Ende der Blockade
Rettungsgasse: So kann man Leben retten!
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) begrüßt die Initiative des Gesetzgebers, die Vorgaben zur Bildung einer Rettungsgasse in der Straßenverkehrsordnung (StVO) mittels einer verständlichen Verhaltensregel zu vereinfachen. Autofahrer müssen die Rettungsgasse künftig immer unabhängig von der Anzahl der Fahrbahnen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen bilden (§11 Absatz 2 StVO). „Das ist eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Rettungskette, da die derzeitige Regelung von Autofahrern oft nicht zufriedenstellend umgesetzt wird“, sagt Professor Dr. Reinhard Hoffmann, Generalsekretär der DGOU. Die Folge: Der Weg für Notärzte und Rettungskräfte ist häufig blockiert. Hier sei auch das Verantwortungsbewusstsein der Autofahrer gefordert.
Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen oder mehrspurigen Außerortsstraßen Schritt-Tempo fahren oder sich im Stillstand befinden, muss künftig die Rettungsgasse gebildet werden. Damit wird der Zeitpunkt für die Bildung der Rettungsgasse konkretisiert. Der Begriff „Stockender Verkehr“ wurde in der Vergangenheit oft missverständlich interpretiert. Leicht einprägen können sich Autofahrer die neue Vorgabe anhand der sogenannten „Rechte-Hand-Regel“: Dabei befindet sich die Rettungsgasse immer zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Daumen markiert die linke Fahrspur und die anderen Finger eine beliebige Anzahl weiterer Fahrbahnen. Damit die vom Bundeskabinett beschlossene Novelle der Straßenverkehrsordnung für mehr Verkehrssicherheit in Kraft treten kann, muss noch der Bundesrat zustimmen. „Nach einem Unfall zählt für Ärzte und Rettungskräfte jede Sekunde, die schwerverletzten Verkehrsopfer schnellstmöglich zu erreichen und ihre Überlebenschancen zu verbessern“, unterstreicht Hoffmann die Notwendigkeit einer reibungslos funktionierenden Rettungsgasse.
Aus Sicht der Unfallchirurgen ist die gesetzliche Klarstellung zur Rettungsgasse ein wichtiger Mosaikstein für eine reibungslose Notfallmedizin: „Von der Rettung bis zum Eintreffen der schwerverletzten Patienten in eine Klinik darf keine unnötige Zeit verstreichen, denn Zeit ist Leben“, betont Hoffmann. Die präklinische Versorgung ist bei Mehrfachverletzten von entscheidender Bedeutung. Die ersten lebensrettenden Maßnahmen finden direkt am Unfallort durch Notarzt und Sanitäter statt: Aufgabe ist es, möglichst schnell die lebenswichtigen Körperfunktionen der Unfallopfer zu stabilisieren und sie in einen transportfähigen Zustand zu versetzen. Denn: Die besten Überlebenschancen hat der Patient in der sogenannten „Golden Hour of Shock“ – also innerhalb von 60 Minuten nach Eintreffen des Rettungsdienstes am Unfallort und der stationären Einlieferung in eine Klinik und den speziell für Schwerverletzte vorgesehenen Schockraum.
Durch die 2006 von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) gegründete Initiative TraumaNetzwerk DGU garantieren mehr als 600 Traumazentren die Aufnahme von Schwerverletzten rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Alle Schwerverletzten werden entsprechend der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung der DGU behandelt. „Wir werden auch in der Zukunft unsere Kräfte auf allen medizinischen Ebenen bündeln, um die Überlebenschancen von Schwerverletzten weiter zu erhöhen“, betont Hoffmann. Doch auch die Autofahrer stehen in der Pflicht: Eine Rettungsgasse kann nur funktionieren, wenn alle Pkw-Fahrer an einem Strang ziehen, die Vorschriften einhalten und ein Bewusstsein für die Situation entwickeln.
Dazu raten Verkehrsexperten:
- Bereits bei Schrittgeschwindigkeit eine Rettungsgasse bilden – nicht erst bei Annäherung der Einsatzfahrzeuge, da unnötig Zeit verloren geht.
- Bei Blaulicht und Einsatzhorn: die Geschwindigkeit verringern und klären, aus welcher Richtung die Einsatzfahrzeuge kommen.
- Blinker setzen, um den Verkehrsteilnehmern und Rettungsfahrzeugen mitzuteilen, zu welcher Seite ausgewichen wird.
- Im Zweifelsfall anhalten oder den Pkw möglichst parallel zur Fahrtrichtung ausrichten, damit nicht das Heck des Fahrzeugs in die Rettungsgasse hineinragt.
- Ausreichend Abstand zum vorderen Fahrzeug halten, um die Rettungsgasse bilden zu können. Stehen die Autos im Stau bereits dicht auf dicht, ist das oft nicht mehr möglich.
- Vor der Weiterfahrt prüfen, ob noch weitere Einsatzfahrzeuge folgen.
„Halten sich alle Autofahrer konsequent an die Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Rettungsgasse, würde das unsere Arbeit vor Ort erheblich erleichtern“, so die Unfallchirurgen. Begrüßenswert wäre daher auch die Einführung einer einheitlichen Regelung innerhalb Europas. Nach Ansicht der DGOU machen länderspezifische Abweichungen keinen Sinn und führen innerhalb der EU-Nachbarländer zu unnötiger Verunsicherung bei den Autofahrern.
Hintergrund:
Um die Überlebenschancen Schwerstverletzter zu erhöhen, haben Unfallchirurgen im Jahr 2006 im Weißbuch Schwerverletztenversorgung die optimalen Bedingungen für die Versorgung von Schwerverletzten festgehalten und die Initiative TraumaNetzwerk DGU® (TNW) gegründet. Ziel ist es, durch diese Vernetzungsstruktur die Behandlungsqualität zu sichern und zugleich die schnelle Versorgung der Patienten zu optimieren. Gegenwärtig erfüllen bundesweit rund 600 Traumazentren die Qualitätsvorgaben der DGU und sind in 51 zertifizierten TraumaNetzwerken DGU® (TNW) zusammengeschlossen. Diese Zusammenarbeit hat sich in enger Abstimmung mit den Rettungsdiensten in der Vergangenheit bewährt. Insbesondere bei Massenunfällen auf Autobahnen können viele schwerverletzte Menschen somit schnell und effizient versorgt werden.
Referenzen: www.bmvi.de
Weitere Informationen unter www.dgou.de und www.traumanetzwerk-dgu.de
19.07.2016