Hoher Blutdruck
Neues Verfahren nutzt therapeutischen Ultraschall
Für Patienten mit behandlungsresistentem hohen Blutdruck galt die renale Denervation seit dem Jahr 2009 als ein neues wirksames Therapieverfahren. Erste Studienergebnisse waren verheißungsvoll. Einen Rückschlag gab es Anfang 2014, als eine US-amerikanische Studie keine Wirksamkeit nachweisen konnte. Das Studiendesign stieß auf Kritik, weil nicht die geeigneten Patienten ausgewählt wurden.
Report: Rainer Klawki
Das Verfahren nützt solchen Patienten, bei denen der Hochdruck vor allem auf hormonellem Weg aufrecht erhalten wird. Der Nierenkatheter ist in der Lage ist, mit Stromimpulsen die sympathischen Nervenfasern an der Niere zu veröden. Diese sind für die Ausschüttung von Blutdruck erhöhenden Hormonen ursächlich. Werden diese Nervenfasern ausgeschaltet, kann der Blutdruck in erheblichem Maße gesenkt werden. Das ist bereits seit Nutzung eines chirurgischen Verfahren bei schwer Hochdruckkranken aus den 50er Jahren bekannt.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse aus der US-amerikanischen SYMPLICITY-HTN-3-Studie im Frühjahr 2014 sorgte für Ernüchterung. Es konnte in dieser Studie kein Unterschied der Wirksamkeit mit einer Vergleichsgruppe nachgewiesen werden. In Deutschland führte dies in vielen kleinen Zentren zu einem Stopp der Behandlung. „Die wissenschaftliche Diskussion war so präsent, dass sie sogar mit den Kostenträgern geführt wurde, was jetzt alles schwierig macht,“ erläutert Professor Peter Trenkwalder aus Starnberg die Situation. An seiner Klinik waren acht Patienten mit resistenter Hypertonie mittels renaler Denervation behandelt worden. „Wir hatten durchaus gute Erfolge, was vermutlich auch der richtigen Patientenauswahl geschuldet war“, so Trenkwalder im Rückblick. Fünf von sechs Patienten hatten nach der Behandlung an seiner Klinik eine ausreichende Blutdrucksenkung durch das Verfahren. Und: Er hatte bei den Patienten darauf geachtet, dass niemand mit Schlafapnoe-Syndrom die Ablation erhielt. Bei diesen Patienten gibt es nämlich einen zusätzlichen Faktor, der den Blutdruck ansteigen lässt.
Trotz der Rückschläge ist die renale Denervierung für ihn nach wie vor ein wirksames Mittel zur Blutdrucksenkung: Wenn man den Sympathikus ausschaltet, ist ein therapeutischer Nutzen auf den hohen Blutdruck zu erwarten – wie auch immer dies geschieht.“ Auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) schaltete sich im Frühjahr mit einer Beurteilung der US-amerikanischen Studie ein. Sie erklärt den Studienausgang mit der Patientenauswahl. „Die in Simplicity HTN-3 behandelte Patientengruppe unterschied sich in mehrfacher Hinsicht von jenen Patienten, die in Deutschland für eine Renale Denervation in Frage kommen: 24% (Denervation) und 29% (Kontrollgruppe) waren Afro-Amerikaner. Diese Patienten zeigten keine unterschiedlichen Blutdruck-Abnahmen mit einer besonders starken Abnahme in der Placebo Gruppe. Das könnte daran liegen, dass sie etwas andere Medikamente (stärkerer Einsatz von Vasodilatatoren) erhielten. Es könnte bei ihnen auch eine etwas andere Pathophysiologie der Hypertonie vorliegen.“ Auch eine fehlende Erfahrung der Untersucher wird ins Feld geführt. Gleichzeitig stellt die Fachgesellschaft aber fest: „Simplicity HTN-3 zeigte eindeutig, dass die Prozedur sicher war. Die Gesamtkomplikations-Rate lag in der Denervationsgruppe bei 1,4%, es handelte sich vorwiegend um leichtere Gefäßkomplikationen.“
