News • Vorhersage für therapeutischen Erfolg
Organoide liefern individuelle Prostatakrebs-Modelle
Forschende der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätsspital Bern, haben aus von Prostata-Tumoren entnommenen Biopsien sogenannte Organoide gezüchtet. An diesen kleinen Zellhaufen lässt sich die Wirksamkeit verschiedener Medikamente testen.
So kann vor Therapiebeginn ermittelt werden, von welcher Behandlung die Betroffenen am ehesten profitieren. Allein in der EU sind im letzten Jahr 78.800 Männer an Prostatakrebs gestorben. In der Schweiz ist Prostatakrebs mittlerweile die zweithäufigste Krebsart bei Männern (15% der Krebstoten). Während im Frühstadium entdeckte Tumoren durch Operation und Strahlentherapie oft vollständig entfernt werden können, verringern sich die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung, wenn der Krebs weiter metastasiert hat. Derzeit können Ärzte das Ansprechen auf Medikamente oder die Therapieresistenz bei Patienten nicht vorhersagen.
Nun hat das Team um Marianna Kruithof-de Julio vom Urologie-Forschungslabor am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Inselspital Bern einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sich der Therapieerfolg vorhersagen lässt. Die Forschenden haben die Resultate soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Sofia Karkampouna und Federico La Manna, die beiden Erstautoren des Fachbeitrags, mussten anderthalb Jahre an der Methode tüfteln, um aus den Biopsien von Prostata-Tumoren Krebszellen herauslösen und dann im Labor zu dreidimensionalen Zellhaufen (Organoiden) zusammenwachsen lassen zu können. Damit stehen sie im Gegensatz zu früheren Zellkulturen, wo die Zellen nur zweidimensional auf der Innenfläche von sterilen Kulturschalen wuchsen.
Mit aufwendigen Analysen haben die Forschenden um Kruithof-de Julio nachgewiesen, dass Organoide einen großen Teil der spezifischen Merkmale des Prostata-Karzinoms, aus dem sie ursprünglich stammen, beibehalten: Sie charakterisieren sich nicht nur durch dieselben genetischen Mutationen, sondern weisen auch ähnliche Genaktivitätsmuster auf, die etwa aufzeigen, welche Gene stillgelegt werden.
Kruithof-de Julio und ihre Mitarbeitenden haben zuerst in Organoiden von etablierten experimentellen Tumormodellen 74 verschiedene Medikamente getestet – und 13 Substanzen ausgewählt, die das Wachstum der Prostatakrebszellen am stärksten abgebremst hatten. Mit diesen Substanzen haben die Forschenden dann die Organoide von fünf Prostatakrebspatienten – zwei mit einem Tumor in einem frühen Stadium, drei mit einem fortgeschrittenen metastasierenden Tumor – behandelt. Als besonders wirksam erwies sich ein Medikament namens Ponatinib, das bisher nur für die Behandlung von Leukämien zugelassen (und für die Behandlung von Prostatakrebs noch nicht getestet) worden ist.
Für Kruithof-de Julio liegt die Bedeutung ihrer Resultate jedoch nicht nur in der Identifikation vielversprechender Wirkstoffe, sondern vor allem auch darin, dass sie einen Ansatz aufzeigen, wie die Ärzteschaft auf die individuellen Eigenschaften eines Tumors bei einem bestimmten Patienten eingehen kann. "Unsere Resultate ebnen der Präzisionsmedizin den Weg. Wir haben in unserer Studie zwar nur retrospektiv Daten zu fünf Patienten ausgewertet", sagt Kruithof-de Julio. "Aber wir haben klar gezeigt, dass die Methode grundsätzlich funktioniert: Für das Züchten der Organoide und die Medikamententests genügen zwei Wochen. Ein Zeitrahmen, der mit der klinischen Entscheidungsfindung vereinbar ist, wie wir in Zusammenarbeit mit der Urologischen Universitätsklinik unter der Leitung von Prof. George Thalmann mittlerweile in mehreren Fällen bereits nachweisen konnten."
"In meiner klinischen Tätigkeit bin ich regelmäßig mit Tumoren konfrontiert, die nicht auf die verabreichte Therapie ansprechen oder für die wir nicht wissen, welche Therapie zu verabreichen ist. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung Präzisionsmedizin, wo wir einmal fähig sein werden die Therapie auf den jeweiligen Tumor zuzuschneiden und seine Biologie besser zu verstehen", erklärt Thalmann. Die Forschenden erhoffen sich damit eine effizientere Behandlung mit weniger Nebenwirkungen und geringeren Kosten.
Quelle: Universität Bern
09.03.2021