weit ist. Eine neue Auswertung der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten TIM-HF2-Studie zeigt dies eindrucksvoll:

Herzinsuffizienz-Patienten, die weit von einer kardiologischen Versorgung entfernt leben, profitieren besonders stark von der telemedizinischen Überwachung. Ihre Sterblichkeit war bei der digitalen Fernüberwachung deutlich geringer. Die im Fachmagazin „Lancet Regional Health – Europe“ veröffentlichte Studie ist eine Kooperation der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Universitätskliniken in Würzburg und Hamburg und wurde beim Heart Failure Congress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie vorgestellt. Sie liefert wichtige Hinweise, wie Telemedizin helfen kann, Versorgungsungleichheiten zwischen Stadt und Land auszugleichen. 

Bereits im Jahr 2018 zeigte die im Fachmagazin The Lancet veröffentlichte Studie TIM-HF2 (Telemedical Interventional Management in Heart Failure II), dass durch telemedizinische Unterstützung das Leben von Patienten mit Herzinsuffizienz in Deutschland verlängert und die Zahl der Wiedereinweisungen in Krankenhäuser reduziert werden kann. Die Ergebnisse der kontrollierten multizentrischen Versorgungsforschungsstudie unter der Leitung von Prof. Dr. Friedrich Köhler vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Jahr 2020 die telemedizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche in die ambulante Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen hat. 

Dass nicht nur Patienten mit deutlich eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (LVEF) von diesem gesetzlichen Versorgungsanspruch einen Vorteil haben, zeigt eine sogenannte prästratifizierte Sekundärauswertung der Studie, die das DHZC gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) und dem Institut für Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (IMBE) im Juni 2023 im European Journal of Heart Failure veröffentlichte. Denn auch Patienten mit erhaltener Pumpfunktion (kurz „HFpEF“ für Heart Failure with preserved Ejection Fraction) oder nur leicht reduzierter Pumpfunktion (kurz „HFrEF“ für Heart Failure with reduced Ejection Fraction) profitierten von der Rund-um-die-Uhr-Fernüberwachung. „Unsere Studienergebnisse haben unter anderem dazu geführt, dass die Bundesärztekammer und der Verband der Privaten Krankenversicherung eine Abrechnungsempfehlung für den Einsatz von Telemonitoring vereinbart haben, und zwar auch bei diastolischer Herzinsuffizienz“, berichtet Friedrich Köhler.

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Doch wie funktioniert eine telemedizinische Betreuung? Im Rahmen der TIM-HF2-Studie übertrugen zum Beispiel spezielle mit Sensoren ausgestattete Messgeräte täglich Gesundheitswerte wie EKG, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und Körpergewicht von Herzinsuffizienz-Patienten aus ganz Deutschland drahtlos an das Telemedizinische Zentrum (TMZ) am DHZC. Das TMZ-Team, bestehend aus Ärzten sowie spezialisierten Herzinsuffizienz-Pflegekräften, reagierte sofort auf auffällige Messwerte und konnte die Therapie frühzeitig anpassen. 

Die Behandlungsqualität ist in Praxen und Kliniken auf dem Land genauso gut wie in Großstädten

Fabian Kerwagen

In einer weiteren Auswertung der TIM-HF2 Studiendaten wurden nun die Auswirkungen der Telemedizin unter drei neuen Gesichtspunkten untersucht: Wo praktiziert der Kardiologe? Wo wohnt der Patient? Und wie lang ist der Weg vom Wohnort zur kardiologischen Praxis? Also, wer profitiert am meisten von der Telemedizin – Patienten auf dem Land, in der Stadt, oder mit einer langen Autofahrt zum Kardiologen? Als Vergleich diente die Gruppe, die ohne telemedizinische Betreuung behandelt wurde. 

