Live und in Farbe: Wenn die CT funktionell wird
Bisher lagen die Stärken der Computertomographie in der Morphologie mit hoher Ortsauflösung, schneller Akquisitionsgeschwindigkeit und gutem Kontrast. Alles Eigenschaften, die der Modalität den Ruf eines „Workhorse“ in der Radiologie einbrachten. In den letzten Jahren dringt die CT aber auch immer mehr in die Domäne der funktionellen Bildgebung ein, die bisher der Magnetresonanztomographie und nuklearmedizinischen Verfahren vorbehalten war.
PD Dr. Thorsten Johnson, Oberarzt und Leiter des Funktionsbereichs Computertomographie am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München, stellt die beiden wesentlichen Methoden der funktionellen CT-Bildgebung vor.
Im Jahr 2005 tauchten fast zeitgleich zwei Techniken auf, mit denen man zusätzliche Informationen über Stoffwechselaktivität und Gewebebeschaffenheit gewinnen kann: die spektrale Bildgebung und die dynamische Bildgebung.
Das Verfahren der spektralen Bildgebung lässt sich entweder durch die Auslesung verschiedener Energieanteile realisieren oder – bisher üblicher – durch die Einstrahlung verschiedener Röntgenenergien, z.B. an Dual-Source-Geräten. „Die eine Röntgenröhre wird mit 80 kV und die andere mit 140 kV betrieben“, erklärt Dr. Johnson. „Das ist so, als ob man das gleiche Bild einmal in rotem und einmal in grünem Licht betrachtet. Zusammen ergibt das zwar kein vollständiges Farbsehen, aber man kann bestimmte Substanzen selektiv darstellen und auf diese Weise Strukturunterschiede präzise erkennen.“
Die spektrale Bildgebung kann zwar ohne Kontrastmittel durchgeführt werden, etwa bei der Nierensteindifferenzierung oder um Metallartefakte im Bild zu korrigieren, meist wird sie jedoch genutzt, um das jodhaltige Kontrastmittel in den Gefäßen separat sichtbar zu machen. Bei Tumoren (z.B. Nierenkarzinom, Leberkarzinom) kann auf diese Weise detektiert werden, ob Anteile wirklich aktiv sind, also Kontrastmittel enthalten, oder sich aus anderen Gründen (Einblutung etc.) auffällig darstellen, aber kein Kontrastmittel enthalten. Mit der selektiven Darstellung des Kontrastmittels kann die spektrale Bildgebung auch in der Onkologie helfen, spezifische und quantitative Aussagen über das Therapieansprechen zu treffen.
Besonders gut geeignet ist das Verfahren darüber hinaus bei der Lungenperfusion, ergänzt Johnson: „Bei einer Lungenembolie war es bisher nur möglich, einen Embolus in der Lungenarterie zu erkennen, nicht aber die Schwere der Embolie im Hinblick auf die Lungendurchblutung festzustellen. Diese Information ist aber entscheidend für die kurzfristige und langfristige Prognose des Patienten.“
Die Zukunft der Spektraltechnik sei eng mit der Entwicklung neuer hochenergieauflösender Detektoren verknüpft, fährt der Radiologe fort: „Bisher haben wir CTs nur in schwarzweiß durchgeführt, jetzt können wir zwischen zwei Farben unterscheiden und schon bald werden wir wahrscheinlich CT-Bilder in Multicolor sehen können. Was genau dieser Sprung vom Schwarzweiß- zum Farbsehen für Vorteile mit sich bringt, wird sich dann erst im Detail zeigen.“
Mit der Einführung der dynamischen Bildgebung oder Perfusionsbildgebung lassen sich CT-Bilder nicht nur im Raum, also 3-D, sondern auch auf der Zeitachse, in 4-D, darstellen. Das Verfahren hat sich rasend schnell in der Schlaganfalldiagnostik etabliert, um Minderdurchblutungen im Gehirn nachzuweisen. In solchen Akutsituationen ist die Schnelligkeit der CT ein großer Vorteil gegenüber der MRT. Zunächst wird dafür mit einer nativen CT eine Hirnblutung ausgeschlossen. In einem zweiten Schritt wird mit der CT-Angiographie überprüft, ob ein Gefäßverschluss vorliegt, damit das weitere Therapiegeschehen geplant werden kann. Aber erst die dynamische Untersuchung ist in der Lage, auch Minderdurchblutungen früh zu erkennen. Mit dieser Information kann man eine starke Blutverdünnung einleiten, um das Gerinnsel wieder auszulösen, bevor Hirngewebe irreversiblen Schaden genommen hat.
Ein weiteres Anwendungsgebiet für die Perfusionsbildgebung ist die dynamische Angiographie der Aortendissektion und der arteriellen Verschlusskrankheit. „In diesen Fällen ist es schwierig zu sagen, ob Organe perfundiert sind oder nicht, wenn man nur einmal mit dem CT darüber fährt“, beschreibt der Oberarzt. „Weil man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob das Kontrastmittel bereits an die betroffene Gefäßstelle gekommen ist oder nicht, also ob man die optimale Kontrastinformation im CT-Scan eingefangen hat. Mit der Dynamik dagegen lässt sich zuverlässig und detailliert darstellen, wie und wo das Kontrastmittel hinfließt.“
In München setzt man die Perfusionsbildgebung in der CT außerdem im Rahmen klinischer Studien für die Darstellung der Tumorperfusion ein. Weil die dynamische Bildgebung im Gegensatz zur Spektraltechnik mit zusätzlicher Dosis verbunden ist, ist man beim Einsatz des Verfahrens allerdings zurückhaltend. „In der Notfalldiagnostik haben wir keine Bedenken, denn hier macht der diagnostische Mehrwert die Technik unbedingt sinnvoll“, konstatiert Dr. Johnson. „In der onkologischen Bildgebung ist der Stellenwert jedoch noch nicht gesichert. Wir glauben an die Berechtigung der Perfusions-CT im Zusammenhang mit neuartigen Krebstherapien und arbeiten daran, diese Annahme mit wissenschaftlichen Daten zu untermauern.“
Im Profil
Seit 2009 leitet Oberarzt PD Dr. Thorsten Johnson den Funktionsbereich Computertomographie am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München. Er ist außerdem Strahlenschutzbeauftragter am Klinikum. Der Deutsch-Brite aus Lohr begann seine klinisch-wissenschaftliche Laufbahn auf dem Gebiet der kardialen MRT an der Uni Würzburg. Er absolvierte ein praktisches Jahr mit radiologischem Schwerpunkt an der Harvard Medical School in Boston und an der Universität Zürich. Im Jahr 2003 kam er erstmals ans Institut für Klinische Radiologie des Uniklinikums München. 2005 legte Johnson ein Forschungssemester bei der Siemens AG in Forchheim ein und arbeitete an der Entwicklung der Dual-Energy-CT mit. Der 35-Jährige erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Behnken-Berger-Preis (2008) und den Walter-Friedrich-Preis der DRG (2011).
13.01.2012