In der Welt der Lungenkrankheiten ist die CT ohne Konkurrenz

Willkommen in der Welt der hochauflösenden Computertomographie (HRCT). Prof. Dr. David Hansell, international renommierter Experte der Thoraxbildgebung, hält in diesem Jahr die Röntgen-Vorlesung im Rahmen des Deutschen Röntgenkongresses zum Thema „HRCT at the Centre of the Diffuse Lung Disease Universe“.

Prof. Dr. David Hansell
Prof. Dr. David Hansell

Dabei wird er weniger über den erwiesenen diagnostischen Nutzen der HRCT sprechen, als sich vor allem mit dem prädiktiven Potenzial der HRCT in Bezug auf Outcomes und Endpunkte klinischer Studien beschäftigen.

RöKo Heute: Warum hat die HRCT heute solches Gewicht bei den Lungenerkrankungen?
Hansell: In multidisziplinären Teamprozessen – MDT – hat die CT einen ungeheuren diagnostischen Nutzen und in dem MDT-Triumvirat aus Kliniker, Radiologe und Pathologe ist der Radiologe heute quasi Senior-Partner. Der Input des Klinikers zur Diagnose ist unerlässlich: Während nur bei 10 Prozent der Patienten eine Lungenbiopsie durchgeführt wird, gibt es grundsätzlich von jedem Patienten ein hochaufgelöstes CT-Bild. Damit wird der Radiologe zum Dreh- und Angelpunkt der Diagnose. Die Kliniker geben heute zu, dass sie ohne die CT auf verlorenem Posten stehen würden.

Wie hat die CT zu unserem Wissen über die Pathophysiologie und Pathogenese diffuser Lungenkrankheiten beigetragen – wie Sie im Abstract zu Ihrer Vorlesung schreiben?
Die Menschen denken gern, dass jemand, der keinen weißen Kittel trägt und nicht mit Reagenzglas und Pipette hantiert, kein echter Wissenschaftler ist. Aber die CT ist die Grundlage für Anwendungsbeobachtungen zu diffusen Lungenkrankheiten und liefert Informationen bei Langzeitstudien, die die Pathologie einfach nicht bieten kann. Normalerweise wird bei einem Patienten nur eine Lungenbiopsie durchgeführt – und obgleich diese Biopsie sehr detaillierte histologische Informationen liefert, so ist aus ihr doch nicht zu erkennen, wie sich die Lunge im Laufe der Zeit verändert. Nur die CT und Lungenfunktionstests lassen Aussagen über das langfristige Verhalten von Lungenerkrankungen zu. Das ist in vielerlei Hinsicht nützlich, insbesondere wenn es um die Prognose fibrosierender Lungenerkrankungen geht.

Bedeutet das, die HRCT kann prognostische Informationen liefern?
Eine diagnostische Aussage allein ist nicht unbedingt sehr aussagekräftig, da sie sich auf ein breites Spektrum möglicher Outcomes bezieht. Ein Patient kann mit einem bestimmten diagnostischen Etikett lange leben, vielleicht stirbt er aber auch schon nach wenigen Jahren. Die CT wird zunehmend dazu genutzt, ein wahrscheinliches Outcome-Szenario zu erstellen, da mit ihrer Hilfe das Ausmaß und die Charakteristika der Erkrankung erfasst werden können, also die Indikatoren, anhand derer sich mit einer gewissen Zuverlässigkeit eine Prognose erstellen lässt. Das ist eine ganz neue Rolle der CT. Das heißt, wir können häufig die einmal gestellte Diagnose für einen Patienten außer Acht lassen und prognostische Informationen liefern.

Sie sagen auch, dass die HRCT unter Umständen die Möglichkeit bietet, Patienten für neue Therapiestudien zu klassifizieren. Ist das mit dem Staging einer Krankheit zu vergleichen?
Genau, das ist analog zum Staging von Lungenkrebs zu verstehen, bei dem der Patient über das wahrscheinliche Outcome informiert wird. Man kann die Analogie aber noch einen Schritt weitertreiben: Das Outcome für Krebspatienten hängt Wisheute in hohem Maß davon ab, ob sich die Patienten einer Operation oder einer Chemotherapie unterziehen können. Die HRCT kann uns nun sagen, ob ein Patient für eine bestimmte Medikamentenstudie geeignet ist oder nicht. Das ist interessant, weil es bis vor fünf Jahren keine wirksame Therapie und praktisch keine Arzneimittelstudien zur Lungenfibrose gab. Heute ist das ein enormer Wachstumssektor in der Pharma-Industrie. Da es jetzt potenzielle Behandlungsmöglichkeiten gibt, entstehen auch neue Synergien zwischen einer sehr interessierten Industrie und Patienten mit diffuser Lungenerkrankung, die einem Staging unterzogen werden. Nur wenn eine möglichst präzise Diagnose vorliegt, kann bestimmt werden, welche Patienten für welche Studie infrage kommen. Wird ein hochspezifisches Medikament getestet, sollten in der entsprechenden Studiengruppe verständlicherweise keine Patienten mit unterschiedlichen diffusen Lungenerkrankungen sein. Das heißt, die HRCT kann dazu beitragen, sowohl eine sinnvolle Probandenpopulation sicherzustellen als auch zum „Cohort Enrichment“ beizutragen – letzteres ein hochtrabender Ausdruck für die Tatsache, dass man die Patienten auswählen möchte, die am wahrscheinlichsten auf ein sehr gezieltes, neues Medikament ansprechen.

Ist die HRCT auf dem Weg, der Goldstandard für Arzneimittelstudien im Bereich Lungenerkrankungen zu werden?
Das ist alles noch im Gange und ich möchte diesen Punkt nicht überbewerten. Meine Vorlesung wird sich nicht ausschließlich um Studien drehen, denn es gibt viele andere höchst interessante Aspekte. Dennoch: Es ist unverkennbar, dass in vielen Arzneimittelstudien quasi verzweifelt versucht wird, so viele Endpunkte wie möglich zu verfolgen. Das schließt die Minderung der Lungenfunktion, verschiedene Biomarker und die Veränderung des Krankheitsstatus in der CT ein. Philosophisch gesprochen sind das alles Schatten auf der Höhlenwand – Repräsentationen der Wirklichkeit. Je mehr Schatten es gibt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, der Wahrheit nahezukommen, wobei die Wahrheit hier das Ansprechen auf ein neues Medikament ist. Wenn keiner der Endpunkte besonders zuverlässig ist, wird man auf ein Bündel an Indikatoren zurückgreifen, die in ihrer Gesamtheit ein signifikantes Ansprechen wahrscheinlich am besten reflektieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Im Profil

David Hansell, MD, FRCP, FRCR, FRSM, ist Professor für Thoraxbildgebung am National Heart and Lung Institute, Imperial College, London, und Abteilungsleiter der Radiologie am Royal Brompton & Harefield NHS Foundation Trust. Sein Schwerpunkt ist die diagnostische Bildgebung der Lunge, wobei sein besonderes Interesse der hochauflösenden Computertomographie (HRCT) diffuser Lungenerkrankungen gilt. Er war Präsident der Fleischner Society (2012)
und der European Society of Thoracic Imaging (2005). Professor Hansell ist Hauptautor des Lehrbuchs „Imaging of Diseases of the Chest“ sowie Autor von mehr als 300 Artikeln.

Veranstaltung
Raum Peters
Fr., 30.05.2014,
11:20 - 12:15 Uhr
HRCT at the centre of the diffuse
lung disease universe
Hansell D. / London
Session: Röntgen-Vorlesung

30.05.2014

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