Quelle: Bernhard Ludewig / TUM
News • Strahlenbelastung reduzieren
Neue Technik für Neutronen-Bildgebung
Ein internationales Forschungsteam hat an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) eine neue Technik für bildgebende Verfahren entwickelt. Es wird in Zukunft nicht nur um ein Vielfaches besser aufgelöste Messungen mit Neutronen ermöglichen, sondern könnte auch die Strahlenbelastung bei Röntgenaufnahmen verringern.
Auch moderne Kameras setzen immer noch auf das gleiche Prinzip wie vor 200 Jahren: Statt eines Films wird heute ein Bildsensor für eine bestimmte Zeit belichtet, um ein Bild aufzunehmen. Allerdings wird dabei auch das Rauschen des Sensors mit aufgezeichnet. Bei längeren Belichtungszeiten stellt das eine erhebliche Störungsquelle dar.
Internationale Kooperation
Gemeinsam mit Kollegen aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und den USA haben Dr. Adrian Losko sowie weitere Kollegen der TUM am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) nun ein neues bildgebendes Verfahren entwickelt, das einzelne Photonen zeit- und ortsaufgelöst misst. Photonen können damit vom Rauschen getrennt werden, und das störende Rauschen lässt sich so stark reduzieren. „Mit unserem neuen Detektor weisen wir jedes einzelne Lichtteilchen nach und umgehen dadurch viele physikalische Grenzen klassischer Kameras“, sagt Losko, Instrumentwissenschaftler an der Neutronenradiographieanlage NECTAR des MLZ an der TU München.
Typischerweise setzen die Forscher in der Neutronen-Radiographie bei ihren Messungen Szintillatoren ein, um Neutronen zu detektieren und so zum Beispiel versteinerte Dinosaurereier zu durchleuchten. Wird ein Neutron vom Szintillator-Material absorbiert, werden Photonen erzeugt, Lichtteilchen, die gemessen werden können.
Bei allen bisherigen Kameras wird das Licht während der gesamten Belichtungszeit gesammelt, dadurch entsteht, abhängig von der Dicke des Szintillators, eine Unschärfe. Das neue Konzept des Forschungsteams hingegen weist jedes einzelne der Lichtteilchen nach, das durch ein Neutron erzeugt wurde.
„Voraussetzung dafür war eine neue Chiptechnologie sowie Hard- und Software mit Rechengeschwindigkeiten, die eine Auswertung in Echtzeit ermöglichen. So können wir jetzt Neutron für Neutron ein Bild zusammensetzen“, erklärt Losko. Die Neutronenforschung bietet hier ein ideales Test- und Anwendungsgebiet.
Da die Absorption eines Neutrons im Detektor mehrere Lichtteilchen erzeugt, kann das neue System durch eine Koinzidenzmessung mehrerer Lichtteilchen einzelne Neutronen nachweisen. „Damit kommen wir weg vom klassischen Modell der Belichtungszeit und messen nur die Ereignisse, die stattgefunden haben.“
Insgesamt stellt das neue Konzept alle bisher auf dem Markt existierenden Technologien in den Schatten, denn es ermöglicht jetzt schon eine dreimal bessere örtliche Auflösung und ein mehr als siebenmal geringeres Rauschen. „Die Limitierung durch die Dicke des Szintillators ist stark reduziert. Dies ermöglicht eine höhere Effizienz für hochauflösende Messungen“, so Losko. Auch das Nachleuchten von Szintillatoren, das ein sogenanntes Ghost-Image erzeugt, fällt weg.
„Viele Instrumente an der Forschungs-Neutronenquelle könnten von unserem neuen Konzept profitieren“, so Losko. Als Beispiel nennt er das Instrument FaNGaS (Fast Neutron-induced Gamma-ray Spectrometry): „Dadurch, dass wir genau wissen, wann ein Neutron ankommt, kann der Zeitbereich, in dem wir das Gamma-Teilchen messen, auf eine millionstel Sekunde verringert werden.“ Das würde das Untergrund-Rauschen um den Faktor einer Million reduzieren.
Auch in der Medizin könnte der neue Detektor zum Einsatz kommen. Bei der Röntgen-Aufnahme eines Knochenbruchs würden feine Strukturen, wie Knochen-Haarrisse, besser erkennbar und gleichzeitig die Strahlenbelastung für den Patienten minimiert.
„Unser Verfahren wird in der wissenschaftlichen Welt definitiv die Detektoren verändern“, so Losko. Und möglicherweise werden ähnliche Prinzipien irgendwann auch in normalen Kameras für den Privatgebrauch Einzug halten. Aufnahmen bei Dunkelheit würden sich dadurch stark verbessern. Außerdem könnten Fotografen die Belichtungszeit und die Auflösung auch nach der Aufnahme noch anpassen. Das Rauschen von Kameras ließe sich praktisch eliminieren.
Quelle: Technische Universität München
22.11.2021