Radiologie – klinisch & interdisziplinär

Herzlich willkommen zur 66. Jahrestagung der Bayerischen Röntgengesellschaft e.V. mit MTRA-Tagung in Bamberg. Radiologia bavarica traf den Kongresspräsidenten, Prof. Dr. Markus Lenhart, zum Gespräch über die Inhalte und Intentionen des diesjährigen Kongresses.

Prof. Dr. marcus Lenhart
Prof. Dr. marcus Lenhart

Vor der Kulisse der größten erhaltenen historischen Stadt Deutschlands, die seit 1993 als Weltkulturerbe in die UNESCO-Liste eingetragen ist, kommen ca. 600 Radiologen, Assistenten und Industrievertreter zusammen, um sich über die neuesten technischen Entwicklungen und State of the Art-Verfahren in der Radiologie und angrenzender Fachgebiete auszutauschen. Mit Unterstützung von siebenundsiebzig Referenten und Vorsitzenden ist es gelungen, ein hochklassiges Fortbildungsprogramm zu gestalten. 

Herr Prof. Lenhart, was ist für Sie das Besondere an den jährlichen Treffen der Bayerischen Röntgengesellschaft?

Lenhart: Der Bayerische Röntgenkongress ermöglicht den Austausch zwischen Radiologen, medizinisch-technischen Radiologieassistenten und der Industrie in Bayern und aus angrenzenden Regionen. In erster Linie dient das Forum zwar der Fortbildung, aber in hohem Maße auch dem Austausch zwischen den radiologischen Kollegen, sowohl in der Klinik als auch in der Praxis. Unser jährliches Treffen dient neben der Fortbildung dazu, aktuelle Probleme zu besprechen und natürlich werden hier auch meinungsbildend strategische Konzepte und Personalpolitik diskutiert.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben Sie in diesem Jahr gesetzt?

Die Themen in diesem Jahr sind ganz klar klinisch anwendungsorientiert gewählt, weil ich überzeugt bin, dass die Zuhörer vor allem daran interessiert sind. Das gilt insbesondere für die Neuroradiologie und die Orthopädie. So ist es in der Neuroradiologie wichtig, Kenntnisse über Kinderradiologie und Kinderneuroradiologie zu haben, um ein Verständnis für Anlagestörungen des Gehirns zu entwickeln, dazu gehört zum Beispiel die fetale MR. Und bei den primär neuroradiologischen Themen wollte ich die bildgebende Diagnostik aufgreifen, mit der wir uns täglich beschäftigen: weiße Flecken, schwarze Flecken und deren Interpretation. Gerade diese scheinbar einfachen Sachverhalte, die durchaus einige Differenzialdiagnosen beinhalten, werden auf dem Kongress thematisiert. In der Onkologie greifen wir in diesem Jahr die Hybridverfahren und spezifische Regionen, wie Prostata, Leber (einschließlich der Intervention) und Hals mit Schädelbasis auf. Die Prostatabildgebung wird für immer mehr Männer relevant. Die Leitlinien der Urologen tragen dem zwar noch nicht adäquat Rechnung, aber umso wichtiger ist es, uns mit den aktuellen Entwicklungen und der Studienlage vertraut zu machen. Um dem Kongress ein Profil zu geben, habe ich Themen aufgegriffen, die im klinischen Alltag eine große Rolle spielen, in den Fortbildungen aber eher etwas unterrepräsentiert sind, wie zum Beispiel die onkologische Hals-Nasen-Ohren-Bildgebung.

Was dürfen die jungen Kollegen bei den „Fit für den Facharzt“-Kursen erwarten?

In diesen Veranstaltungen erhalten die Kollegen in Ausbildung von versierten Experten in kurzen Zeiteinheiten von 20 Minuten eine sehr große Dichte an Informationen, die sie für ihre Facharzttätigkeit benötigen. Viele Assistenz-ärzte konzentrieren sich bevorzugt auf die Schnittbilder, da kommen die Interventionen und das konventionelle Röntgen etwas zu kurz. Deshalb haben wir auch den Thoraxkurs in das Programm aufgenommen, der von Referenten mit großer Expertise geleitet wird. Davon profitieren alle, egal ob Assistenzarzt oder Refresher, weil die Referenten sehr systematisch an die Thoraxdiagnostik heranführen.

Damit greifen Sie ja auch einen Schwerpunkt des kommenden 95. Deutschen Radiologiekongresses auf, auch in Hamburg wird man sich wieder mehr dem konventionellen Röntgen widmen. Ist das für die Radiologen wirklich noch wichtig?

Man muss sich vor Augen führen, dass mindestens 60 Prozent der bildgebenden Untersuchungen mit konventionellem Röntgen erfolgen. Gerade weil das Teilgebietsröntgen von anderen Fachgebieten ausgeweitet wird, müssen wir uns standespolitisch ganz klar positionieren und dürfen unsere primäre Fachkompetenz nicht selbst untergraben. Deshalb ist es wichtig, dieses Thema auch aufzugreifen, um unsere ureigene Kompetenz zu untermauern.

Welches Verständnis sollte der Radiologe von sich haben und wie weit muss er über seinen eigenen Tellerrand blicken können?

Es ist ganz wichtig, dass wir die Dinge, die wir tun, auch verstehen. Deshalb müssen wir uns auch über aktuelle medikamentöse Therapiekonzepte in der Onkologie informieren. Wenn wir Lebertumore embolisieren und Chemotherapeutika dort einbringen, müssen wir ein Verständnis für die Wechselwirkung mit anderen Therapien haben. Wir brauchen heute einen Wissensfundus, der über die reine Bildgebung deutlich hinausgeht. Denn wir sind ja nicht nur klinische Radiologen, sondern in erster Linie Ärzte, die ihre Patienten diagnostizieren, behandeln und heilen wollen.

Inwiefern meinen Sie, kann der Bayerische Röntgenkongress die Berufspolitik befördern?

Die niedergelassenen Kollegen und die Klinikradiologen haben mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen, vor allem mit den Sparmaßnahmen der Krankenkassen. Wir tun also gut daran, unser Fachgebiet und unsere Möglichkeiten zu promoten, auch hier in Bayern. Gerade dort, wo Diagnostik und Therapie interdisziplinär besprochen werden, müssen wir unsere Fachkompetenz unterstreichen, sozusagen als Wegweiser für den Patienten. Es ist ein wesentlicher Auftrag des Kongresses, berufspolitisch Flagge zu zeigen. Da der Bayerische Röntgenkongress wandert, können wir in den unterschiedlichen Regionen Bayerns Aufmerksamkeit für unseren Berufsstand und den der Medizinisch-Technischen Radiologieassistenten wecken.

Was erwartet die Besucher in Bamberg und wie sieht das soziale Rahmenprogramm aus?

Auf dem Begrüßungsabend im „Schlenkerla“ und bei der Festveranstaltung in den „Haas Sälen“ können sich die Teilnehmer nicht nur entspannt austauschen, sie bekommen auch einen Eindruck davon, wie sich diese Stadt anfühlt. Musikalisch untermalt von einem Streichquartett der Bamberger Symphoniker mit Fagott findet am Samstagnachmittag die Abschlussveranstaltung statt. Und während des Dombesuchs vor dem Gesellschaftsabend erwartet uns ein Orgelkonzert. Darüber hinaus bietet Bamberg auch für einen mehrtägigen Aufenthalt viel Interessantes. Ich wünsche Allen eine erfolgreiche Tagung und einen unterhaltsamen Aufenthalt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!
 

17.10.2013

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