© metamorworks – stock.adobe.com

News • Forschung zu LLM

FHIR-Starter: KI bringt Struktur in medizinische Daten

Die gesundheitliche Versorgung verbessern, medizinisches Fachpersonal entlasten und die Forschung in Deutschland vorantreiben: Diesen Zielen hat sich das dreijährige Forschungsprojekt „FHIR-Starter“ ab Februar 2025 verschrieben.

Im Zentrum des Projekts steht die Entwicklung eines Software-Dienstes, der in der Lage ist, medizinische Daten mithilfe von Large Language Models (LLMs) automatisiert zu strukturieren. Dafür kooperiert das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE mit der Arbeitsgruppe von Prof. Sylvia Thun des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in der Charité und dem KI-Unternehmen Insiders Technologies aus Kaiserslautern. Die Konsortialleitung hat das Fraunhofer IESE inne. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Innovationswettbewerbs „Generative KI für den Mittelstand“ mit 1,64 Millionen Euro.

Mit dem Software-Dienst könnten sich Ärzte langfristig Laborwerte beispielsweise im Zeitverlauf anzeigen oder Medikamentenlisten automatisiert erstellen lassen. Mit den strukturierten Daten ließe sich die ePA vollständig und sinnvoll digitalisieren

Theresa Ahrens

Momentan hinkt das deutsche Gesundheitswesen der Digitalisierung hinterher. Ärzte teilen sich ihre Befunde über Arztbriefe mit, die als Volltexte im PDF-Format vorliegen. Das Lesen der meist mehrseitigen Berichte ist zeitintensiv und erschwert den Vergleich mit vorherigen Befunden. Zusätzlich muss medizinisches Fachpersonal wichtige Informationen manuell abtippen, um diese in Praxisverwaltungssysteme (PVS) oder Krankenhausinformationssysteme (KIS) zu übertragen. Das ist nicht nur umständlich, sondern zudem fehleranfällig und verschlechtert die Versorgung von Patienten. Darüber hinaus kann die medizinische und pharmazeutische Forschung Daten aus Volltexten nur schwer nutzen, was Deutschland als Forschungsstandort schwächt. 

Im Rahmen von FHIR-Starter entwickeln Forscher des Konsortiums einen Software-Dienst, der anhand von LLMs und Natural Language Processing (NLP) die Volltextdokumente analysiert und in standardisierte Datenformate überführt. Hierfür werden der medizinische Datenstandard FHIR sowie die Kodiersysteme LOINC und SNOMED-CT verwendet. Derartige einheitliche Datenstandards bergen ein großes Potenzial, um Gesundheitsdaten effektiv nutzen zu können und dienen dazu, den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen zu unterstützen. Der Software-Dienst wird offene Schnittstellen anbieten, die es Leistungserbringern, Softwareanbietern im Gesundheitswesen und Sekundärnutzern von Gesundheitsdaten ermöglichen, die strukturierten Daten automatisiert in ihre Systeme aufzunehmen. 

Bei der Entwicklung des Software-Dienstes gilt es vor allem, zwei große Herausforderungen zu beachten: die Sicherstellung der Verlässlichkeit der Daten als auch einen umfangreichen Datenschutz. Doch was ist mit der Zuverlässigkeit der Daten genau gemeint? Bei KI-Modellen wie etwa LLMs ist Wahrheit keine Kategorie. Liegen einem LLM keine ausreichenden Daten vor, erfindet es Informationen frei dazu – es halluziniert. Bei medizinischen Daten kann das fatale Folgen haben. 

Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren

Photo

Artikel • Künstliche Intelligenz in der Inneren Medizin

Medizinische KI: Auftritt der ‚Dea ex machina‘

In der Welt des Theaters ist der ‚Deus ex machina‘, der Gott aus der Maschine, ein dramaturgischer Kniff, um scheinbar unlösbare Konflikte zu klären. Kann Künstliche Intelligenz (KI) für die Innere Medizin ebenfalls ein solcher universeller Problemlöser sein? Auf dem DGIM-Jahreskongress in Wiesbaden ging Dr. Isabella Wiest dem Potenzial – und den Limitationen – der KI-Helfer nach.

