Jede 3. Studie scheitert mangels Probanden

Bundesforschungsministerium fördert Modellvorhaben mit 426.000 Euro

Rund jede 3. klinische Studie scheitert schon, bevor sie richtig begonnen hat: Die notwendige Zahl an Probanden kommt nicht zustande. Was häufig fehlt, ist nicht etwa die Bereitschaft zur Teilnahme, sondern der Informationsfluss in Richtung der behandelnden Ärzte und damit der in Frage kommenden Patienten. Dabei liegt die wichtigste Grundlage für die Suche in Form der Patientendaten bereits vor: Im KIS sind Routine-Informationen ohnehin gespeichert.

Gemeinsam mit einem weiteren � derzeit noch gesuchten � Kollegen...
Gemeinsam mit einem weiteren � derzeit noch gesuchten � Kollegen werden Prof. Martin Dugas (l.) und Medizin-Informatiker Bernhard Breil das KIS-Projekt in Münster betreuen
(Foto: FZ/Thomas)
Gemeinsam mit einem weiteren � derzeit noch gesuchten � Kollegen...
Gemeinsam mit einem weiteren � derzeit noch gesuchten � Kollegen werden Prof. Martin Dugas (l.) und Medizin-Informatiker Bernhard Breil das KIS-Projekt in Münster betreuen
(Foto: FZ/Thomas)

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert nun ein Verbundprojekt, das eine wichtige Brücke schlagen soll – eine Brücke über die breite Kluft zwischen der Wissenschaft, die Patienten für Studien und somit medizinischen Fortschritt benötigt, und den Krankenhäusern, die bei der Suche helfen können.

Für klinische Studien werden laufend Patienten gesucht, deren Krankheitsbild bestimmten Kriterien entspricht. Die Patienten werden von Ihren behandelnden Ärzten gezielt angesprochen und um Teilnahme gebeten – aber dafür müssen sie erst einmal gefunden werden. „Qualität und Quantität von elektronisch verfügbaren Patientendaten haben in den letzten Jahren massiv zugenommen“, erläutert Professor Dr. Martin Dugas, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik und Biomathematik an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster: „Das liegt an der zunehmenden IT-Unterstützung von klinischen Prozessen. Und durch eine erste Pilotstudie in Münster konnten wir nachweisen, dass diese Daten - unter Beachtung der Vorgaben des Datenschutzes - für die Patientenrekrutierung sinnvoll genutzt werden können.“

Dugas koordiniert das Projekt, an dem der Lehrstuhl für Medizinische Informatik der Universität Erlangen-Nürnberg, das Zentrum für Informations- und Medizintechnik des Universitätsklinikums Heidelberg, das Koordinierungszentrum für Klinische Studien der Universität Düsseldorf, die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie der Universität Gießen sowie das münstersche Institut für Medizinische Informatik und Biomathematik beteiligt sind. Partner ist die Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., kurz TMF. Als Dachorganisation medizinischer Forschungsverbünde setzt sich die TMF dafür ein, die Strukturen und die Organisation vernetzter Forschung zu verbessern. Das BMBF stellt insgesamt 426.000 Euro für das Verbundprojekt zur Verfügung, davon gehen 117.000 Euro nach Münster.

Mit diesen Mitteln sollen fünf verschiedene KIS-Umgebungen einbezogen werden – also fünf Universitätskliniken, die unterschiedliche Systeme einsetzen. Über die Kliniken in Erlangen, Heidelberg, Düsseldorf, Gießen und Münster sind die Produkte aller großen deutschen KIS-Hersteller in das Projekt eingebunden. Zunächst werden die Informationssysteme analysiert, um herauszufinden, wie sie jeweils zur Identifikation von Studienpatienten und zur Dokumentation im Rahmen der Patientenrekrutierung - so der medizinische Fachbegriff - genutzt werden können. Im nächsten Schritt wird die Eignung der KIS-Routinedaten anhand von konkreten Studien geprüft. „Basierend auf diesen Analysen wollen wir dann eine grundsätzliche Struktur für die KIS-basierte Patientenrekrutierung entwickeln und klinisch erproben – um herauszufinden, wie groß Aufwand und tatsächlicher Nutzen sind“, so Dugas.

Die Erwartungen sind jedenfalls hoch – auch wegen der Vorergebnisse aus Münster. Im Pilotprojekt wurden pseudonymisierte Daten aus dem KIS des Universitätsklinikums Münster (UKM) mit den Suchkriterien klinischer Studien verglichen. Die jeweils behandelnden Ärzte wurden elektronisch über möglicherweise geeignete Studienpatienten informiert. Mit Erfolg: In einigen Studien wurden durch die KIS-Daten bis zu 40 Prozent mehr Teilnehmer gewonnen. „Noch vor wenigen Jahren wäre das unmöglich gewesen“, sagt Dugas. „Aber mittlerweile werden mehr strukturierte Daten in einer elektronischen Patientenakte gespeichert, die bei der Suche helfen können.“ Allein der Medizinstandort Münster ist aktuell an mehreren Hundert klinischen Studien beteiligt, für rund 200 davon werden Probanden gesucht.

Am Ende des BMBF-Projektes sollen Spezifikationen und Empfehlungen zum Einsatz der KIS-basierten Patientenrekrutierung stehen – und konkrete Anforderungen an die KIS-Hersteller zur Weiterentwicklung ihrer Produkte. Dugas selbst hat die Vision eines einheitlichen Informationssystems für alle Bereiche eines Krankenhauses, das Daten für Patientenversorgung und klinische Forschung vereint: „Gerade auch wegen des zunehmenden Ärztemangels wird es immer wichtiger, dass die Belastung der Ärzte durch doppelte Dokumentation in verschiedenen IT-Systemen verringert wird“. Ein Projekt der Medizinischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Münsters läuft bereits – mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

22.07.2010

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