(K)eine Lizenz zum Gelddrucken

Digitale Volumentomographie

Wenn es um die Beziehung von Radiologie und digitaler Volumentomographie (DVT) geht, dann sind die Meinungen – auch innerhalb des Fachs – zwiespältig.

Beispiel eines DVD-Geräts...
Beispiel eines DVD-Geräts...

Gehört die DVT fest in die Hände der Radiologen? Oder lohnt es sich nicht, etwaige Besitzansprüche geltend zu machen? Dem stellvertretenden Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt und Leiter des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Nürnberg-Nord, Prof. Dr. Dr. Reinhard Loose, ist es egal, wer die DVT betreibt – Hauptsache, der Strahlenschutz kommt nicht zu kurz und die Abrechnung der Leistungen geht mit rechten Dingen zu. Den weitverbreiteten Missbrauch der DVT als lukrative Einnahmequelle findet der Experte bedenklich.
Die DVT ist ein Verfahren, das mit einer um den Patienten rotierenden Kombination aus Röntgenröhre und Flachdetektor oder Bildverstärker dreidimensionale Bilddaten erzeugt. Im Gegensatz zur klassischen CT wird hier ein kegelförmiger Röntgenstrahl (Cone-Beam-Tomographie, CBCT) ausgestrahlt. Die hohe örtliche Bildauflösung ermöglicht dabei gegenüber der konventionellen CT eine optimierte Darstellung von Hochkontraststrukturen, zum Beispiel Knochendicke und
-beschaffenheit, mit einer sehr niedrigen Strahlenexposition. Chirurgische C-Bögen, wie sie intraoperativ in der Unfallchirurgie zum Einsatz kommen, nutzen diese besondere Röntgentechnik schon seit vielen Jahren. Einen regelrechten Boom hat die DVT jedoch durch die geschickten Vermarktungsstrategien der Hersteller erfahren, die zunächst mit speziell auf den Schädel zugeschnittenen Gerätedesigns die Methode für Zahnärzte, Kieferchirurgen und HNO-Ärzte attraktiv gemacht haben. Heute kommen immer mehr Untersuchungsfelder wie die orthopädische Darstellung kleiner Gelenke hinzu.
Seit Neuestem rückt auch die DVT-Untersuchung der Kinderlunge in den Fokus. Prof. Loose zeigt sich dazu skeptisch: „Beim CT dauert die Umlaufzeit einer Rotation zur Erfassung der Datensätze beim Thorax weniger als 0,5 Sekunden. Weil die DVT mit Flachdetektoren durchgeführt wird, dauert eine Rotation hier dagegen zwischen 10 und 40 Sekunden. Kein Patient kann solange die Luft anhalten und dabei still liegen bleiben. Im Bereich der bewegten Organe – also Thorax, Herz oder Oberbauch – denke ich also nicht, dass sich die theoretisch erreichbare optimale Bildschärfe erreichen lässt.“
Prof. Loose sieht den DVT-Trend vor allem aus Sicht der zeitlichen Verfügbarkeit von radiographischen Untersuchungsmöglichkeiten als positiv an: „Dadurch werden Kapazitäten für unsere Hochleistungsgeräte, also die 64- bis 320-Zeilen-CT-Scanner, frei, die vorrangig für schnelle oder kontrastmittelgestützte Untersuchungen benötigt werden. Stark vereinfacht ausgedrückt, sind die DVT-Geräte eine abgespeckte Version eines Gesichts-CT. Sie stellen damit eine kostengünstige Variante der 3-D-Röntgenbildgebung für ein exakt umschriebenes Untersuchungsspektrum dar.“
Darüber hinaus liegt ein entscheidender Vorteil für die Betreiber der DVT-Geräte in der Zahnmedizin und HNO-Heilkunde darin, dass die Fachkunde in diesen Bereichen leicht zu erwerben ist. Dadurch können sie ihren Patienten die Untersuchungen per Selbstüberweisung direkt bei sich vor Ort anbieten. Terminabsprachen und Überweisungsanträge zum Radiologen entfallen dadurch. Für Prof. Loose erst einmal kein Grund zur Besorgnis, sondern der natürliche Lauf der Dinge: „Wir müssen als Radiologen akzeptieren, dass manche Untersuchungen in andere Fachgebiete abwandern. Wenn es um die HNO-Heilkunde geht, bringt die normale Routinebildgebung wie das Röntgen der Nasennebenhöhlen sowieso kaum einen diagnostischen Nutzen. Sollte doch einmal eine Indikation gegeben sein, dann halte ich die DVT sicherlich für eine adäquate Alternative zu einer Niedrigdosis-CT.“
Was Prof. Loose und der Deutschen Röntgengesellschaft dagegen große Sorgen bereitet, ist der ausufernde Umgang einiger Anwender mit den DVT-Untersuchungen. Das ist nicht nur aus strahlenhygienischer Sicht verwerflich, sondern belastet das Gesundheitssystem mit unnötigen Kosten, meint er: „Wer ein DVT-Gerät kauft, der will auch, dass es sich rentiert. Deshalb rechnen viele Ärzte die durchgeführten DVT-Untersuchungen bei Privatpatienten als CT-Untersuchung ab. Sie kassieren dadurch ein höheres Entgelt, obwohl die DVT in Wahrheit nur 20 bis 30 Prozent der Investitionskosten eines CT ausmacht. Das ist eine Lizenz zum Gelddrucken.“ Bei der Abrechnung mit der gesetzlichen Krankenversicherung ist dieses Täuschungsmanöver nicht möglich, weil der Anwender hier gezwungen ist nachzuweisen, dass er eine anerkannte CT-Ausbildung besitzt. Die Deutsche Röntgengesellschaft ruft das Bundesministerium für Gesundheit und den Verband der Privaten Krankenkassenvereinigung deshalb dazu auf, schnellstmöglich eine neue Regelung zu finden, um die Abrechnung der DVT- als CT-Leistung zu unterbinden.

Im Profil
Prof. Dr. Dr. Reinhard Loose, Diplom-Physiker und Facharzt für Radiologie,leitet seit 16 Jahren das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Nürnberg-Nord. Seine Schwerpunkte sind unter anderem digitale Radiologie, digitale Bildkommunikation und Teleradiologie sowie Strahlenexposition und -reduktion. Prof. Loose ist langjähriges Mitglied in der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt und im Subcommittee „Radiation Protection“ der Europäischen Röntgengesellschaft. Außerdem ist er 1. Vorsitzender der Bayerischen Röntgengesellschaft. Er wurde von der Deutschen Röntgengesellschaft mit der Albers-Schönberg-Medaille (2004) und dem Felix-Wachsmann-Preis (2006) ausgezeichnet.
 

29.10.2012

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