Kritiker fühlten sich bestätigt
Weniger rücksichtsvoll gingen ausgewiesene Hochdruckexperten wie der Münchener Professor Heinrich Holzgreve mit dem Verfahren um. Im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte er so etwas wie einen Abgesang der renalen Denervation. Er mutmaßte auch gleich das große Geschäft als einen Hauptgrund für den anfänglichen Erfolg: „Jeder Arzt, der 15 bis 20 potenzielle Patienten in Aussicht stellte und Zugang zu einem Katheterplatz hat, konnte das „Starterpaket“ mit Generator und 15 Einmalkathetern für 55 000 Euro von der Firma Medtronic erhalten. Im Februar 2012 gab es allein in Deutschland 160 Zentren. Die Denervierungskatheter erwiesen sich als lukratives Geschäft, so dass auch andere Hersteller auf den Markt drängten. Den Boom bestätigt auch die Zahl der weltweiten Eingriffe, die bei 10 000 liegen soll.“ (Deutsches Ärzteblatt, Dtsch Arztebl 2014; 111(18): A-794 / B-682 / C-648 (www.aerzteblatt.de/lit1814)
Tatsächlich stehen momentan 6 CE-zertifizierte Kathetersysteme zur renalen Denervation zur Verfügung (Medtronic® Symplicity/Spyral, St Jude® EnligHTN, Vessix® The V2, Terumo® Iberis, Cordis® Renlane und Recor® Paradies). Das Verfahren ist aber keineswegs an seinem Ende angelangt. Der Fortschritt geht weiter und weitere Studien mit geeigneten Patienten konnten nun doch einen Erfolg des Verfahrens belegen.
Neue Studien sind erfolgreich
Die in Deutschland wohl längste Erfahrung mit der renalen Denervation besitzt Prof. Felix Mahfoud aus Homburg/Saar. Er sieht die Hochfrequenzablation und damit die renale Denervation generell wieder im Aufwind. Es seien inzwischen drei Studien mit positivem Ergebnis für das Verfahren publiziert worden, zuletzt die französische DENERHTN-Studie im Lancet (online 26.1.2015) mit 106 Patienten. SYMPLICITY-HTN3 ist die bisher einzige, die kein Ergebnis geliefert hat. „Sie kommt aus dem US-amerikanischen Gesundheitssystem“, erläutert er und wiederholt die in der Literatur geäußerte Kritik an einer nicht-adäquaten Prozedur und wenig erfahrenen Behandlern.
Ultraschall als Therapie – ein neues nicht-invasives Verfahren
Ein neues komplett nicht-invasives Verfahren, bei dem therapeutischer Ultraschall genutzt werden soll, befindet sich derzeit in der Erprobung. Im Oktober hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine klinischen Phase-II-Prüfung genehmigt. Bei der nun anvisierten Denervation mit fokussiertem Ultraschall sieht er aber noch Klärungsbedarf.
Neu ist die Nicht-Invasivität dieser Behandlung, die dadurch hypothetisch auch von ärztlichen Berufsgruppen wie etwa Nephrologen oder Internisten durchgeführt werden kann. Studienleiter von WAVE IV ist Professor Dr. Roland E. Schmieder von der Universitätsklinik Erlangen. Er arbeitet zusammen mit den Unikliniken in Hamburg-Eppendorf und Bonn, sowie dem Clemenshospital in Münster, dem CardioVasculären Centrum und Sankt Katharinen-Hospital in Frankfurt am Main an einem wissenschaftlichen Beleg für Sicherheit und Wirksamkeit des für die Herz-Kreislauf-Medizin neuartigen Verfahrens, das bisher nur in der Orthopädie etwa bei Achillessehnenruptur angewendet worden ist. Das Design der scheinkontrollierten klinischen Studie WAVE IV war erstmals beim TCT in Washington 2014 und im Dezember von ihm bei der Hochdruckligatagung vorgestellt worden.
