News • Unheilbare Muskelkrankheit

Gentherapie für Duchenne-Muskeldystrophie

Die Muskeldystrophie des Typs Duchenne (DMD) ist die häufigste muskuläre Erbkrankheit bei Kindern. Sie zwingt Betroffene oft schon vor dem zwölften Lebensjahr in den Rollstuhl und verringert die Lebenserwartung.

Bildquelle: Arek Socha auf Pixabay

Forscher der Technischen Universität München (TUM), der Ludwig-Maximilians Universität (LMU) und des Helmholtz Zentrums München haben eine Gentherapie entwickelt, die an DMD Erkrankten dauerhaft helfen könnte. 

Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse jetzt im Journal Nature Medicine.

illustration of medical effects of duchenne muscular dystrophy in a boy
Typisches Krankheitsbild der Duchenne-Muskeldystrophie, illustriert vom US-Neurologen William Alexander Hammond

Damit Muskeln sich regenerieren, ist Dystrophin nötig. Menschen mit einer Duchenne-Muskeldystrophie fehlt dieses essentielle Muskelprotein aufgrund von Mutationen des für die Dystrophinbildung zuständigen Gens. Dadurch bilden sich bei ihnen bereits aufgebaute Muskelzellen mit der Zeit zurück, die Muskulatur wird nach und nach durch Binde- oder Fettgewebe ersetzt und die Muskeln werden im Krankheitsverlauf schwächer. Im Alter von fünf Jahren machen sich meist erste Symptome bemerkbar. Irgendwann haben erkrankte Kinder Schwierigkeiten mit Bewegungen, die sie ursprünglich mühelos ausführen konnten – etwa mit dem Treppensteigen oder dem Aufstehen vom Boden. Mit ungefähr zwölf Jahren verlieren viele die Fähigkeit zu gehen, später die Beweglichkeit der Arme und Hände. Aufgrund von Atem- oder Herzversagen erleben die meisten Betroffenen ihr 40. Lebensjahr nicht. Zumeist erkranken Jungen an der DMD, da die verantwortlichen Mutationen sich im Dystrophin-Gen auf dem X-Chromosom befinden.  

Einem interdisziplinären Münchner Forschungsteam ist es unter der Federführung von Wissenschaftlern der TUM erstmals gelungen, das mutierte Dystrophin-Gen bei lebenden Schweinen zu korrigieren. Um den fehlerhaften Genabschnitt aus der DNA der Muskel- und Herzzellen der Tiere herauszuschneiden, modifizierten die Forscher die Genschere Crispr-Cas9. „Diese Genschere ist sehr effizient, sie hat spezifisch das Dystrophin-Gen korrigiert“, sagt Prof. Wolfgang Wurst, Entwicklungsgenetiker an der TUM und am Helmholtz Zentrum München. Das durch den Gendefekt unlesbar gewordene Gen konnte wieder sinnvoll abgelesen werden, wodurch eine erfolgreiche Proteinbiosynthese möglich wurde. Durch das nun verkürzt, jedoch stabil gebildete Dystrophinprotein verbesserte sich die Muskelfunktion. Die therapierten Tiere waren weniger anfällig für Herzrhythmus-Störungen und hatten eine höhere Lebenserwartung als erkrankte Tiere, die nicht therapiert wurden.

Unsere Ergebnisse sind deshalb so vielversprechend, weil wir einen therapeutischen Erfolg nun bei einem kliniknahen Modell nachweisen konnten

Maggie Walter

„Muskel- und Herzzellen sind langlebige Zellverbände. Die Hälfte aller Herzmuskelzellen bleiben von der Geburt über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen funktional“, sagt Prof. Christian Kupatt, Kardiologe am Klinikum rechts der Isar der TUM. „Das Genom einer Zelle wird so lange für die Proteinbiosynthese genutzt, wie die Zelle lebt, und einmal mit der Therapie erreichte Zellen bleiben korrigiert. Verändern wir also das Genom einer Herzmuskelzelle, hat die Korrektur im Unterschied zu bisherigen Therapien einen langfristigen Erfolg.“

In der Vergangenheit ist der für das Dystrophinprotein verantwortliche Genabschnitt bereits erfolgreich korrigiert worden – allerdings am Mausmodell und an anderen Tiermodellen. „Unsere Ergebnisse sind deshalb so vielversprechend, weil wir einen therapeutischen Erfolg nun bei einem kliniknahen Modell nachweisen konnten“, sagt Prof. Maggie Walter, Neurologin am Klinikum der LMU. Das Schweinemodell stimmt in wichtigen biochemischen, klinischen und pathologischen Veränderungen mit der Duchenne-Muskeldystrophie beim Menschen überein. „Da die Erkrankung an unserem Schweinemodell schneller fortschreitet, konnten wir die Wirksamkeit von therapeutischen Ansätzen in einem überschaubaren Zeiträumen prüfen“, sagt Prof. Eckhard Wolf, Veterinärmediziner an der LMU.


Quelle: Technische Universität München

28.01.2020

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