Artikel • Oligometastasierung
Mittendrin, statt nur dabei
Das Konzept der Oligometastasierung hat zu einem radikalen Umdenken in der Behandlung fortgeschrittener Krebserkrankungen geführt. Dank der Erkenntnisse aus der Radioonkologie weiß man heute, dass eine lokale Therapie bei Patienten mit limitierten Metastasen die Überlebenszeit signifikant verlängern kann.
Der Begriff „Oligometastasierung“, der 1995 von Samuel Hellmann und Ralph Weichselbaum eingeführt wurde, bezeichnet ein intermediäres Stadium zwischen lokalisierter und systemischer Krebserkrankung. Oligometastatische Patienten zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen nur vereinzelte (griech. oligo = wenig) Metastasen in Nachbarschaft zum Wirtsorgan vorliegen. Üblicherweise spricht man von einer Oligometastasierung bei drei bis vier Läsionen, eine festgelegte Definition innerhalb der Literatur gibt es aber nicht.
Am häufigsten manifestieren sich solche limitierten Tumorabsiedlungen in Leber und Lunge. Die Anzahl der Patienten, die sich in diesem frühen Progressionsstadium eines soliden Malignoms befinden, steigt dank frühzeitiger Diagnostik immer weiter an. Umso dringlicher ist der Bedarf nach adäquaten Behandlungsstrategien. Wie sich gezeigt hat, profitieren die Betroffenen prognostisch davon, neben der systemischen auch eine lokale Tumortherapie zu erhalten.
Standardmäßig kamen dabei bisher die Mittel der Radiochirurgie und Radioonkologie zum Einsatz. Die Interventionelle Radiologie spielte bis vor kurzem nur eine untergeordnete Rolle, so Thomas Kröncke: „Die Intervention war so etwas wie der letzte Versuch, wenn nichts anderes mehr ging. Denn lange Zeit war nicht klar, ob es wirklich etwas bringt, eine Lebermetastase noch zusätzlich zu veröden. Dementsprechend wurden wir von den Kollegen aus den anderen Fachbereichen in der Vergangenheit eher belächelt.“
Das änderte sich 2016 durch die Publikation der CLOCC-Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC), die ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben durch die Radiofrequenzablation (RFA) bei Patienten mit Lebermetastasen nachweisen konnte. Die European Society for Medical Oncology (ESMO) reagierte prompt und modifizierte ihre Leitlinie zur Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms (mCRC) entsprechend. „Seitdem sind wir nicht länger nur eine Fußnote in den Behandlungsempfehlungen, sondern nehmen mit den interventionell-radiologischen lokalen Therapien einen festen Platz im Werkzeugkasten für das hepatisch metastasierte Kolonkarzinom ein.“
Doch mit der Gleichberechtigung komme auch die Verantwortung, betont Kröncke: „Die Deutsche Röntgengesellschaft hat erkannt, dass wir uns in den zuständigen Fachausschüssen viel mehr einbringen müssen, wenn wir an Einfluss gewinnen möchten. Die Lobbyarbeit beginnt aber nicht erst in den Gremien, sondern vor Ort, in der Klinik. Deshalb muss jeder Radiologe – egal ob Diagnostiker oder Interventionalist – mit dem Konzept der Oligometastasierung vertraut sein und wissen, in welchem Kontext eine lokale Ablation oder lokoregionäre Therapie Sinn macht.“
Eine radiologisch-interventionelle Behandlung bringt vor allem dann etwas, wenn der Patient gut auf die Chemotherapie anspricht, aber gleichzeitig nicht-resektable Lebermetastasen hat. Die Wahl des Werkzeugs hängt dabei weniger von der individuellen Patientensituation ab als vielmehr von dem Leistungsspektrum, das vor Ort angeboten wird. Grundsätzlich empfiehlt die ESMO-Leitlinie die Anwendung von Ablationsverfahren wie RFA oder Mikrowellenablation für den Einsatz mit kurativer Intention und die lokoregionären Behandlungsformen wie die Radioembolisation oder Chemoembolisation zur lokalen Tumorkontrolle. sVon standardisierten Behandlungsprotokollen für die Oligometastasierung ist man jedoch noch weit entfernt. Prof. Kröncke sieht darin eine große Chance für die Interventionelle Radiologie, sich noch stärker in die fachliche Diskussion einzubringen und „Standards zu setzen, statt sie von anderen setzen zu lassen“. Seiner Meinung nach ist für die Praktikabilität einer Intervention nicht die numerische Anzahl oder die Größe eines Tumorherds entscheidend, sondern die Lokalisation. Dafür muss man sich das Denken der Chirurgen aneignen: „Der Chirurg fragt nicht: Wieviel Tumormasse ist in der Leber vorhanden? Er fragt: Kann ich alle befallenen Stellen vollständig entfernen? Und wieviel gesundes Gewebe bleibt dann noch erhalten, ohne ein komplettes Versagen der Leber zu verursachen? Am Ende misst sich der Erfolg immer daran, was wir beim Patienten erreicht haben.“
Profil:
Prof. Dr. Thomas Kröncke ist seit fünf Jahren Chefarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Klinikum Augsburg. Seine berufliche Laufbahn ist eng mit der Charité verknüpft, wo er 1998 als Arzt im Praktikum begann und zuletzt als stellvertretender Klinikdirektor am Zentrum für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin tätig war. 2016 wurde ihm die Würde eines außerplanmäßigen Professors an der Medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Berlin verliehen. Außerdem hat Kröncke einen Masterabschluss im Bereich Health Care Management.
Veranstaltungshinweis:
Samstag, 29. September 2018, 09:00–10:00
Raum: Röntgen-Saal
Session: Symposium 11 – Refresher Course
Interventionen – lokoregionäre Lebertherapie (Modul D)
Vorsitz: Jens Ricke (München), Thomas Kröncke (Augsburg)
28.09.2018