Neuroradiologie

Mehr Freiheit, mehr Verantwortung

Sie ist Neuroradiologin, Professorin, Forscherin und seit Neuestem auch Ärztliche Direktorin am Universitätsklinikum Dresden. Ihre Ziele für den Posten bewegen sich in den Bereichen Krankenversorgung, Forschung und Lehre auf hohem Niveau – Jennifer Linn möchte die Qualität der Patientenversorgung steigern, Durchbrüche in der Forschung erzielen, die Studenten für ihr Fach begeistern und nicht zuletzt die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter fördern. Und sie geht weiterhin mit gutem Beispiel voran: Linn ist neben Prof. Ulrike Ernemann zurzeit die einzige Frau in Deutschland, die in der Neuroradiologie den Posten der Chefärztin besetzt.

Report: Chrissanthi Nikolakudi

Professor Dr. Jennifer Linn
Professor Dr. Jennifer Linn
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Professor Dr. Jennifer Linn.

Fünf Jahre war Jennifer Linn Oberärztin der Neuroradiologie am Klinikum der Maximilian Universität München, bis sie zum 1. Oktober dieses Jahres als Ärztliche Direktorin und Professorin nach Dresden berufen wurde. Als Direktorin der Neuroradiologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus genießt sie nun die großen Möglichkeiten, das neuroradiologische Institut weiter- und mitzugestalten. „Als Oberärztin haben Sie nur einen begrenzten Bereich zu verantworten und müssen nicht an das gesamte Institut denken“, erklärt Linn. Aber mehr Freiheiten bedeuten auch mehr Verantwortung und Kompromissbereitschaft – insbesondere was die Personal- und Budgetverantwortung für ihr Fach angeht: „Personelle und technische Ressourcen sind begrenzt, vor allem aber die personellen. Meine Herausforderung besteht darin, trotzdem und weiterhin hohe Qualität zu liefern – das ist der Spagat.“ Die Professorin ruht sich auf den bereits erbrachten Leistungen nicht aus. Die Abteilung Neuroradiologie in Dresden ist nach ISO zertifiziert, die Patientenversorgung gilt als sehr gut und die Zuweiser-Zufriedenheit ist auch gegeben. „Auch wenn Verbesserungen ab einem gewissen Niveau immer schwieriger werden, habe ich mir dennoch als übergeordnetes Ziel gesteckt, das Institut in Bezug auf Qualitätssicherung, Befundung und Geschwindigkeit kontinuierlich voranzubringen“, sagt Linn.  

Jennifer Linn weiß, wie wichtig ihr Personal ist. Die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter zu steigern, ihre qualitativen Aus- und Weiterbildungen zu sichern und ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, sind für sie keine Floskeln. „Ich möchte, dass meine Mitarbeiter wissen, dass ich hinter ihnen stehe.“ Warum ihr das so wichtig ist? „Sie können sich Ziele stecken, die in den Himmel reichen. Wenn Ihre Mitarbeiter nicht zufrieden sind und Sie es nicht schaffen, sie mitzureißen, werden Sie keines davon erreichen“, so die Philosophie der Professorin.

Kommt womöglich bei diesen vielen neuen Aufgaben die Forschung zu kurz? Nein. Da ist Prof. Linn strikt. In Gegenteil. Ihre eigenen und auch die Forschungsaktivitäten des gesamten Instituts zu erweitern, ist ihre vornehmliche Absicht. „Das wissenschaftliche Profil der Neuroradiologie kann durchaus ausgebaut werden. In der Vergangenheit war die Neuroradiologie in Dresden an vielen großen Multicenterstudien beteiligt, aber die Anzahl an Studien, die vom Institut selbst ausgehen und durchgeführt werden, möchte ich erhöhen“, so Linn. Die Neuroradiologin führt den Forschungsschwerpunkt des Instituts weiter und ergänzt ihn. War Ihr Vorgänger, Prof. Rüdiger von Kummer, auf schwere, ischämische Schlaganfälle konzentriert, so ist Linn Spezialistin für die Schlaganfallsursache zerebrale Mikroangiopathien, also die Erkrankung der kleinen hirnversorgenden Gefäße. „Die Bedeutung dieser Erkrankungen als Schlaganfallsursache ist noch nicht so fest in den Köpfen der Ärzte verankert, weil sie keine großen Schlaganfälle verursachen. Das möchte ich in unserem Hause ändern“, erklärt Linn.

Immerhin leidet nahezu jeder Mensch ab einem bestimmten Alter an einer Form der Mikroangiopathie. Die kleinen Gefäße werden durch Risikofaktoren wie Alter, Arterielle Hypertonie und Diabetes Mellitus geschädigt. „Lange Zeit hat man das als „normalen Alterungsprozess“ angesehen. Durch die Forschung in den letzten Jahren wissen wir, dass Mikroangiopathien auch Schlaganfallsymptome auslösen und vor allem kognitive Beeinträchtigungen verursachen.“ Jennifer Linn nennt das Stichwort Vaskuläre Demenz. An dieser Stelle ihrer Forschung möchte sie die Verbindung zwischen Gefäßerkrankungen und Demenz stärker herausarbeiten. Zwar ist klar, dass diese Erkrankungen eng miteinander verbunden sind, aber es besteht noch großer Forschungsbedarf auf dem Gebiet.

Prof. Linn schätzt, dass in ihren Hörsälen 60 bis 70 Prozent Studentinnen sitzen, die auch mit einem ähnlich hohen Prozentsatz das Medizinstudium abschließen. Schaut man auf der Ebene der Oberärzte, bleiben vielleicht noch 20 Prozent Frauen übrig. Die Neuroradiologin betont aber, dass das kein spezifisches Problem bei Medizinerinnen ist. Sie ist Mutter eines einjährigen Kindes und weiß, dass die äußeren Gegebenheiten oft zu schwierig sind, um zum Beispiel die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit gesichert zu wissen. „Viele Frauen geben bei solchen Schwierigkeiten zu schnell auf. Ich allerdings glaube daran, dass sich beides – Kind und Karriere – vereinbaren lässt.“


PROFIL
Prof. Dr. Jennifer Linn ist zum 1. Oktober 2014 als Ärztliche Direktorin der Abteilung Neuroradiologie zum Universitätsklinikum Carl Gustav Carus nach Dresden berufen worden. Sie war seit Ende 2009 Leiterin der Sektion MR-Forschung der Abteilung für Neuroradiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach dem Studium der Humanmedizin promovierte sie am Institut für Neurowissenschaften der Technischen Universität München. Ihre Habilitation erfolgte an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema „Differenzierung des hämorrhagischen Schlaganfalls mit modernen Schnittbildmethoden“. Linn erhielt im Jahr 2011 die Einladung zu einer Gastprofessur am Department of Neuroradiology der Johns Hopkins University in Baltimore und wurde 2011 mit dem Kurt-Decker-Preis der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie ausgezeichnet.

08.05.2015

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