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EU macht Ernst mit dem Strahlenschutz
Der Schutz von Patienten und Mitarbeitern vor Strahlen bei einer Röntgenuntersuchung wird in Deutschland durch die Röntgenverordnung und die Leitlinien der Bundesärztekammer geregelt.
Danach sind Körperbereiche, die bei der vorgesehenen Anwendung von Röntgenstrahlung nicht von der Nutzstrahlung getroffen werden müssen, vor einer Strahlenexposition so weit wie möglich zu schützen (RöV§25(3)). Typischerweise wird dies durch Einblendungen und die Verwendung von Strahlenschutzmitteln erreicht.
„Bei Projektionsaufnahmen, wie einer Thoraxuntersuchung, wird häufig so verfahren. Allerdings hapert es beim Strahlenschutz im CT und das obwohl hier die Notwendigkeit aufgrund der höheren Dosiswerte sehr viel größer ist“, erklärt Prof. Dr. Martin Fiebich, Professor für Bildgebung an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Doch das soll sich in Zukunft ändern. Zurzeit wird eine Empfehlung für die Verwendung von Strahlenschutzmitteln erarbeitet. Ihre Verabschiedung wird auch Änderungen für die Arbeit der MTRA mit sich bringen, vor allem müssen dann häufiger Strahlenschutzmittel verwendet werden als es bisher der Fall ist. „Aufgrund der höheren Dosiswerte ist es durchaus sinnvoll, im CT auch Strahlenschutzmittel anzuwenden. Mit relativ wenig Aufwand lässt sich eine große Wirkung erzielen“, so Fiebich.
Geringer Aufwand, große Wirkung: Strahlenschutzmittel
Der Schilddrüsenschutz hat einen hohen Effekt und ist leicht anzulegen
Martin Fiebich
Wenn bei einer Computertomographie des Hirnschädels die Augenlinse im oder nahe am Strahlengang liegt, können die Augen mit Hilfe von Blei oder einer Strahlenschutzbrille abgedeckt werden. Die Strahlenexposition des den untersuchten Bereich angrenzenden Gewebes ist natürlich deutlich geringer als die des direkt exponierten Gewebes, aber trotzdem nicht zu vernachlässigen. Deshalb sollten auch weitere Hilfsmittel angewendet werden, um auch Schilddrüse, Sternum, Brust und die Schultern vor Streustrahlung zu schützen. Dadurch kann die Strahlenexposition der Brust um 75 Prozent auf ca. 0,1 Milligray reduziert werden. „Bei der Mammographie liegt die Exposition bei einem bis zwei Milligray, also beim Zehn- bis Zwanzigfachen einer abgedeckten Brust. Diese Abdeckung ist also sehr hilfreich, sehr einfach zu handhaben und sollte auf jeden Fall angewendet werden.“ Und auch die Reduktion der Strahlenbelastung bei der Schilddrüse liegt mit dieser Maßnahme noch bei etwa 45 Prozent und beim Sternum bei etwa 75 Prozent.
Auch bei einer Thorax-CT erachtet der Experte einen Schilddrüsenschutz für sinnvoll, ebenso wie die Abdeckung des Abdomens. Was bei Schwangeren unumgänglich ist, kann auch bei anderen Patienten hilfreich sein, auch wenn die Umwicklung des Patienten auf der Gantry zur Positionierung der Bleidecke die Anwendung aufwendiger und schwieriger macht. Fiebich: „Der Schilddrüsenschutz hat einen hohen Effekt und ist leicht anzulegen; man spart hier etwa 30 Prozent bei einer von ca. 8 mGy Organdosis ein. Beim Abdomen liegt die Einsparung auch bei etwa 30 Prozent, aber bei einer sehr viel geringeren Dosis, so dass man hier Werte im Microgray-Bereich erreicht. Zum Vergleich: Mit dem Gonadenschutz spart man bei der Thoraxaufnahme des Mannes im Idealfall 150 Nanogray, bei der Frau aber weniger, da die Ovarien im Körperstamm liegen, die nicht so gut abzudecken sind.“ Unumgänglich ist nach Ansicht von Prof. Fiebich die Hodenkapsel bei Becken-Abdomen-Untersuchungen, allerdings nur wenn die Abdeckung keine relevanten Bereiche verdeckt.
