Ohne Röntgenstrahlen

Mukoviszidose: Frühdiagnose nicht-invasiv möglich

Die Messung der Lungenbelüftung (Lung Clearance Index / LCI) zeigt frühe Lungenveränderungen bei Kindern mit Mukoviszidose nahezu ebenso genau und zuverlässig an wie die MRT. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie am Mukoviszidose-Zentrum des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg gekommen.

Mukoviszidose-Patientin bei der Messung der Lungenbelüftung.
Mukoviszidose-Patientin bei der Messung der Lungenbelüftung.
Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

Bei der MRT entdeckte Auffälligkeiten an Lungengewebe oder -durchblutung spiegelten sich bei der Mehrheit der 97 untersuchten Kinder und Jugendlichen darin wieder, dass sie das eigene Lungenvolumen häufiger als normal atmen müssen, um es komplett von einem Markergas zu befreien (erhöhte Anzahl an Lungenumsätzen). Dies ist die erste Studie, in der diese beiden Verfahren bei Patienten vom Säuglings- bis zum jungen Erwachsenenalter systematisch verglichen wurden. Die Heidelberger Wissenschaftler zeigten damit erstmals, dass sich der LCI ebenso wie die MRT-Bildgebung über alle Altersklassen sehr gut dazu eignet, kleinste Veränderungen in der Lunge – ob zu Beginn der Erkrankung oder im weiteren Verlauf – nicht-invasiv und strahlenfrei zu diagnostizieren.

Die veröffentlichte Arbeit ist am Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg (TLRC) unter enger Kooperation des Mukoviszidose-Zentrums am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, der Klinik Diagnostische und Interventionelle Radiologie und der Abteilung Translationale Pneumologie am Universitätsklinikum Heidelberg entstanden und wurde vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), der Dietmar Hopp Stiftung und dem Mukoviszidose e.V. gefördert.

„Bislang konnte der Schweregrad früher Lungenveränderungen oder auch das Ansprechen auf Therapien nur mit Hilfe der Computertomographie, die mit Strahlenbelastung verbunden ist, oder der Lungenspiegelung unter Vollnarkose nachgewiesen werden“, sagt Professor Dr. Marcus Mall, Ärztlicher Direktor der Abteilung Translationale Pneumologie am Zentrum für Translationale Lungenforschung (TLRC) und Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und des Mukoviszidose-Zentrums am Universitätsklinikum Heidelberg. „Die Ergebnisse unserer Arbeit sind daher nicht nur ein Durchbruch in der Diagnostik und Verlaufskontrolle insgesamt. Sie ermöglichen es uns zudem, neue präventive therapeutische Strategien, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben, mit diesen beiden Verfahren zu überprüfen – mit geringer Belastung für die Kinder.“

Regelmäßige Untersuchungen sind Basis für frühzeitigen Therapiebeginn

Bei der angeborenen und unheilbaren Multiorganerkrankung Mukoviszidose verstopft zäher Schleim die Atemwege, begünstigt eine chronische Infektion und Entzündung. Beides zerstört mit der Zeit die Lunge. Je früher die Behandlung einsetzt und je schneller schon auf leichte Verschlechterungen adäquat reagiert wird, desto länger lassen sich Lungenschäden und Komplikationen hinauszögern. Das Neugeborenen-Screening für Mukoviszidose, dessen deutschlandweiter Einsatz seit 2016 von den Heidelberger Ärzten und Wissenschaftlern mit vorbereitet wurde, identifiziert zwar zuverlässig betroffene Kinder. Es gibt aber keine Auskunft darüber, wann die Erkrankung in der Lunge einsetzt.

2014 verwiesen die Heidelberger Wissenschaftler erstmals auf den Einsatz der strahlenfreien MRT im Kindesalter: Eine Studie mit 50 Patienten im Alter von wenigen Monaten bis zu sechs Jahren ergab, dass die MRT in Diagnostik und Beobachtung des Therapieverlaufs ebenso aussagekräftig ist wie die bis dato übliche Computertomographie (CT) und Lungenspiegelung. Die aktuelle Studie bestätigt diese Ergebnisse für Patienten bis zu einem Alter von 21 Jahren. „Wir wissen nun, dass die MRT auch bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen, bei denen die Lungenerkrankung schon weiter fortgeschritten ist, ebenso aussagekräftig ist und selbst geringe Verbesserungen oder Verschlechterungen abbildet“, erklärt Erstautorin Dr. Mirjam Stahl, Fachärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin und leitende Wissenschaftlerin im Krankheitsbereich Mukoviszidose am Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg (TLRC).

Beide Verfahren vergleichbar sensibel

Die Vorgängerstudie lieferte zudem die Voraussetzung für den aktuellen Vergleich MRT- mit LCI-Messung. „Der LCI ist ein Maß dafür, wie gleichmäßig die Lunge belüftet ist. Eine Beeinträchtigung der Atemwege durch z.B. Schleim führt zu einer ungleichmäßigen Belüftung. Dies äußert sich in der Messung dadurch, dass man das eigene Lungenvolumen häufiger als normal atmen muss, um es komplett von einem Markergas zu befreien“, erklärt Stahl. Normal wären 6 bis 7,5 Umsätze, bei kleinen Kindern mit leichten Lungenschäden sind im Mittel bereits 8, bei älteren Kindern mit Mukoviszidose bereits 12 Lungenumsätze erforderlich. „Beide Verfahren liefern vergleichbare Ergebnisse.“ Sowohl MRT als auch LCI bieten die Möglichkeit, den Verlauf der Lungenerkrankung kontinuierlich zu verfolgen, den optimalen Therapiebeginn zu ermitteln und die Therapie individuell zu steuern. Da die Kinder und Jugendlichen bei beiden Verfahren keiner Strahlenbelastung ausgesetzt werden und auch keine Narkose benötigen, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen kein Problem. Diese werden am Heidelberger Mukoviszidose-Zentrum fortan bei allen Patienten regelmäßig durchgeführt, um die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchungen direkt in die Praxis umzusetzen und damit die Diagnostik und Therapie von Patienten mit Mukoviszidose weiter zu verbessern.

Das Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg (TLRC) ist ein Standort im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) und verfolgt das Ziel, die Entstehung von Lungenerkrankungen aufzuklären und die Diagnostik und Therapie zu verbessern.


Literatur:
Stahl M, Wielputz MO, Graeber SY, Joachim C, Sommerburg O, Kauczor HU, Puderbach M, Eichinger M, Mall MA. Comparison of Lung Clearance Index and Magnetic Resonance Imaging for Assessment of Lung Disease in Children With Cystic Fibrosis. Am J Respir Crit Care Med. 2016 Aug 30. [Epub ahead of print] DOI:10.1164/rccm.201604-0893OC


Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

02.12.2016

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