Multiresistente Bakterien

Resistenzgen gegen Notfall-Antibiotikum in Deutschland nachgewiesen

Immer häufiger können bakterielle Infektionen nicht mehr mit den gängigen Antibiotika behandelt werden, weil die Erreger dagegen resistent sind. Dann werden Reserveantibiotika eingesetzt – bei multiresistenten Enterobakterien ist das Antibiotikum Colistin eines der wenigen noch wirksamen Mittel. Doch auch diese Behandlungsoption könnte bald ausgedient haben: Im November vergangenen Jahres wurde in China ein neues Colistin-Resistenzgen entdeckt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Institut für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) konnten das Resistenzgen mcr-1 nun auch in Deutschland nachweisen – in einem Isolat einer Humanprobe aus dem Jahr 2014.

Carbapenemase-produzierende Enterobakterien (blau gefärbt) auf einer...
Carbapenemase-produzierende Enterobakterien (blau gefärbt) auf einer Agarplatte.
Quelle: Institut für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen / Judith Schmiedel

Besonders brisant: Das Isolat enthielt die das neu entdeckte Colistin-Resistenzgen mcr-1 zusätzlich zu einer Carbapenem-Resistenz. Carbapeneme sind breit wirksame Antibiotika, die in Notfällen gegen multiresistente Bakterien zum Einsatz kommen. Wenn sie unwirksam werden, kommt Colistin als letzte Reserve zum Einsatz. Besteht auch dagegen eine Resistenz, kann eine ausweglose Situation ohne Behandlungsoption entstehen. Besonders alarmierend ist, dass das neu entdeckte Resistenzgen – im Gegensatz zu den vorher bekannten Colistin-Resistenzen – zwischen Bakterienstämmen übertragbar ist und sich so leicht verbreiten könnte. Die Entdeckung ist damit von größter Bedeutung für das Gesundheitswesen.

Seit 2013 arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZIF-Forschungsbereichs „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien“ eng mit dem interdisziplinären Forschungsverbund RESET am Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU zusammen. Die Verbindung der Forschungsverbünde führte zum Aufbau einer umfangreichen Sammlung multiresistenter Erreger aus Tier und Mensch. Isolate dieser Sammlung wurden in Zusammenarbeit mit Bioinformatikerinnen und -informatikern des DZIF sequenziert und die bakteriellen Genome in einer Datenbank hinterlegt. Diese Datenbank wurde genutzt, um die Isolate auch auf das neu entdeckte Resistenzgen mcr-1 zu untersuchen.

„Voraussetzung für die schnelle Identifizierung des mcr-1-Gens war eine große Sammlung von Genomsequenzen multiresistenter Bakterien in einer spezialisierten Datenbank“, so Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Co-Koordinator im DZIF und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der JLU. „Diese von der Bioinformatik erstellte Datenbasis war wegweisend und zeigt eindrucksvoll das Potenzial Genom-basierter Epidemiologie.“

In Europa gab es bislang Meldungen aus Dänemark und Großbritannien, wo das neu entdeckte Colistin-Resistenzgen in Enterobakterien aus Geflügel- bzw. Humanproben gefunden wurde, die bis 2012 zurückdatieren. In Deutschland kommt dieses Gen mindestens seit dem Jahr 2010 in Tieren vor – was bedeutet, dass seitdem die Möglichkeit einer Übertragung auf den Menschen bestanden hat. Es steht nun aus, weitere Bakterienstämme und ältere Stammsammlungen aus menschlichen Proben zu untersuchen, um das Ausmaß der Problematik in Deutschland zu erfassen.

Das Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU ist – gemeinsam mit Partnern in Marburg und Langen – seit 2011 einer von sieben Partnerstandorten des DZIF. Der Partnerstandort Gießen/Marburg/Langen wird von Prof. Chakraborty koordiniert. Der Standort Gießen-Marburg-Langen des DZIF hat als Schwerpunkt „Emerging and Emergency Infections“. Damit verbunden ist der Aufbau einer Genom-basierten Datenbank von mikrobiellen Erregern von Tier und Mensch am Standort Gießen. Diese erlaubt den schnellen Nachweis und die weitere Analyse neuer Erreger.

Das DZIF und der Forschungsverbund RESET werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.


Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen

08.01.2016

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