Um also sicherzustellen, dass die mithilfe des Software-Dienstes strukturierten Daten auch verlässlich sind, ist besondere Expertise gefragt. Dr. Theresa Ahrens, Leiterin der Abteilung Digital Health Engineering vom Fraunhofer IESE, betont: „Wenn wir große Sprachmodelle im Gesundheitswesen verantwortungsbewusst einsetzen und so deren Potenzial ausschöpfen wollen, ist es notwendig, entsprechende Sicherheitsmechanismen aufzusetzen. Das Fraunhofer IESE hat mit der Entwicklung des sogenannten Uncertainty Wrappers dafür schon eine wichtige Vorarbeit geleistet, auf die wir bei diesem Projekt aufbauen können.” Beim Uncertainty Wrapper handelt es sich um ein Tool, welches Unsicherheiten in KI-Modellen quantifiziert, verwaltet und reduziert. 

Die zweite große Herausforderung für FHIR-Starter besteht in der verantwortungsbewussten und DSGVO-konformen Verarbeitung der sensiblen medizinischen Daten. Marktübliche LLMs nutzen für gewöhnlich Server im Ausland, die den Sicherheitsanforderungen des Konsortiums jedoch nicht entsprechen. Stattdessen wird der zu entwickelnde Software-Dienst daher auf Open Source LLMs basieren, die jeweils auf den eigenen Servern der Anwender laufen. Auf diese Weise entsteht ein in sich geschlossenes und sicheres System, das darüber hinaus den DSGVO-Anforderungen entspricht. 

Die Anwendungsmöglichkeiten des Software-Dienstes sind vielseitig. Für die Charité bietet FHIR-Starter beispielsweise die Möglichkeit, in Zukunft medizinische Daten der Forschung in anonymisierter Form zugänglich zu machen. Umgekehrt will sich Insiders Technologies darauf fokussieren, Digitalisierungsprozesse von Praxen und Krankenhäusern mithilfe des Software-Dienstes zu automatisieren. Das Konsortium ist über die bestehenden Projektpartner hinaus offen für weitere Kooperationen. 

Losgelöst von den bereits definierten Projektzielen hat FHIR-Starter laut Theresa Ahrens auch das Potenzial, die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) auf eine völlig neue Stufe zu heben: „Mit dem Software-Dienst könnten sich Ärzte langfristig Laborwerte beispielsweise im Zeitverlauf anzeigen oder Medikamentenlisten automatisiert erstellen lassen. Mit den strukturierten Daten ließe sich die ePA vollständig und sinnvoll digitalisieren.“ 


Quelle: Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE

21.02.2025

Verwandte Artikel

Photo

News • Studie zu LLM und Patientendaten

KI-Sprachmodelle für die Radiologie auf dem Prüfstand

Können große Sprachmodelle (LLMs) dabei helfen, radiologische Befunde zu strukturieren, ohne dabei den Schutz von Patientendaten zu gefährden? Eine neue Studie liefert vielversprechende Ergebnisse.

Photo

News • Kooperation zu strukturierter befundung

KI stärker in den Radiologie-Alltag integrieren

Eine Kooperation zwischen dem Uniklinikum Freiburg und Dedalus HealthCare soll KI-Anwendungen noch tiefer in radiologische Abläufe integrieren und Daten besser für die Forschung nutzbar machen.

Photo

News • Künstliche Intelligenz

Wie große Sprachmodelle die Medizin voranbringen können

Unterstützung bei Diagnostik, Dokumentation und Versorgung: Eine Forschungsgruppe zeigt, wie Large Language Models (LLM) die Gesundheitsversorgung und Forschung verbessern könnten.

Verwandte Produkte

Newsletter abonnieren