Elektronenmikroskopische Aufnahme von Influenzaviren
Influenzaviren unter dem Elektronenmikroskop

Bildquelle: CDC/Science Photo Library

News • Grippeviren und Vogelgrippe-Virus H2N2

Infektion auf zwei Wegen: Neue Erkenntnisse zu Influenzaviren

Die meisten Influenzaviren dringen über eine spezifische Struktur auf der Oberfläche in menschliche und tierische Zellen ein.

Menschliche Grippeviren und das verwandte Vogelgrippevirus des Subtyps H2N2 nutzen aber noch eine zweite Eintrittspforte, wie Forschende der Universität Zürich (UZH) zeigen: einen Proteinkomplex des Immunsystems. Dieser Vorteil hilft den Viren, unterschiedliche Arten zu infizieren und zwischen Tieren und Menschen zu wechseln. 

Ihre Erkenntnisse veröffentlichen die Forscher im Fachjournal Nature Microbiology.

Menschliche Influenza-A-Viren des Subtyps H2N2 und das verwandte H2N2-Vogelgrippevirus können über einen zweiten Rezeptor in die Zellen gelangen. Sie nutzen also einen alternativen Eintrittsweg

Silke Stertz

Der Großteil der Influenzaviren des Typs A zirkuliert in Vögeln und Schweinen und stellt normalerweise kein Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Kommt es zu einem Ausbruch in Milchvieh wie aktuell in den USA oder bei der jährlich wiederkehrenden Grippewelle, können Influenza-A-Viren jedoch bedrohlich werden. In seltenen Fällen gelingt einem Virus der Sprung vom Tier zum Menschen – mit potenziell verheerenden Auswirkungen wie einer Pandemie. 

Die meisten Influenzaviren dringen mit einem ihrer Hüllproteine, die wie Spikes aus der Oberfläche herausragen, in die Wirtszelle ein. Das sogenannte Hämagglutinin bindet an Sialinsäure, eine chemische Gruppe auf der Oberfläche von menschlichen Zellen sowie von Zellen diverser Tierarten. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Silke Stertz vom Institut für Medizinische Virologie der UZH zeigt nun, dass die Viren eine zweite Eintrittspforte nutzen können, um sich in die Zellen einzuschleusen. "Menschliche Influenza-A-Viren des Subtyps H2N2 und das verwandte H2N2-Vogelgrippevirus können über einen zweiten Rezeptor in die Zellen gelangen. Sie nutzen also einen alternativen Eintrittsweg", so Stertz. 

Wie die Forschenden entdeckten, bindet Hämagglutinin auch an Proteinkomplexe der MHC-Klasse-II. Diese Proteinkomplexe sitzen auf der Oberfläche bestimmter Immun- und Atemwegszellen und sind zuständig dafür, körpereigene und körperfremde Zellen und Strukturen zu unterscheiden. "Wir haben herausgefunden, dass MHC-Klasse-II-Komplexe von Menschen sowie von Schweinen, Enten, Schwänen und Hühnern den Viren den Zelleintritt ermöglichen, nicht aber jene von Fledermäusen", sagt Stertz.

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Woher kommen neue Viren?

Aktuelle Analysen zeigen, wie der Austausch von genetischem Material zwischen unterschiedlichen Virusarten zur Entstehung neuer, gefährlicher Erreger führen kann.

Bestätigt wurde die doppelte Infektionsfähigkeit der H2N2-Influenzaviren in tierischen Zelllinien, die im Labor gezüchtet wurden, und in menschlichen Atemwegskulturen. Wie genau der virale Rezeptor auf die Strukturen der Zelloberfläche passt, ist entscheidend dafür, welche Wirtsarten und Gewebe infiziert werden und wie krank ein infiziertes Individuum letztendlich wird. Die Rezeptorspezifität beeinflusst auch, ob das Virus von einer Tierart auf eine andere oder auf den Menschen springen kann – in der Fachwelt Zoonose genannt. "Nach unseren Ergebnissen können sich Influenzaviren anpassen, um unterschiedliche Eintrittswege zu nutzen. Dies dürfte auch ihre Fähigkeit steigern, unterschiedliche Arten zu infizieren und zwischen Tieren und Menschen zu wechseln", betont die Virologin. 

Das Risiko, dass Influenzaviren von Vögeln, Schweinen und anderen Tieren Quelle für eine pandemische Grippe beim Menschen sein können, ist so möglicherweise größer als bisher angenommen. Dass sich H2N2-Influenzaviren 1957 in Asien zur weltweiten Grippepandemie entwickelten, könnte mitunter auf die Fähigkeit zurückgehen, MHC-Klasse-II-Komplexe für den Zelleintritt zu nutzen. Grund genug, die globale Influenzaüberwachung bei Tieren und Menschen zu verstärken, so das abschließende Fazit der UZH-Forscher. 


Quelle: Universität Zürich

18.07.2024

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