Primäre Dosisreduktion
Weiterhin besteht natürlich auch die Möglichkeit, primär die Dosis zu senken, die den Hauptanteil an der Strahlenexposition hat. Bei der CT kann mit der iterativen Rekonstruktion eine Dosiseinsparung von bis zu 50 Prozent erreicht werden. „Das ist das vorrangige Mittel zur Dosisreduktion, weil dadurch die generelle Exposition reduziert wird und nicht nur die der Umgebung. Allerdings muss man über die entsprechende Ausrüstung dafür verfügen“, schildert der Strahlenschutzexperte. Ansonsten kann man noch einige allgemeine Optimierungsmaßnahmen durchführen, nämlich erstens den Scanbereich so kurz wie möglich wählen und nur das darstellen, was gesehen werden muss, zweitens die Röhrenstrommodulation verwenden, wodurch eine Einsparung von 20 Prozent möglich wird und drittens generell die Dosis soweit runterstellen wie möglich.
Experten für die Protokolle
Derzeit müssen die Untersuchungsprotokolle immer mit dem Arzt festgelegt werden. Nach einer neuen EU-Richtlinie ist dafür ab 2018 der medizinische Physikexperte zuständig. Bisher ist dieser nur in der Strahlentherapie gefordert und in der Nuklearmedizin hat er eine beratende Rolle. In gut einem Jahr wird er auch für die Röntgendiagnostik erforderlich, in erster Linie um CT-Protokolle und Interventionen zu optimieren. „Es gibt dann endlich einen Hauptverantwortlichen für die Dosisoptimierung und es läuft nicht nur im Nebengeschäft. Bei über 300 Programmen ist das bislang von den Ärzten kaum zu leisten. Man erhofft sich dadurch Dosiseinsparungen bei Strahlenuntersuchungen und -interventionen von 30 Prozent. Da CT und Intervention heute 80 Prozent der Strahlendosis in der Radiologie ausmachen, ist das ein erhebliches Potenzial“ so Prof. Fiebich erleichtert. Bei derzeit 14 Masterstudiengängen Medizinphysik im deutschsprachigen Raum werden auch genug Fachleute für die Umsetzung der neuen Richtlinie zur Verfügung stehen, auch wenn den Berufsanfängern die Optimierung zunächst schwerfallen dürfte. Nach einer Übergangszeit von drei bis vier Jahren wird es nach Fiebichs Meinung dann aber richtig rund laufen, so dass es sich für Kliniken sicher lohnen wird, einen Medizinphysiker einzustellen.
Profil:
Das Physikstudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster schloss Prof. Dr. Martin Fiebich ab mit einer Promotion in theoretischer Medizin zum Thema: Untersuchung zur Qualitätssicherung der digitalen Lumineszenzradiographie. Von 1996-1998 forschte er mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den Kurt Rossmann Laboratories der University of Chicago. Danach war er wieder wie schon vor seinem US-Aufenthalt Systemverantwortlicher für das Radiologische Informationssystem (RIS) und das digitale Bildarchivsystem (PACS) am Institut für Klinische Radiologie an der Uni Münster. Im Jahr 2000 wurde er zum Professor für die Fachgebiete Bildgebende Verfahren, Medizinische Physik und Bildverarbeitung an der Technischen Hochschule Mittelhessen berufen.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Tagungsraum 1+2,
Freitag, 04.11.2016, 8:15 - 8:45 Uhr
Strahlenschutz für Patient und Personal am CT
Martin Fiebich, Gießen
Session: MTRA-Fortbildung
02.11.2016