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Bildquelle: Adobe Stock/Alexander Raths

News • Ungleichheit bei kardiologischen Eingriffen

Ein Herz für (Privat-)Patienten?

An Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung wird in der Schweiz mit höherer Wahrscheinlichkeit ein kardiologischer Eingriff vorgenommen als an Personen, die nur grundversichert sind. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau.

Die Forscher veröffentlichten ihre Erkenntnisse im Fachjournal JAMA Network Open

Die Schweiz leistet sich eines der teuersten Gesundheitswesen der Welt: Dank der obligatorischen Krankenversicherung haben alle Personen in der Schweiz Zugang zu einer ausgezeichneten medizinischen Versorgung. Mit einer freiwilligen Zusatzversicherung lassen sich bei einer stationären Behandlung zudem weitere Leistungen sichern, zum Beispiel ein Einzelzimmer oder freie Arztwahl. 

Während die Krankenkassen die Behandlung der Grundversicherten mit einer Fallpauschale abgelten, können die Spitäler bei zusatzversicherten Personen weitere Honorare abrechnen, die teilweise der Ärzteschaft zugutekommen. Seit Längerem wird vermutet, dass dadurch erhöhte finanzielle Anreize bestehen, die zu unnötigen Behandlungen bei den Zusatzversicherten führen können.

Wir beobachten ein Missverhältnis in der Behandlung der beiden Gruppen, das sich nicht durch die Patientenmerkmale erklären lässt

Tristan Struja

Ob sich bei kardiovaskulären Eingriffen in der Schweiz ein Unterschied nach Versicherungsstatus nachweisen lässt, hat nun ein Team um Forschende der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau untersucht. Ausgehend von Daten des Bundesamts für Statistik, haben sie geplante Spitaleintritte von insgesamt 590.000 erwachsenen Patienten ausgewertet, die in den Jahren 2012 bis 2020 stationär behandelt worden waren. Rund 105.000 Behandlungen betrafen acht verschiedene kardiovaskuläre Eingriffe, zum Beispiel die Erweiterung von verengten Herzkranzgefäßen oder das Einsetzen eines Herzschrittmachers. Davon wurden 64,4% über die Grundversicherung abgerechnet. 

Die Forschenden analysierten den umfangreichen Datensatz mittels statistischer Verfahren auf Unterschiede, die mutmaßlich mit dem Versicherungsstatus der Patienten zusammenhängen und sich nicht durch Merkmale wie das Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen oder die Größe und Art des Krankenhauses erklären lassen. Generell zeigte sich sowohl bei den Grundversicherten als auch bei Personen mit einer privaten Zusatzversicherung über die Studienjahre eine Zunahme der Eingriffe am Herzen – mit Ausnahme der ersten beiden Covid-19-Wellen im Jahr 2020.

Bei den Zusatzversicherten war jedoch die Wahrscheinlichkeit, einen kardiovaskulären Eingriff zu erhalten, um 11% höher als bei grundversicherten Personen. Das entspricht schweizweit 895 zusätzlichen Eingriffen pro Jahr. "Wir beobachten ein Missverhältnis in der Behandlung der beiden Gruppen, das sich nicht durch die Patientenmerkmale erklären lässt", hält Studienautor Dr. Tristan Struja fest. "Unsere Daten weisen darauf hin, dass Personen mit Zusatzversicherungen Behandlungen erhalten, die sich medizinisch nur schwer rechtfertigen lassen und daher möglicherweise unnötig sind." 

Tatsächlich sind Personen mit einer privaten Zusatzversicherung tendenziell besser ausgebildet, verfügen über ein höheres verfügbares Einkommen, sind gesünder und werden seltener in ein Spital eingewiesen als Personen, die nur eine Grundversicherung haben. Folglich sollten an ihnen sogar weniger Eingriffe vorgenommen werden. 

Die Gründe für die unterschiedliche Behandlung vermuten die Studienautoren denn auch nicht in klinischen Überlegungen: "Wir nehmen an, dass Personen mit einer privaten Zusatzversicherung die medizinische Versorgung stärker in Anspruch nehmen, unter anderem weil sie mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben", so Prof. Dr. Philipp Schütz, Forschungsgruppenleiter am Departement Klinische Forschung der Universität Basel. "Gleichzeitig bestehen für die Spitäler klare ökonomische Anreize, an dieser lukrativen Patientenklasse Eingriffe im stationären Rahmen vorzunehmen, anstatt darauf zu verzichten oder sie zumindest ambulant durchzuführen." Dies führe dazu, so die Studienautoren, dass Gesundheitsdienstleistungen ineffizient erbracht würden. Sie empfehlen, die Pauschalen für Privatpatienten zu überdenken und die Anreize stärker auf die Qualität der Versorgung auszurichten. 

An der Studie waren Forschende des Kantonsspitals Aarau sowie der Universitäten Basel und Zürich beteiligt. 


Quelle: Universität Basel

24.01.2023

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