Video • Herzklappen-Ersatz mit Katheterverfahren

TAVI: für jeden geeignet?

Eine Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) zählt zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen in Deutschland. Etwa drei bis vier Prozent der 60- bis 70-Jährigen sowie bis zu zehn Prozent der über 80-Jährigen leiden darunter. Ist die Herzklappe so stark verengt, dass es zu Luftnot bei Belastung oder sogar in Ruhe kommt, raten Kardiologen in der Regel zu einem Ersatz der Herzklappe.

tavi mesh implant
Transkatheter-Aortenklappen-Implantationssystem (TAVI)
Quelle: St. Jude Medical

Bei der Standardoperation zur Behandlung der Aortenklappenstenose wird der Brustkorb eröffnet, der Patient an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und das Herz stillgelegt. Der Herzchirurg entfernt die krankhaft veränderte Klappe und ersetzt sie durch eine Klappenprothese; eine Reparatur ist hier seltener möglich. Dieses Verfahren wird seit Jahrzehnten angewendet, und es können mit ihm sehr gute langfristige Ergebnisse erzielt werden. Für inoperable Hochrisiko- und ältere Patienten (über 85 Jahre), für die nicht die Standardoperation in Frage kommt, steht seit rund 15 Jahren die schonendere kathetergestützte Aortenklappen-Implantation, kurz „TAVI“ (Transcatheter Aortic Valve Implantation) zur Verfügung, bei der die neue Herzklappe über einen Katheter ins Herz eingeführt wird.

„Während bei den herkömmlichen, operativen Verfahren eine Vollnarkose und der Einsatz einer Herz-Lungenmaschine nötig sind, kann der kathetergestützte Aortenklappenersatz mit dem TAVI-Verfahren ohne Herz-Lungenmaschine durchgeführt werden. Auch eine Vollnarkose ist häufig nicht mehr erforderlich und der Eingriff wird in örtlicher Betäubung und mit einer leichten Sedierung vorgenommen“, erläutert der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhaus und Kardiologe im Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt am Main. Für welche Patienten das herzchirurgische oder TAVI-Verfahren in Frage kommt, was Betroffene bei der Indikationsstellung beachten sollten und wie es nach der TAVI-Prozedur weitergeht, darüber informiert der Herzstiftungs-Ratgeber „Herzklappenerkrankungen: Verfahren, Symptome, Diagnosen und aktuelle Therapien“.

Verengte Aortenklappe führt zu Atemnot und Schwindel

cardiac catheter placing tavi implant
TAVI-Methode: Die neue Aortenklappe wird mit einem Herzkatheter in Position gebracht.
Quelle: Edwards Lifesciences

Herzklappen zählen zu den mechanisch am meisten beanspruchten Teilen unseres Körpers: Bei jedem Herzschlag – rund 100.000 Mal pro Tag – öffnen und schließen sie sich und kontrollieren wie Ventile den Blutstrom durch unser Herz. Mit am stärksten beansprucht wird die Aortenklappe, die am Übergang der linken Herzkammer zur Hauptschlagader (Aorta) sitzt. Dort kontrolliert sie den Blutfluss des sauerstoffreichen Blutes aus dem Herzen in den Körperkreislauf. Mit steigendem Alter kann es zu einer Verkalkung und Verhärtung der Herzklappe kommen: Fettstoffe aus dem Blut lagern sich an den feinen Taschen der Aortenklappe ab, die dadurch ihre Flexibilität verliert. Die verengte Herzklappe führt dazu, dass weniger Blut in die Aorta und damit in den Körperkreislauf gelangt. Der Herzmuskel muss stärker pumpen, gleichzeitig verschlechtert sich die Leistungsfähigkeit, es kann zu Atemnot bei Belastung, Herzschmerzen oder Schwindel kommen.

Um die kranke Herzklappe zu ersetzen, gab es bis vor einigen Jahren nur die Möglichkeit, operativ unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine eine mechanische oder biologische Klappe einzusetzen. Seit Einführung des TAVI-Verfahrens gibt es alternativ die Möglichkeit, die neue Herzklappe per Katheter durch eine Arterie – am häufigsten durch die Leistenarterie – ins Herz einzuführen und dort die defekte Klappe zu ersetzen. Beim TAVI-Verfahren wird die neue biologische Herzklappe zunächst in einem Drahtgeflecht (Stent) verankert, auf einen speziellen Katheter aufgebracht und durch die Arterie bis zur Herzklappe vorgeschoben. Die neue Klappe drückt die defekte Aortenklappe in die Schlagaderwand und nimmt deren Platz am Ausgang der linken Herzkammer ein. 2017 wurden laut Deutschem Herzbericht 2018 in Deutschland rund 29.000 Aortenklappen ersetzt – rund 20.000 davon mittels TAVI.

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Da weder ein Schnitt in den Brustkorb und zunehmend häufiger auch keine Vollnarkose nötig ist, erholen sich Patienten von dem Katheter-Eingriff schnell und können oft schon am nächsten Tag wieder aufstehen

Thomas Voigtländer

Zunächst kam das TAVI-Verfahren vor allem bei hochbetagten Hochrisiko-Patienten zum Einsatz, für die das Risiko einer Operation mit Öffnung des Brustkorbs zu hoch erscheint. Inzwischen liegen Studien vor, nach denen TAVI auch für Patienten über 75 Jahren mit mittlerem Operationsrisiko Vorteile bietet. Somit kann TAVI auch bei diesen Patienten eingesetzt werden. „Da weder ein Schnitt in den Brustkorb und zunehmend häufiger auch keine Vollnarkose nötig ist, erholen sich Patienten von dem Katheter-Eingriff schnell und können oft schon am nächsten Tag wieder aufstehen“, berichtet der Kardiologe. Risiken des TAVI-Verfahrens sind u. a. Gefäßverletzungen sowie eine Klappenundichtigkeit oder die Notwendigkeit, einen Herzschrittmacher einzusetzen. Noch fehlen verlässliche Daten zur Langzeithaltbarkeit der TAVI-Prothesen, z. B. zu ihrem Zustand nach zehn bis 15 Jahren. Deshalb gilt zurzeit für Patienten unter 75 Jahren nach wie vor der operative Aortenklappenersatz als Standardtherapie, wenn sie ein mittleres oder niedriges Risiko haben. „TAVI sollte bei Patienten unter 75 Jahren nur dann eingesetzt werden, wenn sie inoperabel oder Hochrisiko-Patienten sind“, betont Prof. Voigtländer. „Wichtig ist die Indikationsstellung zur Therapie der Aortenklappenstenose, dem betreuenden Kardiologen kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu." In Deutschland werden im internationalen Vergleich die meisten TAVI-Prozeduren durchgeführt, sodass auch die Indikation zur Therapie generell (TAVI oder Operation) immer sehr verantwortungsvoll erfolgen muss. Vom gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und in den europäischen Leitlinien wird vorgegeben, dass ein Team aus Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten endgültig entscheidet, welches Verfahren die beste Prognose für den Patienten bietet. Das interdisziplinäre Herzteam berücksichtigt das Risiko und den Nutzen aller verfügbaren Strategien für jeden einzelnen Patienten und bezieht dabei Kriterien wie dessen Alter, seine Lebenserwartung und weitere wichtige Punkte ein. Das Ziel dabei ist es, dem Patienten das für ihn individuell am besten passende, sicherste und langfristig erfolgversprechendste Verfahren zu empfehlen.


Quelle: Deutsche Herzstiftung

09.09.2019

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