Ein Y für die Aorta

Stentgrafts sind als Therapie des abdominellen Aortenaneurysmas dabei, der offenen Operation den Rang abzulaufen.

Ass.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Martin Funovics
Ass.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Martin Funovics
Röntgenbild (Angiographie) der Bauchaorta mit Aneurysma vor Einsetzen eines...
Röntgenbild (Angiographie) der Bauchaorta mit Aneurysma vor Einsetzen eines Stentgrafts

„Die Behandlung des abdominellen Aortenaneurysmas mit einem endovaskulären Stentgraft ist ein Gebiet, auf dem sich viel tut“, erklärt Univ.-Doz. Dr. Martin Funovics, Radiologe an der Universitätsklinik für Radiodiagnostik und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien: „Die Erweiterung der anatomischen Grenzen und die Dauerhaftigkeit des Ergebnisses werden intensiv beforscht und erweitert.“

Mit dem Stentgraft wird ein durch ein Aneurysma geschwächter Abschnitt der Aorta ausgekleidet, wodurch die Arterienerweiterung entlastet und eine Ruptur verhindert wird. Ein herkömmlicher Stentgraft ist ein Y-förmiges Rohr und besteht aus einem kurzen Schlauch aus synthetischem Gewebe (Graft) mit einer inneren Metallstruktur (Stent). Dieser wird in zusammengefalteter Form von der Leiste aus über eine der Beckenarterien eingeführt, am Aneurysma abgesetzt und entfaltet. Ein Ast des Y legt sich oben in der Aorta, ein anderer unten in einer Beckenarterie an. Der dritte Ast wird durch die andere Beckenarterie eingeführt und platziert.

60 bis 70 Prozent der entdeckten Aneurysmen der Bauchaorta sind auf diese Art behandelbar. Die anatomischen Voraussetzungen dafür sind, dass die Gefäße vor und nach der Aussackung noch einen einigermaßen normalen Durchmesser haben, insbesondere braucht man einen Hals in der Länge von rund 15 Millimetern, bevor das Aneurysma beginnt. Aneurysmen, die zu knapp an einer von der Bauchaorta ausgehenden Arterie liegen, konnten bislang nicht behandelt werden. „Das Allerneueste sind nun Stentgrafts mit weiteren Abzweigungen für derartige Arterien: für die Nierenarterien, ja sogar für die Leber- und die Darmarterie“, berichtet Funovics. Auf diese Weise erhält der Stentgraft auch zusätzliche Stabilität, sodass Aneurysmen behandelt werden können, selbst wenn es keinen Hals oberhalb der Arterienerweiterung gibt.

Zahlenmäßig ist die Therapie mittels Stentcraft gerade dabei, die offene Operation, bei der künstliches Aortengewebe in die Gefäßwand eingenäht wird und das Aneurysma so überbrückt, zu überholen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung steigt auch die Anzahl der entdeckten Aneurysmen, die hauptsächlich ab dem 65. Lebensjahr auftreten. „Bei einfachen anatomischen Verhältnissen ist es deshalb sinnvoll, diese Methode auch anderen Fächern zugänglich zu machen“, sagt Funovics. In Österreich ist es nämlich so, dass die Behandlung des abdominellen Aortenaneurysmas mit einem Stentgraft noch überwiegend den Radiologen obliegt. In Deutschland haben ja die Gefäßchirurgen die Methode an sich gerissen: Weil die Krankenkassen derartige Eingriffe nur noch bezahlen, wenn sie von Gefäßchirurgen durchgeführt werden, werden diese nicht mehr von interventionellen Radiologen durchgeführt. Diese Entwicklung hält Funovics für falsch: „Je härter es an die anatomischen Grenzen geht, desto mehr Erfahrung mit endovaskulären Methoden ist erforderlich“, bekräftigt der österreichische Radiologe. Und hier seien nun einmal die interventionellen Radiologen die Experten.

Noch können Ärzte beziehungsweise Aneurysmapatienten entscheiden, ob sie lieber einen Stentgraft oder eine offene Operation wollen. Der Vorteil des Stentgrafts ist die geringere Belastung durch den Eingriff und die geringere Mortalität bei der OP und in der ersten Zeit nach dem Eingriff. Der Nachteil, der vor allem bei jüngeren Patienten zum Tragen kommt, ist die noch nicht optimale Dauerhaftigkeit der Therapie: „In 10 bis 15 Prozent der Fälle muss beim Stentgraft im Laufe des Patientenlebens nachgebessert werden“, räumt Funovics ein, „immerhin reicht dazu oft eine einfache Punktion.“

Im Profil
Ass.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Martin Funovics ist Oberarzt an der Klinischen Abteilung für Kardiovaskuläre und Interventionelle Radiologie der Universitätsklinik für Radiodiagnostik an der Medizinischen Universität Wien. Seine Schwerpunkte liegen in der onkologischen Intervention und in der Forschung: Der in Wien geborene Mediziner ist Leitender Oberarzt im Fachbereich „Experimentelle Radiologie“ und Leiter des Grundlagenforschungslabors seiner Abteilung.

 

29.05.2014

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