Kardio-CT: ein Wunderkind mit PR-Problem
Die Computertomographie des Herzens (oder kurz: Kardio-CT) ist eine der jüngsten Innovationen in der Radiologie und zugleich schon ein Medienstar, der von den einen als Wunderkind gefeiert, von den anderen als Kostentreiber verunglimpft wird. Ein Liebling der Medien ist die Kardio-CT allemal, denn mit den großartigen dreidimensionalen Bildern, die das Herz beim Schlagen zeigen, machen sie Medizin für jedermann anschaulich.
„Jeder neue Trend löst Interesse und zugleich Diskussionen aus“, erklärt Prof. Uwe Joseph Schöpf, „besonders wenn er möglicherweise einen großen Einfluss darauf hat, wie Medizin künftig ausgeübt wird. Das wird mit Argusaugen von allen Stellen und Institutionen untersucht, die an solchen Entwicklungen interessiert sind.“ Das öffentliche Interesse für die Kardio-CT ist einzigartig und zeigt exemplarisch das Spannungsfeld beziehungsweise Dilemma auf, in dem sich die Radiologie augenblicklich befindet. „Die nichtinvasive Bildgebung revolutioniert die Medizin auf breiter Ebene. Jedoch sind die öffentliche Wirksamkeit und die ökonomische Bedeutung der Kardio-CT schwer zu übertreffen. Für die Leute ist es interessanter, dem Herzen beim Schlagen zuzusehen als dem Hirn beim Denken“, so Schöpf, „trotz revolutionärer Neuentwicklungen wird beispielsweise die funktionelle Hirnbildgebung niemals eine solch breite Anwendung erfahren wie die Kardio-CT, weil kardiovaskuläre Erkrankungen weltweit am häufigsten, am tödlichsten und am teuersten sind.
Der nichtinvasive Blick ins menschliche Herz bedeutet aber nicht nur eine einfachere und schonendere Diagnostik koronarer Herzerkrankungen, die breitere Einführung der Untersuchung hat auch nicht absehbare ökonomische Folgen für die Gesundheitssysteme. Um diese Furcht geht es – und deshalb wird die Kardio-CT als ein Negativbeispiel für Fehlentwicklungen in der Medizin dargestellt.“ Und das, obwohl die Radiologen technisch immer besser werden: Bei keiner anderen Untersuchung konnte die Strahlenexposition so dramatisch gesenkt werden wie bei der Kardio-CT.
Doch weit wichtiger als dieser technische Aspekt ist laut Schöpf die Frage, wie die Radiologen mit ihrem zu Ruhm gekommenen Wunderkind umgehen. Dieser Umgang ist stiefmütterlich, zumindest was die Kommunikation der Vorteile des Verfahrens anbelangt. Vielen Medizinern außerhalb der Radiologie ist gar nicht bekannt, wie niedrig die Strahlendosen für die Kardio-CT inzwischen sind. „Radiologen haben den Vorteil, aber auch den großen Nachteil, dass sie in ihre Technik verliebt sind. Aber das genügt heutzutage nicht mehr. Wir müssen aus dem Schatten unserer Geräte hervortreten und eine sehr viel stärkere Kommunikationskultur mit unseren Überweisern, unseren Patienten und der Politik entwickeln. Wir müssen uns besser präsentieren und den Nutzen neuer Verfahren in die Öffentlichkeit tragen“, so das Plädoyer von Schöpf. Denn das PR-Problem bleibt nicht ohne Folgen: „Wenn die Partner in der allgemeinen Medizin oder auch in der Öffentlichkeit nicht wissen, wie gut die Radiologen und wie hilfreich ihre Verfahren in der Patientenversorgung sind, dann leistet das der Argumentation jener Vorschub, die gern mal für Budgetkürzungen in der Radiologie eintreten. „Wenn keiner weiß, wie gut wir sind, ist es eine leichte Entscheidung, die Mittel für die Radiologie zusammenzustreichen. Nur wenn wir stärker auftreten und sicherstellen, dass jeder weiß, wie wichtig und zentral unsere Rolle in der Medizin ist, werden solche Bestrebungen deutlich schwerer durchzusetzen sein als momentan“, ist sich der weltweit anerkannte Radiologe sicher.
IM PROFIL
Aufgewachsen in München, studierte Prof. Dr. Uwe Joseph Schöpf in der bayrischen Landeshauptstadt Medizin und absolvierte seine Facharztausbildung am Institut für Klinische Radiolo gie am Klinikum Großhadern der Ludwig- Maximilians-Universität. 2001 verließ er Bayern in Richtung Amerika, im Gepäck sein leidenschaftliches Interesse für kardio-thorakale Bildgebung und mit im wahrsten Sinne des Wortes bereits ausgezeichneten Kenntnissen. Schöpf zog an die Ostküste der USA und arbeitete bis 2004 in Massachusetts als Radiologe am Brigham & Women’s Hospital der Harvard Medical School. Inzwischen ist er in Charleston Professor für Radiologie, Kardiologie und Kinderheilkunde und Direktor der Abteilung für Kardiovaskuläre Bildgebung der Medizinischen Universität South Carolina und längst ein viel gefragter Spezialist der CT- und MR-Diagnostik – eine Herzensangelegenheit für seine Patienten und ihn.
31.05.2013