Strahlenschutz

Kleine Patienten, große Verantwortung

Kinder haben ihr ganzes Leben noch vor sich. Die Vermeidung von Langzeitschädigungen durch Strahlung steht deshalb bei den besonders jungen Patienten an oberster Stelle. Aktuelle Diskussionen um den verbesserten Strahlenschutz in der Allgemeinradiologie wurden maßgeblich von der Pädiatrie angestoßen.

CCT bei einem zweieinhalb Monate alten weiblichen Säugling mit einer...
CCT bei einem zweieinhalb Monate alten weiblichen Säugling mit einer Vitamin-K-Mangel-Blutung. Massenblutung rechts frontal mit Ventrikeleinbruch, massivem gleichseitigem Hirnödem und erheblicher Mittellinienverlagerung.

Die Teildisziplinen profitieren dabei voneinander: die Erwachsenenradiologie vom Know-how der Kinderradiologen und die Kinderradiologen davon, dass die Industrie auf die sich verändernden Ansprüche der Erwachsenenradiologen mit neuen Niedrigdosistechnologien reagiert. Prof. Dr. Karl Schneider, Facharzt für Pädiatrie und Kinderradiologie, über aktuelle Erkenntnisse zur Dosis und zum Strahlenschutz bei den Kleinsten.

Mehr als zwei Jahrzehnte leitete Prof. Schneider eine der größten kinderradiologischen Abteilungen in Deutschland an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Oktober 2013 befindet er sich im Ruhestand, mit Forschung und Weiterbildung ist aber noch lange nicht Schluss. Zurzeit ist der Spezialist unter anderem noch in eine Kinderkrebsstudie des Bundesministeriums für Forschung und Technologie involviert, deren endgültige Ergebnisse Ende 2014 vorliegen sollen. Dabei wird bundesweit an circa 40.000 Patienten die Expositionspraxis bei der CT im Kindesalter untersucht, um daraus Hochrechnungen für das Strahlenrisiko abzuleiten.

„Es gibt Kliniken, wo die Dosis um den Faktor 10 höher liegt als an anderen Kliniken“, sagt der Kinderradiologe, „das liegt zum einen an veralteter Gerätetechnik, zum anderen daran, dass viele Einrichtungen kaum pädiatrische Erfahrung haben. Denn Kinder machen nur etwa 3 Prozent der Patienten aus, die zur Diagnosestellung und Therapieplanung eine CT brauchen. Deshalb werden diese Untersuchungen immer öfter von Allgemein- und Neuroradiologen durchgeführt, die häufig mit höherer Dosis arbeiten, weil sie genauere Bilder haben wollen. Kinder sind aber nicht nur strahlenempfindlicher, sondern weisen häufig auch ganz andere altersspezifische Krankheitsbilder auf, die nur ein Experte erkennt.“

In den vergangenen drei Jahren wurden in Australien und England bereits zwei ähnliche Studien zur Expositionspraxis publiziert, die sich speziell mit dem Leukämie- und Hirntumorrisiko durch die Schädel-CT beim Kind beschäftigt haben. Dabei konnte bereits nachgewiesen werden, dass mit nicht erfolgter Dosiseinsparung und unnötig vielen CT-Untersuchungen die Krebsrate steigt.

Einen Großteil der CT-Diagnostik beim Kind macht trotz Ultraschall und Kernspintomographie die Schädelbildgebung aus. Seit Langem ist bekannt, dass die Augenlinse besonders strahlenempfindlich ist. Bisher ging man jedoch von einem Grenzwert aus, der um den Faktor 10 höher lag. Heute weiß man, dass das Kataraktrisiko bei pädiatrischen Patienten wesentlich höher ist. Durch die längere Überlebenszeit liegt die Gefahr einer Linsentrübung, also eines Katarakts, bei Kindern deshalb deutlich höher als bei Erwachsenen. Das betrifft nicht nur Patienten, die eine craniale Computertomographie (CCT) bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma benötigen, sondern vor allem die Gruppe der Kinder mit Hydrozephalus, bei denen Ventrikelweite und Ventillage zum Liquorabfluss kontrolliert werden müssen, erklärt der Münchner Arzt: „Manche Kinder mit Wasserkopf bekommen über ihre gesamte Lebenszeit hinweg bis zu 50 CCT. Dann erreichen sie auch die volle Linsendosis für den Katarakt. Deshalb sollte man immer einen Wismut-Protektor für die Augenlinsen verwenden. Zudem gibt es schon moderne Scanner, die den Röhrenstrom abschwächen, wenn die Röhre vor dem Gesicht herumläuft, und so die Strahlenbelastung für die Linse reduzieren.“

Das zweite große Einsatzgebiet für die CT-Diagnostik in der Pädiatrie bilden die Lunge und die Atemwege. Auch hierzu betreut Prof. Schneider zurzeit ein hoch spannendes Forschungsprojekt, das durch das Bundesamt für Strahlenschutz initiiert wurde: „Wir möchten die exakte Dosis für die Brustdrüse in den verschiedenen Lebensaltern berechnen, um das genaue Krebsrisiko zu ermitteln. Denn die Brustdrüse ist ein Organ, das mitwächst. Beim Neugeborenen beträgt die Größe gerade mal 5 mm. Je nachdem, welche Untersuchungstechnik man verwendet, wird die Brustdrüse in der Einzelschicht bestrahlt oder nicht.“ Die neuen Berechnungen für die Brustdrüsendosis an modernen CT-Scannern werden von Schneiders Kollegen, dem Medizinphysiker Dr. Michael Seidenbusch, entwickelt. Früher hat man die Organdosis aus allgemeinen Konversionsfaktoren hergeleitet. Das Projekt könnte beispielsweise Aufschluss darüber geben, wie viel Prozent der Brustkrebsfälle bei erwachsenen Frauen durch eine Thorax-CT im Kindesalter entstehen.

Im Profil:
Prof. Dr. Karl Schneider studierte Humanmedizin in München und promovierte 1975. Seine Weiterbildung erfolgte in den Fächern Innere Medizin, Pädiatrie und Diagnostische Radiologie. Schneider war von 1990 bis 2013 Leiter der Abteilung Pädiatrische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, bevor er im Oktober vergangenen Jahres in den Ruhestand ging. Bis heute ist er an mehreren Forschungsprojekten der EU, des Bundesamts für Strahlenschutz und des Bundesministeriums für Bildung und Technologie beteiligt. Darüber hinaus engagiert sich Prof. Schneider als Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

22.01.2014

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