Bildquelle: B. Schröder/HZDR
News • Bildgebung und Behandlung von Tumoren
Radionuklid-Therapie: Vielversprechender neuer Chelator entwickelt
Radioaktive Präparate eignen sich dank ihrer Strahlung sowohl für die Bildgebung als auch für die Therapie von Krebserkrankungen. Durch ihre geeignete Kombination in neuartigen, sogenannten Radionuklidtheranostika lassen sich beide Anwendungen gezielt miteinander verzahnen.
Ein Radiopharmazie-Team vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Universität Heidelberg hat nun ein solches System im Journal of the American Chemical Society vorgestellt, das eins der bisher größten Probleme erfolgreich löst: Es funktioniert bei physiologisch relevanten Temperaturen.
„Wir können uns das im Prinzip wie die Funktionalität eines Smart Keys vorstellen, mit dem wir die Kontrolle über unser Auto haben. Wir nutzen dabei sogenannte Radionuklide, also instabile Atomkerne, die während ihres Zerfalls spontan ionisierende Strahlung aussenden. Mit einem diagnostisch arbeitenden Radionuklid spüren wir den Tumor auf. Die zielgerichtete innere Bestrahlung nahe dem erkrankten Gewebe übernimmt dann ein anderes, therapeutisch wirksames Radionuklid“, umschreibt Dr. Manja Kubeil vom Institut für Radiopharmazeutische Krebsforschung am HZDR ihren theranostischen Ansatz.
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News • Nuklearmedizin
Spezielle Strahlentherapie wirksam bei metastasierendem Prostatakrebs
Wenn ein Tumor Metastasen bildet, sinkt die Überlebenschance der Patienten beträchtlich. Das gilt auch für Prostatatumore. Hier gibt es aber vielversprechende Therapieansätze. Mit einer Bestrahlung durch radioaktive Substanzen wie etwa Lutetium-177 können Prostatatumore sowie ihre Metastasen zumindest eine Zeitlang unter Kontrolle gebracht werden.
Ihr Team in der Abteilung Radionuklid-Theragnostika entwickelt genau solche Substanzen, um Tumoren aufzuspüren und zu zerstören. Die Forscher setzen dafür aufeinander abgestimmte Paare von Radionukliden ein, die aufgrund ihrer Zerfallscharakteristik sowohl für die Bildgebung als auch für die Therapie von Tumoren am gleichen Zielmolekül verwendet werden können.
Das jeweilige Radionuklid ist dabei in einem sogenannten Chelator stabil gebunden und über eine Art chemische Brücke mit einem Biomolekül verknüpft. „Das Wort Chelator ist dem Lateinischen entlehnt, sein Wortstamm assoziiert eine Umklammerung durch Krebsscheren. Wir bevorzugen das Bild eines molekularen Käfigs, der das Radionuklid fest umschließt, damit es sich nicht unkontrolliert im Körper verteilen kann. Das zielsuchende Biomolekül wiederum muss genau zu den Andockstellen auf den Krebszellen passen, gerade so wie ein Schlüssel zu einem Schloss. Das Radionuklid reichert sich daraufhin am Tumorgewebe an und entfaltet ausschließlich dort seine zerstörerische Wirkung – so der Plan“, sagt Kubeil.
Gut geeignet ist zum Beispiel Lutetium-177 als Elektronen aussendender Betastrahler zur Therapie verschiedener Tumoren sowie als Gammastrahlen-Quelle für die Bildgebung. Actinium-225 als ein für die effiziente Behandlung nutzbarer Alpha-Strahler weist eine noch höhere Wirksamkeit bei der Zerstörung von Tumoren auf und wird vom Chelator ebenfalls sehr fest gebunden. Beide Radionuklide kommen nicht natürlich auf der Erde vor und werden mit geeigneten Verfahren künstlich gewonnen.
Arbeitet man mit Proteinderivaten, sind [die bei DOTA verwendeten] eindeutig zu hohe Temperaturen. Denn liegen diese auch nur über 40°C, setzt bereits die Denaturierung ein: Sie werden zerstört
Manja Kubeil
Alphastrahler stoßen Teilchen aus, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Sie werden in der Krebstherapie eingesetzt, da ihre Reichweite im Gewebe sehr gering ist und sie trotzdem mit ihrer hohen Energie Krebszellen sehr effektiv angreifen und abtöten. Die Halbwertszeit von sieben und zehn Tagen im Falle von Lutetium-177 und Actinium-225 ist dafür ideal: Sie ist lang genug, um eine wirksame Behandlung zu ermöglichen.
Bislang gibt es nur einen einzigen Komplexbildner auf dem Markt, der beide Radionuklide gleichermaßen gut bindet: 1,4,7,10-Tetraazacyclododecan-1,4,7,10-tetraessigsäure, besser bekannt unter dem Kürzel DOTA. Der in der Nuklearmedizin am häufigsten verwendete Chelator ist für seine sehr stabilen Metallkomplexe bekannt. Allerdings hat DOTA den großen Nachteil, dass sich eine vollständige Bindung theranostischer Radionuklide nur bei für biochemische Verhältnisse sehr hohen Temperaturen jenseits von 80°C erzielen lässt. „Arbeitet man mit Proteinderivaten, sind das eindeutig zu hohe Temperaturen. Denn liegen diese auch nur über 40°C, setzt bereits die Denaturierung ein: Sie werden zerstört. Unser neues Chelatorsystem arbeitet auch bei diesen niedrigeren Temperaturen zuverlässig“, freut sich Kubeil.
Darüber hinaus weist es unter den milderen Bedingungen eine schnellere Radiomarkierung als bereits bekannte Chelatoren auf. Ein weiterer Vorteil: Das neue System bindet effizient an verschiedene Biokonjugate. Das heißt, auch die Auswahl von Andockstellen an kranken Geweben wird größer. Der entwickelte Chelator könnte damit die Grundlage für neue modulare und personalisierte Pharmaka-Systeme bilden, die durch einfaches Austauschen der chemischen Teilstrukturen auf verschiedene Bereiche für Bildgebung und Therapie ausgerichtet werden können.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
27.05.2023