Praktischer Strahlenschutz in der Pädiatrie

Kleine Kniffe zur Dosisreduzierung im CT

Im internationalen Vergleich sind deutsche Mediziner sehr vorsichtig, wenn es um CT-Untersuchungen von Kindern geht. Hierzulande sind nur rund ein Prozent aller Computertomografien pädiatrische Untersuchungen, weltweit variiert die Anzahl zwischen fünf bis zehn Prozent.

Dr. Georg Stamm
Dr. Georg Stamm

„Dies ist sicherlich insbesondere der Arbeit der Kinderradiologen zu verdanken, die sich sehr darum bemühen, ein Bewusstsein für die Strahlenproblematik unter den Medizinern zu entwickeln“, erklärt der Physiker Dr. Georg Stamm, Leiter des Arbeitsbereichs Experimentelle Radiologie und Strahlenschutz an der Medizinischen Hochschule Hannover. Es ist wichtig, bei jeder Indikation streng zu prüfen, ob die Untersuchung im CT wirklich erforderlich ist. Lässt sie sich nicht vermeiden, muss dafür Sorge getragen werden, dass das Untersuchungsprotokoll an das Alter und das Gewicht des Kindes angepasst wird.

Protokolloptimierung

Ein wesentliches Element zur Dosisreduzierung bei Kindern stellt die Protokolloptimierung dar. Insbesondere bei Körperstammaufnahmen sollten körpergewichtsadaptierte Protokolle zum Einsatz kommen. Die individuelle Anpassung des Röhrenstroms erfolgt über das Gewicht des Kindes. Es gilt hier nach wie vor die Formel von Prof. Rogalla aus der Charité, die sich am Dosisbedarf eines Erwachsenen mit 80 Kilogramm orientiert. Anteilig zum Gewicht des Kindes wird danach auch die Strahlendosis reduziert. „Die Protokolle der Hersteller bieten eine gute Arbeitsgrundlage, es gibt aber immer noch Spielraum für weitere Reduzierungen bei speziellen Untersuchungsformen“, meint der Physiker. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Untersuchung des Thorax bei In- und Exspiration. Hier handelt es sich um zwei Untersuchungen im selben Körperbereich in unterschiedlichen Zeitphasen. „Dabei möchte man natürlich nicht die doppelte Strahlendosis geben, sondern eine möglichst geringe.“ Gerade bei CT-Untersuchungen der Lunge sind extrem niedrige Strahlendosen möglich, denn bei der Lunge handelt es sich aufgrund des hohen Dichteunterschiedes zwischen Knochen und Lungengewebe um Hochkontrastfragestellungen. Das bedeutet, der Kontrast zwischen dem, was man sehen möchte, und dem Hintergrund ist relativ hoch, daher kann die Strahlendosis leicht reduziert werden. In anderen Bereichen, z.B. der Schulter, wird die Strahlung dann jedoch so stark geschwächt, dass Artefakte in den Bildern auftreten können, die aber für die Diagnostik der Lunge nicht störend sind. „In Hannover ist es uns gelungen, das Protokoll bei Thoraxuntersuchungen von Kindern so zu optimieren, dass die Dosis um den Faktor 5 gesenkt werden konnte.“

Kürzere Untersuchungen – Minimierung des Röntgenstrahls

Die modernen Computertomografen, ganz gleich ob 16- oder 320-Zeilen-Geräte, bieten weiteres Potenzial zur Strahlenreduzierung. Der wichtigste Punkt dabei: Da die Untersuchungslängen bei Kindern kürzer sind als bei Erwachsenen, kann die Breite des Röntgenstrahls reduziert werden. Die meisten Hochleistungsgeräte bieten heute die Möglichkeit, die Detektorzahl zu senken. Statt mit einem vier Zentimeter breiten Röntgenstrahl kann bei Kindern der Strahl auf zwei Zentimeter verkürzt werden. Am Anfang und am Ende der Untersuchung, bei der zur Datenrekonstruktion noch eine zusätzliche Rotation der Röhre notwendig ist, spart man so Strahlung bei exponierten Körperbereichen ein. Ist der eigentliche Untersuchungsbereich relativ lang, so ist die Möglichkeit zur Reduktion der Strahlenexpositionprozentual gesehen nicht mehr so markant, aber bei kurzen Untersuchungsbereichen sind solche Einstellungen entscheidend: „Bei einer kurzen Untersuchungsstrecke von vier bis sechs Zentimetern würde eine Untersuchung ohne Reduzierung der Breite des Röntgenstrahls die doppelte Strahlendosis bedeuten“, erklärt Georg Stamm

Genaue Einweisung und Adaption des Protokolls

Da die Industrie dankenswerterweise Protokolle zur Verfügung stellt, sollten sich die Anwender bei der Einweisung die Zeit nehmen, die Protokolle Punkt für Punkt mit den Herstellern durchzugehen, sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder. „Denn normalerweise weist jedes Protokoll noch Optimierungspotenzial auf, und die Leitlinien der Bundesärztekammer und die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission lassen sich deutlich unterschreiten.“ Deshalb ist es ratsam, nach einigen Monaten nochmals mit dem Hersteller zu sprechen und die Protokolle nach einer Einarbeitungsphase erneut zu überprüfen.


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Im Profil

Dr. Georg Stamm, Jahrgang 1960, war nach dem Physikstudium an der Georg-August-Universität in Göttingen Leiter der Arbeitsgruppe „Strömungen in suprafluidem Helium“ am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen. Seit 1994 ist der Physiker im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule in Hannover tätig und dort stellvertretender Strahlenschutzbevollmächtigter nach Röntgenverordnung.

Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die Bildverarbeitung in der Schnittbilddiagnostik, Strahlenschutz und Dosisaspekte, insbesondere in der Computertomografie, sowie RIS und PACS. Seit 2004 ist Stamm Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Physik und Technik in der Deutschen Röntgengesellschaft.
 

09.05.2012

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