Artikel • Herzbildgebung
Photon Counting CT: Mehrwert auch für die Kardiologie
Hochauflösende Aufnahmen, Reduktion von Artefakten und Strahlendosis, Potential für die funktionale Bildgebung – Photon Counting CT bringt einige Eigenschaften mit, die auch für die Kardiologie hochinteressant sind. Prof. Dr. Christopher Schlett spricht im Rahmen des ESC-Kongresses über die Vorteile der neuen Modalität und warum die Technik das Zeug dazu hat, Radiologen und Kardiologen näher zusammenzubringen.
Artikel: Wolfgang Behrends
Bei der Photon Counting CT ergeben sich einige wesentliche, technische Veränderungen gegenüber der bisherigen CT-Technologie. Dadurch wird die Modalität für neue Bereiche interessant, bei denen die CT bislang kaum sinnvoll eingesetzt werden konnte, erklärt der Freiburger Experte: „Das betrifft beispielsweise Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK). In der Regel handelt es sich um ältere Patienten oder Patienten mit vielen Risikofaktoren; sie haben unter anderem ausgeprägte Verkalkungen der Koronararterien.“
Eben diese Ablagerungen erschweren bislang den Einsatz von CT, denn der Kalk hat eine so hohe atomare Dichte, dass er umliegende Bereiche ‚überstrahlt‘ – das sogenannte Blooming. „Dadurch wirkt die Ablagerung größer, als sie eigentlich ist – das erschwert die Feststellung des Restlumens und führt zu falsch-positiven Stenose-Befunden“, erklärt der Radiologe. „Die Photon Counting CT erlaubt es allerdings durch die Verfügbarkeit der spektralen Information, den Kalk deutlich besser darzustellen – das Blooming wird reduziert und die Ablagerungen können zum Teil sogar komplett herausgerechnet werden (siehe Abbildung). Damit können wir auch Patienten zuverlässiger untersuchen, die ansonsten direkt ins Herzkatheter-Labor geschickt worden wären.“ Ähnliches gilt für Patienten mit Stents, denn auch das Metallgeflecht kann zu Artefakten im CT-Bild führen. „Wir können also mithilfe von Photon Counting deutlich zuverlässiger abklären, ob ein Stent noch durchlässig ist oder nicht – auch hier wäre der invasive Herzkatheter die einzige Alternative zur anatomischen Bildgebung.“
Bildquelle: Prof. Schlett
Weniger Komplikationen, weniger Strahlung
Die Photon Counting CT bringt hier einigen Mehrwert, denn auch wenn die Untersuchung per Herzkatheter ein gutes und ausgereiftes Verfahren sei, handele es sich nichtsdestotrotz um eine invasive Methode, gibt Schlett zu bedenken. „In der primären Diagnostik bietet sich ein nicht-invasives Verfahren an, um mögliche Komplikationen der invasiven Untersuchungsverfahren zu vermeiden. Auch wenn zum Beispiel Nachblutungen oder Aortendissektionen sehr selten sind, handelt es sich um schwerwiegende Komplikationen. Diesen Faktor sollte man nicht außer Acht lassen.“
Zum Ausschluss von Stenosen ist die CT gut geeignet. Sobald jedoch eine Stenose erkannt wird, die therapiert werden muss, wird der Herzkatheter benötigt
Christopher Schlett
Ein weiterer Vorteil der bildgebenden Alternative ist die geringere Strahlendosis: Während bei einer Herzkatheter-Untersuchung je nach Alter und Gewicht des Patienten eine Belastung von 4 bis 9 mSv erreicht wird, kommt die Photon Counting CT mit 1-3 mSv aus.
