Simulationstraining als Sicherheitsfaktor

Wie kann man den Human Factor als Fehlerquelle reduzieren?

Die optimale Versorgung kritisch Kranker oder Verletzter ist in einem Schockraum nur durch multiund interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich. Die deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur und unter Berücksichtigung der geltenden Standards und apparativen und personellen Möglichkeiten das sogenannte Weißbuch verfasst, in dem

die Voraussetzungen für die Arbeit in einem Schockraum definiert sind.

Photo: Simulationstraining als Sicherheitsfaktor

Durch die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen besteht nicht nur das Risiko individueller Fehler sondern durch die Schnittstellen auch das Risiko dadurch bedingter Fehler. Ein Faktor, welcher häufig in der Aus- und Weiterbildung wenig Beachtung findet, ist die Kommunikation sowohl im eigenen Team als auch zwischen den Fachdisziplinen. Eine optimale Kommunikation kann aber neben anderen Faktoren aus dem Bereich der Human Factors (Entscheidungsfindung, situation awareness, Vermeiden von Fixierungsfehlern etc.) effektiv dazu beitragen, Fehler zu vermeiden. Solche Konstellationen sind in vielen anderen Hochrisiko-/ Hochsicherheitsbereichen Grund für regelmäßige und intensive realitätsnahe Simulations-Team-Trainings (zum Beispiel Luftfahrt, Ölbohrinseln, Flugzeugträger etc.). Es kann nicht erwartet werden, dass medizinische Teams eine komplexe Schockraumversorgung ohne Training optimal durchführen können. Wichtig ist zu erkennen, dass die Ursache von Zwischenfällen in der Medizin in über 70 Prozent der Fälle im Bereich der sogenannten „Human Factors“ liegen und damit potentiell vermeidbar sind. Ursache dieser Fehler ist häufig eben nicht mangelndes Fachwissen, sondern Probleme beim Umsetzen des Wissens unter den Bedingungen der Realität.

In anderen Hochsicherheitsdomänen hat sich seit Jahrzehnten deshalb das Simulatortraining unter Berücksichtigung von Human Factors in Form von Crew Ressource Management (CRM: Techniken und Verfahren, um alles Wissen im Team für die schwierige Aufgabe zu mobilisieren und den Tücken des „Human Error“ zu entgehen) als eine herausragende Möglichkeit zur nachhaltigen Reduktion von vermeidbaren Fehlern etabliert. Zur Verbesserung der Patientensicherheit finden deshalb Simulatortrainings auch Eingang in die Aus- und Weiterbildung von Ärzten. Patientensicherheit ist kein statischer Zustand, sondern muss gerade in der Notfallversorgung immer wieder aktiv und neu errungen werden. Patientensicherheit wird durch die Handlungssicherheit des medizinischen Teams bestimmt. Verhaltensprinzipien, welche die Sicherheit bei der Bewältigung von kritischen Situationen (Notfall, Zwischenfall) erhöhen, können seit einiger Zeit auch in der Medizin durch Simulator-Training unter Einsatz von realitätsnahen Patientensimulatoren dargestellt werden.

Während solche Trainingsmethoden in der Medizin schon seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt werden, ist der interdisziplinäre und interprofessionelle Teamansatz eine weitere und wesentliche Neuerung. Auf der Grundlage von Erfahrungen mit Simulationstraining für präklinische Teams wurde in einem Pilotprojekt ein Schockraum-Simulationstraining begonnen, basierend auf „Critical incident Reporting“, das heißt dem Nachstellen von wirklichen Vorfällen und Abläufen, um mit schwierigen Situationen routinierter umgehen zu können.

Behandlungsstrategien können sich im Schockraum oft überraschend schnell und dynamisch ändern. Risikofaktoren wie Stress, Zeitdruck, oft gleichzeitiges Agieren am Patienten, belasten die Teams zusätzlich. Eine zweite Meinung einholen („second opinon“), der Austausch von Tipps und Tricks sind eher unüblich, Debriefings nach einem Einsatz noch kein Standard. Gerade die Übergabeszenarien im Schockraum erfordern ein teamintensives und zeitkritisches Zusammenarbeiten. Je größer das Team, umso wichtiger die Teamführung, damit koordiniert und patientengerecht im notwendigen Zeitfenster agiert werden kann. Handlungsstrategien im Team, proaktive Entscheidungsprozesse und schnelle Alternativen (der ‚Plan B’) können in der Schockraumsimulation realitätsnah und relevant trainiert werden. Dabei werden sowohl die abgebenden als auch die aufnehmenden Teams zu „Hot seats“, das heißt sie spielen im Szenario die aktivere Rolle und werden anschließend im Audio-Video Debriefing stärker fokussiert. Das Zusammenspiel zwischen Informationsaustausch und erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen kann im Szenario betont und im Debriefing für alle „sichtbar“ gemacht werden.

Ablauf des Trainings:

Nach der interaktiven theoretischen Einführung sowie der praxisnahen Einführung in die Simulatoren werden die Gruppen analog ihres Verantwortungsbereiches im Schockraum in zwei Gruppen aufgeteilt. Nach einem Briefing in das Szenario übernehmen die aktiven Teilnehmer im Simulator- Setting ihre Rollen und Teamaufgaben. Die nicht aktiven Teilnehmer können ihren Kollegen via LiveÜbertragung „über die Schulter schauen“ und werden mittels der CRM Prinzipien speziell darauf gebrieft, sowohl Human Factors wie auch internationale Empfehlungen und medizinische sowie technische Scores zu beobachten und im anschließenden Debriefing transparent zu machen. EinLerneffekt nicht nur für die Aktiven, sondern auch für die Zuschauer, welche im 2. Szenario selbst im
Team aktiv werden. Die Szenarien rekrutieren sich unter anderem aus dem Incident Reporting zum Schockraummanagement sowie von den Teilnehmern real erlebten Schockraumsituationen. Diese Situationen werden von der aktiven Gruppe an der Simulatorpuppe erlebt.

Alle Teilnehmer haben die Chance, in ihrem Verantwortungsbereich einmal aktiv, aber auch passiv während der Live-Simulation zu agieren. Im Debriefing werden zunächst die aktiven Teilnehmer fokussiert und debrieft, um danach in der gesamten Gruppe unter anderem mit Hilfe der Videosequenzen die Tipps und Tricks, besonders gute Aktionen, aber auch Verfahrensweisen, welche optimiert werden können, auszutauschen und für alle transparent zu machen. Es geht hierbei um das, warum wurde es so gemacht“ und um die Verbreitung und Vertiefung des Erlernten und der Erfahrungen im Briefing, im Szenario und im Debriefing. Mit Hilfe der zwei Schockraumsimulatorstationen können so bis zu acht Szenarien für die Teilnehmer inklusive Nachbesprechung
durchgeführt werden.

 

Quelle: Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU)

Bild: pixelio/hamma

14.10.2010

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