„Die gute Nachricht ist zunächst, dass es bei der kardiologischen Behandlung keinen signifikanten Unterschied macht, ob die Patienten auf dem Land oder in der Stadt leben. Die Behandlungsqualität ist in Praxen und Kliniken auf dem Land genauso gut wie in Großstädten“, erklärt Erstautor Dr. Fabian Kerwagen, Clinician Scientist am Uniklinikum Würzburg (UKW). Als Großstadt wurde eine Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern oder einer Universitätsklinik definiert. Von größerer Relevanz war jedoch die Wegstrecke. „Wir sehen, dass die individuelle Entfernung zwischen Wohnort und Praxis einen deutlichen Unterschied macht: Je weiter die Patienten von ihrer kardiologischen Praxis entfernt wohnten, desto mehr profitierten sie von der telemedizinischen Betreuung“, so Kerwagen. Um die Entfernung zu berechnen wurde für sämtliche 1538 Studienteilnehmenden die schnellste Route mit dem Auto ermittelt. 

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Verteilung der Kardiologen und Patienten in Deutschland und exemplarisch für Würzburg. Die Karte veranschaulicht die Verteilung von Kardiologen und Patienten über Deutschland, einschließlich der Anfahrtswege für jeden Patienten. Das Beispiel Würzburg zeigt, dass Patienten aus verschiedenen Bezirken (Bezirksgrenzen innerhalb Unterfrankens sind mit dünnen weißen Linien dargestellt) und aus einem anderen Bundesland (Landesgrenzen sind mit dicken weißen Linien dargestellt) in Würzburg behandelt wurden. RPM = remote patient management, UC = Usual Care.

© Kerwagen F, Störk S, Koehler K et al., The Lancet Regional Health – Europa, 2025 (CC BY-NC-ND 4.0)

Es ist bekannt, dass es in ländlichen Regionen die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen, aber auch die kardiovaskulär bedingte Sterblichkeit höher ist. In Städten liegt die durchschnittliche Eintreffzeit des Rettungsdienstes oft unter zehn Minuten – auf dem Land kann sie 20 Minuten und mehr betragen. Das klare Ergebnis und die signifikanten Auswirkungen der Telemedizin auf die Gesundheit dieser Gruppe mit langen Anfahrtswegen hat das Studienteam dennoch überrascht. So zeigt ein Diagramm der Studie, die jetzt im Fachmagazin „Lancet Regional Health–Europe“ veröffentlicht wurde: Je weiter entfernt die Menschen wohnten, desto größer war der durch die telemedizinische Betreuung vermittelte günstige Effekt auf Sterblichkeit und Hospitalisierungshäufigkeit. 

Stefan Störk, Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz und Klinischen Forschung am DZHI, freut sich, dass sie mit dieser Studie erstmals den positiven Effekt der Telemedizin auf ihre weiter entfernt lebenden Patienten zeigen konnten: „Telemedizin kann durchaus eine Brücke bauen und dazu beitragen, den Versorgungsnachteil von Menschen, die weit entfernt von einer kardiologischen Praxis wohnen, auszugleichen.“ Der Kardiologe und sein Team setzen sich schon lange für den digitalen Versorgungsansatz ein. Schließlich erfordert das komplexe Krankheitsbild der Herzinsuffizienz eine umfassende Betreuung. Entsprechend groß war die Resonanz, als Stefan Störk als korrespondierender Autor der Studie die Ergebnisse der Sekundärauswertung am 18. Mai 2025 in der Late Breaking Science Session auf dem diesjährigen Heart Failure Congress der European Society of Cardiology (ESC) in Belgrad (Serbien) vorstellte. 

Friedrich Köhler ist mit gutem Grund stolz auf seine TIM-HF2-Studie, die einst vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt wurde. „Öffentlich geförderte Projekte verlangen Data-Sharing”, so Köhler. „Indem wir unsere Daten geteilt haben, konnten nach der primären Publikation in verschiedenen Kooperationen bisher 18 Paper veröffentlicht werden, deren Ergebnisse die Gesundheitsversorgung und die Lebensqualität vieler Patienten mit Herzinsuffizienz maßgeblich beeinflussen.“ 


Quelle: Universitätsklinikum Würzburg

19.05.2025

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