Eugenio F. Fornasiero sitzt am Schreibtisch seines Labors vor mehreren...
Im Labor: Dr. Eugenio F. Fornasiero, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).

Bildquelle: UMG; Foto: Christian Bertram

News • Neurodegenerative Erkrankungen

Was macht das Gehirn anfällig für Alzheimer & Co?

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Scripps Research Institute in Kalifornien, USA, erforschen in einem gemeinsamen Projekt die Rolle winziger Moleküle, sogenannter microRNAs, die bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer eine entscheidende Funktion übernehmen.

Ziel ist es, neue Ansätze zur Früherkennung und Behandlung dieser Erkrankungen zu finden. Das Forschungsvorhaben wird von der US-amerikanischen Chan Zuckerberg Initiative gefördert. 

Je älter Menschen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Hirnerkrankungen wie zum Beispiel Parkinson oder Alzheimer entwickeln. Diese Erkrankungen sind durch den Untergang von Nervenzellen gekennzeichnet und werden somit auch als neurodegenerative Erkrankung bezeichnet. Bisher ist jedoch unklar, welche Faktoren für das Absterben der Nervenzellen verantwortlich sind. 

Proteine sorgen dafür, dass die menschlichen Zellen funktionieren und lebensfähig sind. Um ihre Funktion ausüben zu können, müssen sie zum richtigen Zeitpunkt in entsprechender Menge gebildet und korrekt gefaltet werden. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, werden sie abgebaut und bei Bedarf neue Proteine gebildet. Dieser Prozess von der Bildung bis zum Abbau sowie das Zusammenspiel der einzelnen Proteine untereinander ist ein dynamischer Prozess, der mit zunehmendem Alter fehleranfälliger wird.

Wir möchten mit diesen Untersuchungen mögliche Therapieansätze finden, um neurodegenerative Hirnerkrankungen frühzeitig zu erkennen und diese schneller behandeln oder vielleicht sogar verhindern zu können

Eugenio F. Fornasiero

Ein Team von Forschenden um Dr. Eugenio F. Fornasiero, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Neuro- und Sinnesphysiologie der UMG, konnte in Kooperation mit Ass. Prof. Dr. Giordano Lippi, Assoziierter Professor in der Abteilung Neurowissenschaften am Scripps Research Institute, bereits in vorangegangenen Studien im Tiermodell zeigen, dass einige Proteine, die mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehen, im gealterten Gehirn nicht mehr so effizient ausgetauscht werden. Dieser mangelnde Austausch erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Anreicherung der Proteine in den Nervenzellen des Gehirns und mögliche Schäden auf molekularer Ebene. Dies passiert bereits, bevor die Krankheit in Erscheinung tritt. Da die Proteinmengen im Gehirn aber unverändert bleiben, müssen Mechanismen eine Rolle spielen, die mit einer gestörten Bildung, Faltung oder einem unzureichenden Abbau der Proteine in Zusammenhang stehen. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass winzige Moleküle, sogenannte microRNAs (miRNAs), die Herstellung und den Abbau bestimmter Proteine steuern. Die miRNAs sind wahrscheinlich entscheidend am Erhalt des Proteingleichgewichts in den Nervenzellen beteiligt. In älteren Gehirnen scheinen insbesondere die durch miRNAs regulierten Proteinen unzureichend erneuert zu werden, welches an einer Fehlsteuerung der miRNAs liegen könnte. Wenn die miRNAs nicht richtig funktionieren, kann das Gehirn anfälliger für Krankheiten werden. 

Die Wissenschaftler wollen nun auf diesen Erkenntnissen aufbauen und in dem gemeinsamen Forschungsprojekt „A neurodegenerative duet: protein turnover and miRNAs“ (deutscher Titel: Ein neurodegeneratives Duett: Proteinumsatz und miRNAs) herausfinden, welche der miRNAs hauptsächlich an der Entstehung der Gehirnerkrankungen beteiligt sind. Die Labore von Dr. Fornasiero und Ass. Prof. Dr. Lippi haben hierzu eigens Instrumente entwickelt, um die miRNAs im Detail zu untersuchen und zu verstehen, wie sie den korrekten Austausch von Proteinen im Gehirn steuern. „Wir möchten mit diesen Untersuchungen mögliche Therapieansätze finden, um neurodegenerative Hirnerkrankungen frühzeitig zu erkennen und diese schneller behandeln oder vielleicht sogar verhindern zu können“, sagt Dr. Fornasiero. 

Der Forschungsschwerpunkt an der UMG liegt auf der Untersuchung der Proteinstabilität im lebenden Organismus. Hierzu werden aktuell Proben gesammelt, in denen die miRNA-Funktion sowohl in jungen als auch in alten Gehirnen gestört ist. Ziel ist es, die grundlegende Rolle von miRNAs bei der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Proteinproduktion und -abbau im Gehirn zu verstehen. Zudem sollen die Untersuchungen Erkenntnisse liefern, wie eine miRNA-Fehlsteuerung die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen begünstigt. 


Quelle: Universitätsmedizin Göttingen

27.07.2024

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