Bildquelle: Universität Basel; Foto: Catherine Weyer
News • Coronavirus-Forschung
Neues Impfstoffkonzept gegen Sars-CoV-2 erfolgreich getestet
Forschende der Universität Basel haben einen neuen Ansatz für einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt. Das Vakzin beruht auf abgewandelten Coronaviren, die zwar in Zellen eindringen und eine effiziente Immunantwort auslösen, sich dabei im Körper aber nicht vermehren können.
In Tierversuchen schützte der Impfstoff wirksam vor der Erkrankung und verhinderte sogar die Virusübertragung. Klinische Studien am Menschen sollen bald folgen.
Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse als Preprint (Was ist das?) auf bioRxiv.
Obwohl seit Anfang 2021 sichere und wirksame Covid-19-Impfstoffe zur Verfügung stehen, verbreitet sich Sars-CoV-2 weiter und bringt laufend neue Varianten hervor. In manchen Regionen fehlt der Bevölkerung der Zugang zu Impfstoffen, in anderen fehlt es an Vertrauen gegenüber den neuartigen mRNA-Vakzinen. Neue Impfstoffe, die sich einfach lagern und verabreichen lassen und einen effizienten Immunschutz aufbauen, wären ein wichtiger Schritt, um das Coronavirus nachhaltig in Schach zu halten.
Forschende um Prof. Dr. Thomas Klimkait vom Departement Biomedizin der Universität Basel stellen nun gemeinsam mit dem Unternehmen RocketVax ein Impfstoffkonzept vor, das eine neue Generation an Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 hervorbringen könnte. Das Konzept lässt sich zudem auch rasch auf neue Varianten und auf andere Viren anpassen.
'1-Zyklus-Viren', so bezeichnen die Forschenden das Prinzip ihres neuartigen Impfstoffs. Das Vakzin beruht auf einer speziell angepassten Version des Virus, die sich zwar im Labor vermehren lässt. In Körperzellen jedoch können sich die 1-Zyklus-Viren nach dem ersten Eindringen nicht weiter vermehren.
Sollten neue Varianten oder gar ein 'Sars-CoV-3' auftauchen, ließe sich mit demselben Konzept sehr schnell ein passender Impfstoff herstellen
Thomas Klimkait
Ein Virus bringt normalerweise in seinem Erbgut die Baupläne für sämtliche Bauteile mit, die für neue Viruspartikel nötig sind. Einmal in einer Körperzelle angelangt, missbraucht das Virus dann die Zellmaschinerie: Die Zelle beginnt, das Virus zu vervielfältigen. Anschließend zerstören die neu gebauten Viren die Zelle und infizieren weitere Zellen.
Für ihren Impfstoff wandeln die Forschenden das Viruserbgut jedoch ab: "Wir nehmen unter anderem ein bestimmtes Gen aus dem Bauplan für die Virushülle heraus", erklärt der Virologe Klimkait. Fehlt diese Hüll-Komponente, können keine neuen Viruspartikel entstehen. Die Einzelteile des Virus werden aber produziert. Diese präsentiert die Körperzelle an ihrer Oberfläche dem Immunsystem, das die Virus-Bausteine erkennt und einen wirksamen Immunschutz aufbaut.
Um diese Viren, die sich in Körperzellen nicht mehr vervielfältigen können, für die Impfstoffherstellung dennoch zu vermehren, entwickelten die Forschenden eine sogenannte Produktions-Zelllinie. Dafür bauten sie Zellen im Labor das fehlende Gen für den Virus-Baustein ins Erbgut ein, sodass sie diesen Baustein dauerhaft herstellen. Schleust das Team nun das abgewandelte Viruserbgut (mit unvollständigem Bauplan für die Virushülle) in die Produktions-Zellen ein, bauen diese neue Viruspartikel. "Äußerlich sind diese Impfviren mit den normalen Coronaviren völlig identisch. Aber das Virushüllen-Gen fehlt in ihrem Erbgut. Das heißt, in normalen Körperzellen, die keinen Ersatz anzubieten haben, können sie sich nicht vervielfältigen", so Dr. Christian Mittelholzer, verantwortlicher Wissenschaftler im Projekt.
Abgesehen vom fehlenden Bauplan für den Virushüllen-Baustein veränderten die Forschenden noch weitere Details am Viruserbgut: Sie entfernten Gene, welche dem Virus erlauben, die Abwehrreaktion der Zelle zu hemmen. Diese Veränderungen zielen darauf ab, eine möglichst wirksame Immunantwort auf das Virus zu ermöglichen und einen starken und länger anhaltenden Immunschutz aufzubauen.
Die Forschenden haben ihren neuen Impfstoff kürzlich erfolgreich an Hamstern getestet: Nach der per Nasentropfen verabreichten Immunisierung waren 20 von 20 Tieren geschützt: Sie entwickelten selbst nach Kontakt mit einer hohen Dosis des natürlichen Sars-CoV-2 keinerlei Symptome. Zudem konnte die Impfung verhindern, dass andere, nicht geimpfte Tiere angesteckt wurden; nach jetzigem Kenntnisstand bauten sie also eine sterile Immunität auf.
Auch beim Menschen soll der Impfstoff via Nase oder Mund verabreicht werden. Da die 1-Zyklus-Viren sehr stabil sind, kann der Impfstoff über längere Zeit einfach im Kühlschrank gelagert werden, bestätigt Klimkait. Das Forschungsteam plant nun die Produktion und eine erste Studie mit einer kleinen Kohorte von Probanden in der Schweiz. "Sollten neue Varianten oder gar ein 'Sars-CoV-3' auftauchen, liesse sich mit demselben Konzept sehr schnell ein passender Impfstoff herstellen", so Klimkait.
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"Technisch gesehen bringen wir das abgewandelte Viruserbgut in mehreren Einzelstücken in die Produktions-Zelllinie, weil solche Stücke einfacher herzustellen und einzuschleusen sind." Im Zellinneren sorgen Reparaturenzyme dafür, dass aus den Einzelstücken des Viruserbguts wieder ein Ganzes wird. "Das heißt auch, dass wir beispielsweise den Abschnitt mit dem Bauplan für das Spike-Protein sehr einfach austauschen können, wenn eine neue Variante mit neuen Mutationen auftaucht."
Dass dabei das fehlende Gen für den Virushüllen-Baustein zurückkommt, sei unmöglich, betont Klimkait. "Das Hüllprotein-Gen befindet sich im Erbgut im Zellkern der Produktionszelle. Das Viruserbgut dagegen bleibt immer außerhalb des Zellkerns – sie begegnen sich also nie, und das Viruserbgut kann sich nicht wieder zur Ursprungsversion vervollständigen."
Die Forschenden um Thomas Klimkait und Christian Mittelholzer haben das System zum Patent angemeldet. Die Entwicklung und präklinischen Studien des neuen Impfstoffs fanden in Zusammenarbeit mit der Firma RocketVax und für Tierexperimente mit dem Friedrich-Loeffler-Institut in Deutschland statt. Die Zusammenarbeit ist eingebettet in eine Forschungskooperation mit dem Universitätsspital Basel und dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH). Das Universitätsspital Basel und der Kanton Basel-Stadt leisteten eine Anschubfinanzierung der bereits begonnenen präklinischen Forschungsarbeiten am neuen Impfstoff. Finanzielle Unterstützung erhielt das Projekt auch von Innosuisse.
Quelle: Universität Basel
23.05.2023