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Endoskopie: Durchs „Schlüsseloch“ oder über den Bauch?
Rund 200.000 Gallenblasen entnehmen Ärzte jährlich, die meisten mit dem Goldstandard: der minimal-invasiven Schlüssellochchirurgie. Zwar lassen sich Gallenblase oder Blinddarm durch eine klitzekleine Körperöffnung zwängen – nicht jedoch große Tumore.
Bericht: Anja Behringer
Auch bei Gelenk- und Knochenproblemen an Knie, Schulter oder Ellbogen profitieren Patienten von der Schlüsselloch-Technik. Die Vorteile sind offensichtlich: kleine Schnitte, weniger Blutverlust, schnelle Mobilisation, insgesamt ein geringeres OP-Risiko gerade bei älteren Patienten. Durch die ca. 5-fache Vergrößerung und der sehr hohen Auflösung der Minikameras an den Endoskopen, bietet dieses Verfahren eine sehr gute Genauigkeit der anatomischen Betrachtung und Schonung wichtiger Organe, Gefäße und Nerven im Bauchraum und kommt somit dem Patienten zum Wohle.
Besonders die Viszeralchirurgie profitiert von der Technik, deren Einzug in die Medizin vor mehr als zwei Dekaden große Euphorie auslöste. Dennoch hat sie sich gegenüber offenen Eingriffen in bestimmten Bereichen noch nicht so recht durchgesetzt, was ein Vergleich mit dem Ausland zeigt. Professor Dr. med. Ayman Agha, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endokrine, und minimal-invasive Chirurgie in München Bogenhausen, zeigt das anhand einer aktuellen Statistik zur minimal-invasiven (laparoskopischen) Operationstechnik bei Mastdarmkrebs. In Dänemark werden 90%, in den Niederlanden 80%, in England 50% und in Deutschland nur 30% dieser Eingriffe laparoskopisch durchgeführt. Obwohl die Evidenzlage derzeit beide Verfahren als gleichwertig sieht und sogar Vorteile zugunsten der Laparoskopie zeigt, sind die Gründe für diese Unterschiede in Europa aus Sicht von Prof. Agha folgende:
- Die minimal-invasive Chirurgie stellt beim Mastdarmkrebs technisch für viele Chirurgen eine echte Herausforderung dar.
- Möglicherweise spielt die Altersstruktur eine entscheidende Rolle: Die „ältere Generation“ bevorzugt die bewährte herkömmliche chirurgische Methode zur Behandlung von Patienten mit Mastdarmkrebs während die junge Generation neuen und innovativen Operationstechniken gegenüber eher offen sind.
- Es ist eine besondere Expertise durch eine hohe Anzahl dieser anspruchsvollen Operationen notwendig. Die Beherrschung dieser Technik braucht viel Übung.
Seit 2002 leitet und begleitet er klinisch-wissenschaftliche Projekte in der minimal-invasiven kolorektalen und endokrinen Chirurgie und macht selber 95% der Eingriffe bei Mastdarmkrebs laparoskopisch. Seit der Einführung der minimal-invasiven Chirurgie in den 90er Jahren bei Dick- und Mastdarmkrebs wurde befürchtet, dass solche bösartige Tumore möglicherweise laparoskopisch nicht sauber zu entfernen seien und die Patienten dadurch vielleicht einen Überlebensnachteil haben könnten. Inzwischen haben mehrere große internationale Studien solche Bedenken dementiert. Im Langzeit-Outcome nach einem minimal-invasiven Eingriff sind noch mindestens genauso viele Patienten am Leben wie nach einer offenen OP. Ebenso ist die Rückfallquote eines solchen bösartigen Tumors nach beiden Verfahren gleich.
Dennoch sagt der Experte für chronisch entzündliche Darmerkrankungen, dass man durchaus bei dem Auswahlverfahren zur jeweiligen Operationstechnik die Patienten selektionieren sollte, ob es sich um eine gutartige oder bösartige Erkrankung handelt. Denn die Lokalisation des Tumors (Ob Dickdarm oder Mastdarm), die Größe des Tumors und der Body-Maß-Index spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Vor allem die Optik hat sich stark verbessert mit gestochen scharfen Bildern des Körperinneren an hochauflösenden Monitoren
Trotz der rasanten Entwicklung der minimal-invasiven Chirurgie in den letzten Jahren und insbesondere der hervorragenden technischen Ausstattung, stellt sich die Frage, ob es Grenzen für solche minimal-invasive Operationstechniken gibt, erklärt Prof. Agha. Es werden zwar Eingriffe minimal-invasiv operiert, er sieht aber weiterhin die offene herkömmliche Chirurgie bei großen Leberresektionen zum Beispiel weiterhin als Standartverfahren. Dies gilt seiner Meinung nach wie vor für große Tumore die in der Bauchspeicheldrüse im Kopfbereich angesiedelt sind. Dahingegen können minimal-invasive Verfahren bei gutartigen und bösartigen Bauchspeicheldrüsentumore die im Pankreasschwanz zu liegen kommen, mit guten Ergebnissen durchgeführt werden.
Die Zahl jener Chirurgen, die sich minimal-invasiv an Tumore anderer Bauchorgane wagen, wie Bauchspeicheldrüse, Leber, Magen oder Speiseröhre durch die Weiterentwicklung und Verbesserung der Bedingungen für die minimal-invasiven Operationstechnik, nimmt ebenfalls zu. Eine erfolgreiche Schlüssellochchirurgie bedingt allerdings eine lange Lernkurve oder macht eine lange Lernkurve notwendig. Diese dauert bei minimal-invasiven Eingriffen erfahrungsgemäß deutlich länger als bei offenen Eingriffen. Die deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie bietet ein Zertifizierungsverfahren an, für das die Ärzte unter anderem eine Mindestzahl an Operationen nachweisen müssen. Denn die deutlichen Vorteile der Endoskopie birgt die Gefahr, dass unerfahrene Operateure Hand anlegen und es zu Komplikationen kommt. Allerdings weiß man nach mehr als zwanzigjähriger Erfahrung mit dem Verfahren heute recht genau, wann es geeignet ist und wann besser konventionell operiert werden muss. In manchen Fällen hat die minimal-invasive Technik nämlich unvertretbare Nachteile, beispielsweise, wenn frühere Eingriffe sehr starke Verwachsungen im Bauch hinterlassen haben oder wenn bei komplexen Krebsoperationen mehrere Bauchorgane betroffen sind.
Technische Fortschritte erleichtern den Ärzten zunehmend ihre Arbeit durch immer kleinere Instrumente im Millimeterbereich. Vor allem aber die Optik hat sich stark verbessert mit gestochen scharfen Bildern des Körperinneren an hochauflösenden Monitoren. Und die 3-D-Technik gibt einen weiteren Schub und verkürzt die Lernphase des medizinischen Nachwuchses.
14.01.2019