Self Care
EU: Kosten-/Nutzenanalyse von Selbstversorgungsinitiativen
Europäische Gesundheitssysteme müssen bedingt durch strenger werdende ökonomische Regimes und Druck auf öffentliche Finanzen die Ausgabenentwicklung moderat halten und dürfen gleichzeitig die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung qualitativ nicht begrenzen. Als ein taugliches Mittel zu solchen Effizienzsteigerungen wird die Selbst- oder Laienversorgung der Bevölkerung gesehen. Gezielte Initiativen, wie etwa internet- oder telefonbasierte Informationsdienste, aber auch Veränderungen in den Erstattungs- und/oder Verschreibungsregimes von Medikamenten können dieses Bestreben forcieren.
Ausgehend von einer Bestandsaufnahme bestehender Selbstversorgungsinitiativen in Europa untersuchte die GÖG GHÖ im Auftrag von DG SANTE (1) internet- oder telefonbasierte Informationsdienste, (2) veränderte Erstattungsregimes für zuzahlungsbefreite Populationen („Minor Ailments Schemes“) sowie (3) veränderte Verschreibungsregimes von Medikamenten („Independent Prescribing“) in Hinblick auf deren Kosten und Nutzen. Die Kosten-/Nutzenanalyse berücksichtigt dabei unterschiedliche Perspektiven und erlaubt damit Ausmaß und Richtung des Nettonutzens differenziert nach Patienten-, Anbieter-, Zahler- sowie gesellschaftlicher Dimension zu betrachten:
Die bereits implementierten Selbstversorgungsinitiativen bringen insbesondere aus Patientensicht höheren Nutzen - bedingt durch Zeiteinsparungen bei ärztlichen Kontakten - wobei dieser Nutzen sogar gegebenenfalls höhere Selbstzahlungen für Medikamente übertrifft (keine höheren Selbstzahlungen bei sog. „Minor Ailment Schemes“). Für ambulante Gesundheitsversorger führen entfallende Einnahmen zu einem negativen Nettonutzen, während aus Zahlerperspektive die zum Teil entfallende Erstattung für eine geringere Anzahl verschriebener Medikamente als Nutzen verbucht werden kann. Wird der höhere Beratungsaufwand bei Medikamentenabgabe nicht abgegolten, kommt es auch auf Apotheken-Ebene zu erhöhtem Aufwand und damit negativem Nettonutzen.
Inwiefern ein gesellschaftlicher Nettonutzen erzielt werden kann, hängt in weiterer Folge von den laufenden betrieblichen Kosten der Selbstversorgungsinitiativen ab, die im Regelfall die Zahler und Zahlerinnen unmittelbar übernehmen.
Nach Analyse der unterschiedlichen Initiativen tritt v. a. mit internet- oder telefonbasierten Informationsdiensten auch bei vergleichsweise geringen Verhaltensänderungsquoten (rund 5 Prozent vermiedene ärztliche Kontakte) bereits ein positiver gesellschaftlicher Nutzen ein, ebenso bei allfälligen Veränderungen des Erstattungsregimes.
Link zum Bericht: http://ec.europa.eu/health/patient_safety/docs/2015_selfcaresystemsstudy_en.pdf
Quelle: Gesundheit Österreich GmbH
04.11.2015