Sind damit die Tage des Herzkatheters gezählt? Nein, das Verfahren habe trotz der Fortschritte bei der CT weiterhin eine Existenzberechtigung, betont Schlett. Zum einen sei die Kardio-CT aktuell noch keine Kassenleistung, die Untersuchung also auch eine finanzielle Frage; zum anderen fehle schlicht die Kapazität an geeigneten Scannern. „Zum Ausschluss von Stenosen ist die CT gut geeignet. Sobald jedoch eine Stenose erkannt wird, die therapiert werden muss, wird der Herzkatheter benötigt – und das wird sicherlich auch in absehbarer Zeit so bleiben, so dass es hier nach wie vor einen Markt für das Verfahren geben wird.“
Neue Technik fördert interdisziplinäre Zusammenarbeit
Durch die neuen Bereiche, die Photon Counting für die CT-Bildgebung erschließt, ist die Technik für Schlett auch ein wirksamer Katalysator für interdisziplinäre Zusammenarbeit: „Schon bei der Arbeit mit den Prototypen hat sich gezeigt, dass Radiologen und Kardiologen durch diese Technologie näher zusammengerückt sind. Ich denke, die Medizin profitiert insgesamt, wenn man keine Grabenkämpfe eingeht, sondern überlegt, wie sich die Fachbereiche gegenseitig ergänzen können: In diesem Fall haben die Kardiologen häufiger ein tieferes Verständnis für die Grunderkrankung und ihre Therapiemöglichkeiten, während die Radiologen ihre diagnostische und technische Expertise einbringen, um die Befunde voranzubringen. Deshalb gilt in unserem Team das Vier-Augen-Prinzip, bei dem die Befunde sowohl kardiologisch als auch radiologisch betrachtet werden. Damit erreichen wir eine umfassende Versorgung unserer Patienten und hoffentlich ein optimales Ergebnis.“
Das noch junge Verfahren dringt zudem in Bereiche vor, die bislang der MRT vorbehalten waren, so Schlett: „Interessant ist vor allem der Blick auf das Myokard – bei der Darstellung der Perfusion oder von Fibrosen wird die Photon Counting CT sicherlich in den kommenden Jahren einen gewissen Stellenwert etablieren.“ Die neue Technik kann hier eine ihrer großen Stärken ausspielen: Aufnahmen mit hoher zeitlicher Auflösung und zugleich den Zugriff auf Spektraldaten – für die Herzbildgebung eine besonders relevante Kombination. „Damit wird die CT auch für den Bereich der funktionalen Bildgebung des Herzens interessant.“
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Photon Counting CT: Gekommen, um zu bleiben
Photon Counting wird von vielen Radiologen als der nächste große Schritt in der CT-Bildgebung gehandelt – durchaus zu Recht, meint Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, der bereits einige Erfahrung mit der neuen Technik sammeln konnte.
Die Photon Counting CT wird sich in der Herzbildgebung etablieren, zeigt sich der Experte überzeugt. Die Vorteile der Technologie bei bestimmten Patientengruppen seien so groß, dass zumindest die größeren Herzzentren kaum um die neuen Scanner herumkämen. Der Radiologe sieht das Verfahren jedoch weniger in Konkurrenz zu den bereits etablierten Techniken, sondern vielmehr als sinnvolle Ergänzung. „Es wird immer Patienten geben, für die zum Beispiel eine MR-Untersuchung nicht in Frage kommt – sei es aus Platzangst oder aufgrund von Implantaten. Wenn wir für diese Patienten eine weitere diagnostische Möglichkeit haben, ist das sicherlich ein Mehrwert für die Versorgung.“
Profil:
Prof. Dr. Christopher L. Schlett, MPH, hält seit 2022 die W3-Professur für Kardiothorakel Bildgebung der Universität Freiburg und ist Ärztlicher Leiter der Radiologie am Universitäts-Herzzentrum Freiburg – Bad Krozingen sowie stellvertretender Ärztlicher Direktor an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Sein beruflicher Weg führte ihn unter anderem nach Heidelberg sowie nach Boston, wo er einen Masterabschluss in Public Health an der Harvard School of Public Health erlangte und in der Radiologie am Massachusetts General Hospital/Harvard Medical School arbeitete. Zu den Forschungsschwerpunkten von Prof. Schlett zählen neue bildgebende Verfahren sowie die automatisierte, KI-gestützte Auswertung von CT- und MRT-Daten zur quantitativen Krankheitserkennung.
Session auf dem ESC:
Expanding patient reach - Redefining cardiac imaging with world’s first photon-counting Computed Tomography (CT)
25.08.2022