News • Geringeres kardiovaskuläres Risiko

Studie: Blutdruck nach Schlaganfall stärker senken

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Menschen mit Bluthochdruck und hohem kardiovaskulärem Risiko von einer restriktiven Blutdrucksenkung mit Zielwerten unter 120 mm Hg (gegenüber unter 140 mm Hg) profitieren.

Computergeneriertes 3D-Modell eines Blutdruckmessgeräts

© Destina – stock.adobe.com

Der therapeutische Nutzen war auch bei Personen mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte vorhanden. Die neuen Erkenntnisse, die jetzt im Fachjournal The Lancet veröffentlicht wurden, könnten somit die Schlaganfallnachsorge nachhaltig verändern, da hier bisher nur eine Senkung auf Werte unter 140 mmHg angestrebt wird. 

Bluthochdruck führt zu kardiovaskulären Erkrankungen. Wichtigstes Therapieziel bei Menschen mit arterieller Hypertonie ist daher die Absenkung der Blutdruckwerte in den Normbereich. Die Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie empfiehlt eine individuelle Blutdruckeinstellung auf Werte unter 140/90 mmHg. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren diskutiert, ob eine Senkung auf Werte unter 120 mmHg besser ist als eine Senkung „nur“ auf Werte unter 140 mmHg. Besonders wichtig ist diese Frage für Risikopopulationen, beispielsweise bei Diabetes mellitus oder früherem Schlaganfall. Die SPRINT-Studie hatte gezeigt, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter 120 mmHg bei hohem kardiovaskulärem Risiko (ohne bisherigen Schlaganfall oder Diabetes) wirksamer ist als die Senkung auf Werte unter 140. Die ACCORD-Studie verglich die beiden systolischen Blutdruckziele bei Diabetikern und die RESPECT-Studie bei Personen, die zuvor einen Schlaganfall erlitten hatten, – beide Studien konnten keine Vorteil für die restriktivere Blutdrucksenkung zeigen.

Dieses Studienergebnis wird die derzeit gängige Praxis der Nachsorge von Schlaganfallpatienten nachhaltig ändern und dafür sorgen, dass eine ambitioniertere Blutdrucksenkung als bisher angestrebt wird

Peter Berlit

Die nun erschienene ESPRIT-Studie („Effects of Intensive Systolic Blood Pressure Lowering Treatment in Reducing Risk of Vascular Events“) verglich die Wirksamkeit und Sicherheit einer intensiven Blutdrucksenkung (Zielwert unter 120 mmHg) mit der Standardbehandlung (Zielwert unter 140 mmHg) bei Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko – darunter Personen mit Diabetes mellitus, mit früherem Schlaganfall oder mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren. Es war die bisher größte randomisierte kontrollierte Studie zu den Auswirkungen einer Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mmHg auf schwerwiegende vaskuläre Ereignisse. Es ist außerdem die erste randomisierte Studie, die dies bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko untersuchte, ohne jene mit Diabetes oder früherem Schlaganfall auszuschließen. 

Von den 11.255 Teilnehmenden mit einem mittleren Alter von 64,6 ± 7 Jahren hatten 4.359 einen Diabetes mellitus und 3.022 einen Schlaganfall in der Vorgeschichte. 5.624 erhielten eine intensive Blutdrucksenkung (unter 120 mmHg) und 5.631 die Standardbehandlung (unter 140 mmHg). Der primäre kombinierte Endpunkt umfasste Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Klinikaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod. Während der Nachbeobachtungszeit von median 3-4 Jahren betrug der mittlere systolische Blutdruck in der Gruppe mit intensiver Behandlung 119 mmHg (SD 11,1) und in der Gruppe mit Standardbehandlung 134,8 mmHg (SD 10,5). Es gab bei den Ergebnissen insgesamt keine Abhängigkeit vom Diabetesstatus, der Diabetesdauer oder der Schlaganfallanamnese. Der primäre Endpunkt trat bei 547 (9,7%) der Personen mit intensiver Blutdrucksenkung und bei 623 (11,1%) unter Standardbehandlung auf. Der Unterschied zwischen den Gruppen bzw. die Risikoreduktion (HR 0,88; 95% KI 0,78-0,99) war statistisch signifikant (p=0,028). Unerwünschte Ereignisse wie Hypotonie und Synkopen traten in der Intensivbehandlungsgruppe zwar häufiger auf als in der Standardbehandlungsgruppe (0,4% vs. 0,1%), doch hinsichtlich schwerwiegender unerwünschter Ereignissen wie Elektrolytveränderungen, Stürzen oder akuter Nierenschädigung gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. 

In der Intensivbehandlungsgruppe kam es bei 4,7% der Patienten zu Schlaganfällen, in der Standardgruppe bei 5,4% (HR 0,86; 95% KI 0,73-1,02); diese Reduktion verfehlte statistisch das Signifikanzniveau (p=0,083). „Die Studie war für den kombinierten primären Endpunkt gepowert, nicht für die Auswertung der einzelnen Teilkomponenten“, kommentierte Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen. „Weiterführende Studien zur Fragestellung, inwieweit eine intensive Blutdrucksenkung auch das Schlaganfallrisiko senken kann, sind sinnvoll. Doch allein die Beeinflussung des kombinierten primären Endpunkts ist eindrucksvoll.“ 

Auch die Subgruppenanalyse führte nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, alle Risikogruppen profitierten gleichermaßen von der intensiveren Blutdrucksenkung, Patienten mit stattgehabten Schlaganfall ebenso wie die anderen Studienteilnehmenden, deren kardiovaskulären Risiko aus anderen Gründen erhöht war. 

Aktuell empfiehlt die Leitlinie zur Sekundärprophylaxe von ischämischen Schlaganfällen eine langfristige Blutdrucksenkung auf Werte unter 140/90 mmHg. Wenn es im Hinblick auf Vorerkrankungen, das Alter und die Verträglichkeit möglich ist, könne auch auf Werte von 120-130 mmHg gesenkt werden. Kritisch ist dabei natürlich die Frage, ob der niedrige Blutdruck toleriert wird. „Die aktuellen Studienergebnisse legen nahe, dass Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, darunter auch Menschen, die einen Schlagfall erlitten hatten, von einer intensiveren systolischen Blutdrucksenkung auf Werte unter 120 mmHg profitieren. Zwar geben sie keinen Beleg dafür, dass es zu weniger Folgeschlaganfällen kommt, aber das Risiko für das Eintreten der im primären kombinierten Endpunkt erfassten Ereignisse reduzierte sich um 12%. Dieses Studienergebnis wird die derzeit gängige Praxis der Nachsorge von Schlaganfallpatienten nachhaltig ändern und dafür sorgen, dass eine ambitioniertere Blutdrucksenkung als bisher angestrebt wird“, ergänzt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

22.07.2024

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