Schulter-MRT

One-Stop-Shop bei der Schulterbildgebung

Fast alles an der Schulter kann grundsätzlich schmerzhaft sein“, weiß Prof. Zanetti, Leiter des Zentrums für Muskuloskelettale Radiologie in Hirslanden in Zürich. Das beginnt bei den Sehnen, der Rotatorenmanschette, geht über zu kleinen Veränderungen des Knorpels oder Knochens bis hin zu Labrum-Strukturen, die Schmerzen verursachen.

Prof. Marco Zanetti
Prof. Marco Zanetti

Diese Grunderkrankungen der Schulter und weitere, die sogar noch schmerzhafter sein können, diagnostiziert der Radiologe am besten mit der MRT. Für den Spezialisten des Bewegungsapparates ist sie der One-Stop-Shop in der Schulterbildgebung, die ohne Umwege und ohne zusätzliche Arbeitsschritte zur treffenden Diagnose führt.

Oft das einzige, was Radiologen in einem Röntgenbild bei fortgeschrittenen Deformationen sehen würden, wären Veränderungen der Gesamtgeometrie, z.B. wenn sich der Humeruskopf nach kranial dezentriiert. Da erkennt der erfahrene Experte gleich, dass die Rotatorenmanschette rupturiert ist. Doch die MRT liefert darüber hinaus eine Aussage über das Ausmaß der Erkrankung. In den MR-Bildern ist nicht nur die Ursache der Schmerzen zu erkennen, sondern auch die Ausbreitung auf Muskeln und Sehnen. „Hat es der Radiologe zum Beispiel mit einer gerissenen Sehne zu tun, nützt es nichts, wenn der Chirurg sie zusammennäht und der Muskel, der nachgeschaltet ist, bereits komplett atrophiert ist. Dann ist zwar die Sehne genäht, aber der Patient kann den Arm trotzdem nicht bewegen.“ Das Ausmaß der Schädigung – ist eine Sehne oder sind mehrere rupturiert, ist der Knorpel so stark angegriffen, dass besser ein künstliches Gelenk implantiert wird – ist nur in der MRT zu ermitteln, sodass gerade der Operateur während des Eingriffs nicht überrascht wird. „Deswegen ist die MRT eine robuste und zuverlässige Methode, die von der Diagnose bis zur Ermittlung des Ausmaßes alles liefert“, sagt der Spezialist.


Vorteile und Grenzen der MRT
Basiserkrankungen der Schulter sind Rotatorenmanschetten-Rupturen und Labrum-Läsionen. „Das ist das allererste, wonach man mittels MRT sucht.“ Aber die MRT liefert auch Bilder kleinster Läsionen. Sehnen weisen oft sehr kleine Rupturen auf, die mit der MRT besser zu sehen sind als im Ultraschall – dem größten Konkurrenzverfahren auf diesem Gebiet. „Und gerade die kleinen Risse sind besonders schmerzhaft“, führt Prof. Zanetti weiter aus. Weitere radiologische Fragestellungen sind, ob im Rotatorenmanschetten-Intervall Läsionen mit verschiedenen Ligamenten – Pulley-Läsionen (Abbildung 2) – vorliegen, oder ob man es mit einer sogenannten eingefrorenen Schulter zu tun hat.
Zanetti: „Das ist zwar klinisch schon zu erkennen, denn der Patient bewegt sich nicht richtig, aber wir müssen auch wissen, ob nur das oder noch mehr vorliegt und das kann ich im MRT bis zu einem gewissen Maß auch sehen.“ Zuverlässig in der Diagnose ist das MRT eindeutig für Sehnen, Labrum und Knorpel. „Wobei aber die MR Diagnostik des Schulterknorpels schon nicht mehr so gut ist wie die am Knie“, berichtet Zanetti über die Grenzen der MRT. „Der Knorpel an der Schulter ist nur 1,5 mm breit. Nur sehr gute, hochauflösende Geräte bilden das präzise ab, mit einem Niederfeldgerät können Sie dazu schlicht keine Aussage treffen.“


Pitfalls
Das Problem bei der Diagnose von Schultererkrankungen ist oft die Interpretation, da fast unendliche Varianten einer Erkrankung existieren. Prof. Zanetti: „Wir sehen etwas in den Bildern und wissen nicht, ob es noch im Norm-Bereich ist oder nicht.“ Zum Beispiel zieht sich die lange Bizeps Sehne schräg durch das Gelenk und kann wegen des Partialvolumeneffektes relativ hell erscheinen. Ist die Sehne zu hell, kann der Radiologe dies als falsch positiv bewerten. Es kann sich um ein Anzeichen für eine abgenutzte Bizeps Sehne – Tendinopathie – handeln, oder Magic Angle Artefakt ist der Grund für die helle Aufnahme – wenn durch kurze Echozeiten beim MR, die Sehnen aus rein physikalischen Gründen hell abgebildet sind. „Wir Radiologen müssen also viel Erfahrung mitbringen und anwenden können. Da hilft Literatur und das Zusammentreffen bei solchen Symposien wie in Garmisch für einen guten Austausch, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen“, bekräftigt Prof. Zanetti abschließend. 


Literatur:
Zanetti M, Mamisch-Saupe N.: Magnetic resonance imaging of the shoulder: impingement and instability related abnormalities-update 2013


PROFIL:
Seit 2011 ist Prof. Marco Zanetti Leiter des Zentrums für Muskuloskelettale Radiologie in Hirslanden, Zürich. Zuvor war er 17 Jahre lang an der Uniklinik Balgrist in Zürich tätig – zuletzt als Chefarzt der radiologischen Abteilung. Zanetti ist Spezialist für die Anwendung der Magnetresonanztomographie am Bewegungsapparat und habilitierte auch auf diesem Gebiet im Jahr 2000. Zurzeit ist er zusätzlich Präsident der European Society of Musculoskeletal Radiology (ESSR) und Mitherausgeber und Chefredakteur für verschiedene Fachpublikationen.

18.02.2015

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