Bei dem noch nicht zugelassenen „Surround Sound“®-Therapiesystem des US-amerikanischen Herstellers Kona Medical wird äußerlich gezielt Ultraschallenergie abgegeben. In einem einzigen Kopf befindet sich sowohl der diagnostische als auch der therapeutische Ultraschall. Fokussiert werden die Nervenstränge der Nierenarterie, die dann idealerweise mittels Hitze verödet werden. Die durch Gehirn-Impulse gesteigerte Hormonproduktion, die zur Blutdruckerhöhung beiträgt, wird dadurch reduziert.
Pro und Contras des neuen Verfahrens
Privatdozent Dr. Felix Mahfoud ist vom externen Ultraschall aber noch nicht überzeugt. „Die Kollegen versuchen, mit fokussiertem Ultraschall Energie abzugeben. WAVE I und II waren noch mit einem intravaskulären Empfänger gemacht worden, der zur Justierung verwendet wurde. Der intravaskuläre Anteil ist nun aber nicht mehr notwendig. Das System ist komplett auf nicht-invasive Behandlung ausgerichtet.“ Es wird aus seiner Sicht abzuwarten sein, ob die deutsche Machbarkeitsstudie WAVE IV nun nachweist, dass das Verfahren sicher ist und zusätzlich noch eine Blutdrucksenkung bewirkt, die sich an 24-Stunden-Blutdruckwerten ablesen lässt.
Unklar ist für ihn vor allem die Art der klinischen Anwendung und die Frage: Wie gut ist der Ultraschall und die damit erzeugte Energie fokussiert? Das praktische Problem: „Die Niere ist ein sich bewegendes Organ. Sie bewegt sich im Retroperitoneum bei jedem Atemzug.“ Ein hustender Patient etwa verursacht unkontrollierte Bewegungen – wie soll das mit therapeutischem Ultraschall funktionieren? fragt sich Mahfoud. Und weiter: Wie können Kollateral-Schäden verhindert werden? Berichtet sind aus den Pilotstudien Rückenschmerzen - vermutlich infolge muskulärer Schäden – die aber nach wenigen Tagen wieder verschwunden sind. Bestehen bleibt außerdem eine gemeinsame Schwierigkeit für beide Verfahren: Die Nervenfasern an der Nierenarterie sind bei keinem der Verfahren als Bild zu sehen, weder beim Röntgen noch beim Ultraschall. „Angesteuert wird das sichtbare Gefäß und dort wird dann Energie abgegeben, wo Nerven am Gefäß vermutet werden.“ Ferner ist eine unmittelbare Messung des Resultats der Prozedur – etwa der Nervenleitgeschwindigkeit – derzeit nicht möglich.
Mahfoud resümiert: Vorteil des nun geprüften therapeutischen Ultraschalls bleibe das komplett nicht-invasive Verfahren, das vielleicht eines Tages auch seine Berechtigung neben den Katheterverfahren haben wird. Es seien durchaus spezielle Indikationen ausschließlich für den therapeutischen Ultraschall in der renalen Denervation denkbar. Dazu gehören: Hochdruckpatienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, denen man ungerne Kontrastmittel gibt, oder Patienten, bei denen sich die Nierenarterien nicht kanülieren lassen. Oder: Patienten mit anatomischen Verhältnissen, die eine Ultraschallbehandlung nahelegen. Schließlich kommen auch Patienten in Frage, die keine invasive Prozedur akzeptieren.
Der fehlenden Erfahrung der Behandler – wie in HTN-3 – wird in WAVE IV dadurch vorgebeugt, dass ein erfahrener Interventionalist bei jeder Behandlung anwesend ist. Auch werden die wenigen derzeit verfügbaren Geräte für die Studienzwecke auf Transporter geladen und zwischen den Zentren ausgeliehen, heißt es in einer Mitteilung des Herstellers. Eine Behandlung ist derzeit deshalb nur unter Studienbedingungen möglich.
Quellen:
Pressemitteilung Kona Medical (dt.) vom 27.2.2015
http://www.gesundheit-adhoc.de/renale-denervation-mittels-ultraschall-statt-katheter-methode-ultraschall-methode-wird-in.html
DENER-HTN-Studie
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)61942-5/abstract
SYMPLICITY-HTN-3-Studie
http://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01418261
Deutsches Ärzteblatt
www.aerzteblatt.de/lit1814
09.04.2015