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Kopfschmerz-Diagnostik: Neues Messgerät erkennt „Schmerzgedächtnis“
Wenn Kopfschmerzpatienten auf die Standardtherapien nicht ansprechen, kann es sein, dass sich bei ihnen im Gehirn ein sogenanntes Schmerzgedächtnis gebildet hat.

Bildquelle: Universitätsmedizin Greifswald
Das Kopfschmerzzentrum der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald setzt nun ein neues Gerät ein, das dieses Schmerzgedächtnis messen kann. Das etwa 50.000 Euro teure Gerät wurde mit Hilfe von Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. In den kommenden fünf Jahren soll damit getestet werden, ob es als Standard-Diagnostikverfahren auch in den klinischen Alltag überführt werden kann. Bisher ist die Unimedizin Greifswald der einzige Standort in Deutschland, an dem Auswertungen dieser Art durchgeführt werden.
Die Behandlung von Kopfschmerzen bringt ein großes Problem mit sich: Es gibt aktuell keine Blutentnahmen oder MRT-Aufnahmen, mit denen man messen kann, dass die Betroffenen eine Migräne haben, welche Art der Migräne es ist oder warum bestimmte Patienten auf eine Therapieform regieren und andere wiederum nicht. „Normalerweise führen wir mit den Betroffenen Gespräche, stellen anhand verschiedener Kriterien anschließend die Diagnose und richten danach den Therapieplan aus“, erklärt Dr. Robert Fleischmann das bisherige Verfahren. So gebe es aktuell neun zugelassene medikamentöse Therapiemöglichkeiten. Die Palette an Medikamenten werde jedoch immer größer. „Damit stoßen wir bei jenen Betroffenen an unsere Grenzen, die auf keine der Standard-Therapien ansprechen“, betont der Kopf- und Gesichtsschmerzexperte weiter. „Wir wollen bei unseren Kopfschmerz-Patienten aber nicht zehn Jahre lang über Versuch und Irrtum sämtliche Medikamente und Kombinationen ausprobieren – das ist keine moderne Medizin.“ Es brauche Biomarker, also spezielle Messparameter, die Auskünfte über die individuelle Erkrankung des einzelnen Patienten geben können.
Dem Trampelpfad im Kopf auf der Spur
Um diesen Betroffenen künftig besser helfen zu können, hat sich das Greifswalder Kopfschmerzzentrum nun mit Hilfe von europäischen Förderungsmitteln ein neues Gerät angeschafft. Es kann messen, ob sich im schmerzverarbeitenden System des Gehirns ein sogenanntes Schmerzgedächtnis gebildet hat. Dafür werden zwei Sensoren über den Austrittspunkt des Nervs geklebt. Diese geben einen Schmerzreiz ab. Normalerweise kneifen Personen ohne Migräne durch den Reiz unwillkürlich die Augen zu, was sich mit jeder Wiederholung schwächer wird, da sich das Gehirn daran gewöhnt und den Reiz als nicht schädlich interpretiert. Bei Betroffenen mit einem Schmerzgedächtnis ist jedoch jeder Reiz anhaltend schmerzhaft. „Das ist wie ein Trampelpfad“, so Fleischmann, „haben Patienten immer wieder Schmerzen, die auf das Gehirn einprasseln, dann entsteht auf der Wiese irgendwann ein Pfad – und jeder neue Schmerz, der da kommt, hat es dann leicht rüberzugehen.“ In einem weiteren Schritt könne dann überprüft werden, wie diese Patienten auf bestimmte Therapien ansprechen.
Das Greifswalder Team wurde auf diese Messmethode vor etwa sechs Jahren aufmerksam und führte bereits kleinere Studien dazu durch. „Mit diesem EFRE-Projekt möchten wir das Verfahren nun im großen Stil testen“, betont Fleischmann, „das heißt, wir können in den nächsten Jahren das Monitoring eines Parameters betreiben, den wir bisher noch nicht in der klinischen Routine einsetzen können“. 50.000 Euro kostete das neue Gerät, das sich gut in der Klinik anwenden ließe. Es sei patientensicher, die Ergebnisse werden direkt auf dem Bildschirm angezeigt und viele Auswertungen liefen automatisch. „Übergeordnetes Ziel des Projektes ist der translationale Gedanke“, so Fleischmann, „dass wir den Testparameter erfolgreich in seiner Tauglichkeit für den Klinikalltag testen und sich das Verfahren irgendwann als Standarddiagnostik etablieren könnte“.
„Unser Greifswalder Kopfschmerzzentrum ist der einzige Standort in Deutschland, der aktuell diese Methode anwendet und ein größeres Augenmerk auf die Biomarker-Forschung in diesem Bereich legt,“ so Prof. Karlhans Endlich, Wissenschaftlicher Vorstand der Unimedizin Greifswald. Das zeige, dass das Zentrum zu den führenden Häusern im bundesdeutschen Vergleich gehöre. Neben den Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fließen weitere Förderungsmittel in das Kopfschmerzzentrum. „Ob sogenannte Industriestudien oder Grundlagenforschung – der hiesige Standort stärkt mehrere Bausteine zugleich, um eine bessere Patientenversorgung voranzutreiben.“
Quelle: Universitätsmedizin Greifswald
02.12.2025









