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Leberinterventionen: Lebenszeit schenken mit TIPS und TACE
Prof. Dr. Christian Stroszczynski, Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg, stellt zwei der wichtigsten Leber-Interventionen bei fortgeschrittenem Krankheitsstadium vor, die jeder Radiologe kennen sollte – die TIPS und die TACE.
Bericht: Karoline Laarmann
Lebererkrankungen sind in Deutschland weit verbreitet. Mittlerweile stellen sie sogar die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen Patienten dar. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Leberzirrhose, deren schwerwiegendste Folge der Leberzellkrebs ist. Sowohl bei der Leberzirrhose als auch beim Leberzellkrebs ist die Interventionelle Radiologie aus einem modernen, umfassenden Behandlungskonzept nicht mehr wegzudenken.
Dass sich Lebererkrankungen hierzulande auf dem Vormarsch befinden, liegt vor allem an einem ungesunden Lebensstil: zu viel Alkohol und eine schlechte Ernährung zählen zu den häufigsten Risikofaktoren. Die Folgen können eine alkoholisch oder nicht-alkoholisch bedingte Fettleber sein, die sich bei Fortschreiten zu einer Leberzirrhose entwickelt. Hepatitis-B- und C-Viren können ebenfalls zu einer Leberzirrhose führen. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor, der in westlichen Industrieländern jedoch eher Seltenheitswert hat, ist das Schimmelpilzgift Aflatoxin.
Prof. Stroszczynski arbeitet am Leberzentrum des Universitätsklinikums Regensburg eng mit den Kollegen aus Gastroenterologie, Hepatologie und Chirurgie zusammen, denn: „Die bestmögliche Therapieentscheidung kann immer nur in einem interdisziplinären Team getroffen werden.“ Radiologisch-Interventionelle Eingriffe sind dabei fester Bestandteil des Behandlungsspektrums.
Ein Verfahren zur Behandlung der portalen Hypertension, das die chirurgische Variante nahezu abgelöst hat, wurde sogar in Süddeutschland erfunden: der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt, kurz TIPS. Das Verfahren wurde am Universitätsklinikum Freiburg erstmals klinisch zur Anwendung gebracht (Nöldge et al 1992). Eine TIPS-Anlage ist indiziert bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose, um lebensbedrohliche Komplikationen wie ein Aszites oder Ösophagusvarizenblutungen zu verhindern. Dazu wird mithilfe eines Shunts eine Kurzschlussverbindung zwischen dem Pfortadersystem und den Lebervenen gelegt.
„Am Anfang wurde der TIPS mit großer Begeisterung angenommen, bevor er beinahe wieder von der Bildfläche verschwunden wäre“, berichtet Prof. Stroszczynski. „Erst nachdem sehr überzeugende Arbeiten zu dem Verfahren vorgelegt wurden, die zeigten, dass es die Prognose erheblich verbessert, konnte es sich letztlich doch flächendeckend durchsetzen.“ Heute werden allein in Regensburg jedes Jahr 80 TIPS-Neuanlagen minimal-invasiv durchgeführt.
Die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) kann der TIPS allerdings nicht verhindern. In den allermeisten Fällen ist die Leberzirrhose der Nährboden, auf dem sich ein Leberkrebs entwickelt. „Im Gegensatz zu anderen Tumorerkrankungen hilft eine Chemotherapie bei dieser Krebsart nicht“, erklärt der Regensburger Radiologe. „Das heißt, bis auf neuartige Immunverfahren, die jedoch starke Nebenwirkungen haben, gibt es kaum medikamentöse Therapien, die man den Patienten anbieten kann. Die transarterielle Chemoembolisation, auch TACE genannt, ist dagegen ein sehr elegantes örtliches Verfahren, weil sie nur ganz selten die üblichen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit oder Erbrechen zur Folge hat.“
Das liegt daran, dass die Chemotherapeutika direkt in den Tumor injiziert werden, sodass auch nur die Zellen Schaden nehmen, die Schaden nehmen sollen – was wiederum bedeutet, dass lokal eine sehr hohe Dosis gegeben werden kann. Neben dem Zellgift werden außerdem kleine Partikel in die arteriellen Lebergefäße eingebracht, um diese zu verstopfen und so die Blutversorgung des Tumors zu verringern. Deshalb wird die TACE neben palliativen Bemühungen gerne zum Downstaging des HCC vor Durchführung einer chirurgischen Resektion oder einer Lebertransplantation genutzt.
Das Gute ist, dass es bei den Leberinterventionen für jeden Topf einen Deckel – sprich für jeden Tumor ein passendes Verfahren – gibt und diese sich auch ergänzen können
Christian Stroszczynski
Der große Durchbruch gelang der TACE durch die randomisierte Studie von Llovet et al. (2002), die zeigte, dass sich das 1-Jahres-Überleben nach Chemoembolisation im Vergleich zur konservativen Therapie auf 82 Prozent erhöht. Die Methode kommt vor allem bei Tumoren zum Einsatz, die zu groß oder zu zahlreich sind für eine kurative Behandlung.
„Wir können in diesen Fällen zwar nicht heilen, aber lindern“, erklärt Christian Stroszczynski. „Das Gute ist, dass es bei den Leberinterventionen für jeden Topf einen Deckel – sprich für jeden Tumor ein passendes Verfahren – gibt und diese sich auch ergänzen können. Dadurch schaffen wir es heute die mittlere Überlebenszeit beim Leberkrebs, die früher bei etwa sechs Monaten nach Diagnosestellung lag, in Kombination mit chirurgischen Maßnahmen auf zwei Jahre zu verlängern.“
Profil:
Prof. Dr. Christian Stroszczynski folgte im Oktober 2010 dem Ruf als Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik ans Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Vor seinem Wechsel nach Regensburg war er vier Jahre lang stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik der Carl-Gustav-Carus-Universität Dresden. Im Mai 2016 wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) gewählt.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Audimax – W.-C. Röntgen-Saal
Samstag, 30. September 2017, 12:00–13:00 Uhr
FFF Interventionen 2 - Leber
30.09.2017