Super-Assistenz der Zukunft

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Super-Assistenz der Zukunft

D a s Buzzword auf dem diesjährigen ECR im IT-Bereich: artificial intelligence, kurz AI. Mehr als 300 Vortragsanmeldungen registrierte Elmar Kotter, Professor für Radiologie und leitender Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Als Mitglied des Planungskomitees war er verantwortlich für die IT-Sessions. Sein Fazit: AI bietet vor allem eine Chance für die Verbesserung von Workflows. Ein paar Beispiele.

AI-Anwendungen, bei denen es beispielsweise um die Erkennung von Läsionen oder Frakturen in unterschiedlichen Kontexten geht, sind inzwischen nahezu Standard: Mithilfe eines annotierten Datensatzes wird ein künstliches, neuronales Netzwerk trainiert. Die zugrunde liegende Technologie ist etabliert und weitgehend unabhängig von der konkreten Lokalisation. „Die Bilderkennung ist natürlich eine wichtige und wertvolle Anwendung, aber das Spektrum für den Einsatz von AI ist wesentlich breiter“, so Kotter.  

Beispiel 1: Bedarfsgerechte Ressourcenplanung

„Innovativer und spannender erscheint mir im Vergleich dazu zum Beispiel die Vorhersage von erhöhtem Patientenaufkommen mit AI.“ Ein interessanter Ansatz, der sich, wenn er in der Routine erst einmal Fuß gefasst haben wird, auf viele Bereiche übertragen lässt. „Damit könnte ein hilfreiches Tool entstehen, um die bedarfsgerechte Auslastung von Ressourcen zu verbessern, ohne die Belastung der Mitarbeiter oder der Geräte zu erhöhen“, zeigt sich Kotter begeistert. Grundsätzlich sieht er den Benefit der AI vor allem in der Prozessoptimierung – nicht nur in der Radiologie, sondern im gesamten Klinikbereich. Denn bis die AI in der Lage sein werde, tatsächlich autonom eine Diagnose zu liefern, werde es noch lange, sehr lange dauern.

Beispiel 2: Optimierung von Untersuchungsprotokollen

Grundlegendes Problem bei der Optimierung von Untersuchungsprotokollen ist die Uneinheitlichkeit der Untersuchungsbezeichnungen. Das beginnt schon beim Order-Entry, also der Anforderung für eine spezifische Untersuchung. Da die hinterlegte Bezeichnung später in das RIS übertragen wird, ist sicherzustellen, dass der Namenskatalog auf beiden Systemseiten identisch ist. Denn nur dann ist die angeforderte Untersuchung eindeutig definiert und an der Modalität wird das richtige Protokoll aufgerufen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in der Klinik Modalitäten verschiedener Hersteller gibt, die wiederum ihren ganz eigenen Bezeichnungskanon haben. Um das sauber abzubilden wird zurzeit noch ein aufwändiges, manuelles Mapping durchgeführt, bei dem die verschiedenen Bezeichnungen der Systeme miteinander abgeglichen werden. Kotter dazu: „Bei uns in Freiburg haben wir 13.000 verschiedene Untersuchungsbezeichnungen, um mal eine Hausnummer zu nennen.“ Das Dosismanagement-System am Ende des Prozesses muss nun die vielen unterschiedlichen Bezeichnungen in gleichartigen Kategorien zusammenführen, bevor die Daten analysiert werden können: Wie viel Dosis gebraucht wurde, welche Ausreißer gab es und anderes. Der Ansatz eines AI-gesteuerten Prozesses könnte sein, anhand des Bildmaterials automatisch zu erkennen, was eigentlich untersucht wurde, ob es sich beispielsweise um eine Kardio-CT oder um eine Standardabdomen-Untersuchung handelt. „Mit diesem AI-gesteuerten Prozess könnten wir die uneinheitlichen Bezeichnungskataloge und ihren händischen Abgleich elegant umgehen “, fasst Kotter zusammen.  

Beispiel 3: Bildqualität und Dosis in idealer Relation

Ein weiteres Einsatzgebiet für AI stellt die Erkennung der Bildqualität dar. Grundsätzlich gilt: je höher die Dosis, desto besser ist das Bild. Herauszufinden gilt aber, mit welcher möglichst geringen Dosis wird das möglichst beste Bild generiert und damit die beste Diagnostik ermöglicht? Um dies beantworten zu können, muss für jede einzelne Untersuchung eine automatische Beurteilung der Bildqualität für eine gegebene Fragestellung vorliegen. Diese kann dann in Beziehung zur verbrauchten Dosis gesetzt werden. „Ein typischer Fall für AI“, findet Kotter, aber daran arbeite zurzeit leider noch niemand.  

Beispiel 4: Ordnung in der Informationsflut

Bestimmte Fragestellungen können nur mit einer sehr großen und hoch komplexen Informationsdichte analysiert werden. Der Mensch kommt irgendwann an seine Grenzen, zum Beispiel bei Auswertung multiparametrischer MRT-Daten und erst recht, wenn genomische Daten in den diagnostischen Prozess mit einbezogen werden. „Um mit solchen enormen Datenmengen umzugehen sind AI-gesteuerte Prozesse aus meiner Sicht prädestiniert“, ist Kotter überzeugt. Ein weiteres Beispiel ist der Entlass-Brief: Aktuell sind je nach Patient 20 Seiten Entlassdokumentation keine Seltenheit – ein echtes Zeitproblem für den Radiologen. „Wenn mit AI die Fülle an Patientendaten auf intelligente Weise extrahiert, mit weiteren Informationen, zum Beispiel aus der Pathologie, ergänzt und dann intelligent ausgewertet und präsentiert werden könnte, wäre das überaus hilfreich. Ich stelle mir die AI als Super-Assistenz vor “, so Kotter abschließend.

08.04.2019

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