Millimeterarbeit an der Aortenklappe
Die Aortenklappenstenose gehört zu den typischen Verschleißerscheinungen, die im fortgeschrittenen Alter auftreten. Leichte oder mittelschwere Formen haben prinzipiell eine gute Prognose. Hochgradige, klinisch symptomatische Stenosen führen jedoch zu einer deutlichen Verringerung der Lebenserwartung: Wird die Stenose nicht beseitigt, versterben drei von vier Patienten in den ersten drei Jahren nach dem Auftreten klinischer Symptome.
Das Problem bei einer Operation: Viele Patienten zählen zur Hochrisikogruppe für einen operativen Eingriff, bis zu ein Drittel gilt sogar als nicht-operabel. Eine schonendere Alternative bietet die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Für die Planung dieses Eingriffs hat sich die Computertomographie als Bildgebungsmodalität mit der größten Genauigkeit erwiesen.
„Behandelt man einen Patienten mit Aortenklappenstenose, ist es sehr schwer vorauszusagen, ob sich der Stenosegrad so weit verschlechtern wird, dass irgendwann ein chirurgischer Ersatz angezeigt ist“, stellt Assistenzarzt Florian Schwarz vom Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München fest. „Um nur diejenigen Patienten einer Operation zu unterziehen, die wirklich davon profitieren, schreiten Herzchirurgen häufig erst dann zur Tat, wenn der Patient symptomatisch wird und unter Brustschmerzen, rapider Leistungsabnahme oder Synkopen leidet. Dann sind die Betroffenen aber oft hochbetagt, leiden an zahlreichen anderen Erkrankungen und sind für einen großen chirurgischen Eingriff am offenen Herzen eigentlich ungeeignet.“
Eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation bietet die Option, bei inoperablen oder Hochrisikopatienten trotzdem einen Klappenersatz durchzuführen. Für die Umsetzung der Methode erfüllt die Planung mittels CT mehrere wichtige Grundvoraussetzungen. Zunächst einmal bei der diagnostischen Gesamtbeurteilung, erklärt der Radiologe: „Das Durchschnittsalter der Patienten, die für eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation in unsere Klinik kommen, liegt bei ungefähr 80 Jahren. Das heißt, sie sind meist multimorbid. Da kommt es schon mal vor, dass wir beispielsweise auf ein bis dahin unbekanntes Nierenzell- oder Bronchialkarzinom stoßen, das meist vorrangig behandelt werden muss.“
Können relevante Pathologien jedoch ausgeschlossen werden, geht es weiter mit der Bestimmung der richtigen Prothesengröße. Diese variiert nicht nur aufgrund der individuellen Disposition, oft sind es auch degenerative Veränderungen, die die anatomischen Verhältnisse an der Aortenwurzel maßgeblich bestimmen. Anhand der Bilddaten lässt sich der Durchmesser des Aortenanulus exakt berechnen und die richtige Prothesengröße aussuchen. Mittlerweile stehen drei Klappengrößen zur Verfügung, die von den beiden Herstellern Medtronic (Medtronic Corevalve®) und Edward Lifesciences (Edwards Sapien XT®) angeboten werden.
Mit dieser Auswahl können 90 % aller Patienten versorgt werden.
Durch die Planung im CT werden auch viele Informationen gewonnen, die für den Eingriff an sich relevant sind, erklärt Florian Schwarz. Nicht nur am Herzen selbst, sondern auch in den arteriellen Gefäßen, die als Zugang für das Einbringen der Klappenprothese an Ort und Stelle dienen: „Häufig ist bei den Patienten die gesamte Aorta verkalkt und es finden sich Engstellen von der Beckenstrombahn bis zum Aortenbogen. Die Frage lautet dann: Lässt sich die Klappenprothese, die immerhin eines der größten Implantate in der Kardiologie darstellt, überhaupt bis zu der verengten Klappe vorschieben?“
Mit fast mikroskopischer Auflösung von 0,4 mm in alle Raumrichtungen können im CT viele weitere Details abgeklärt werden, die für den Kardiologen von gravierender Bedeutung sind: Wie ist die Verkalkung zwischen den drei Segeln verteilt? Wie stark ist die Ebene der Aortenwurzel gegenüber der Horizontalen und Vertikalen geneigt? Weisen die Klappentaschen irgendwelche Besonderheiten auf? Entscheidend ist auch der Abstand der Koronarostien zu der Aortenklappenebene, ergänzt Schwarz. Hier geht es um Millimeterarbeit: „Normalerweise beträgt der Abstand etwa 10 mm. In seltenen Fällen ist er aber auch geringer. Das birgt die Gefahr, dass beim Öffnen der künstlichen Klappe die Segel der verengten Aortenklappe verschoben werden und die Herzkranzgefäße verschließen. Das hätte einen schweren Herzinfarkt zur Folge. Deshalb intervenieren Kardiologen nur bis zu einem Abstand von ≥ 8 mm.“
Auch wenn die minimalinvasive Transkatheter-Aortenklappenimplantation zurzeit nur bei Patienten zum Einsatz kommt, die entweder inoperabel sind oder ein hohes operatives Risiko tragen, ist Florian Schwarz überzeugt, dass die Indikationen sich in Zukunft ausweiten werden. „Diese Entwicklung wird auch von den Patienten ausgehen, die sich ein schonenderes und in der postoperativen Phase weniger schmerzhaftes Verfahren wünschen“, glaubt er. „Der herzchirurgische Ansatz wird aber seit fast 50 Jahren praktiziert. Man muss sehr gute Argumente haben, wenn man eine Alternative anbieten möchte zu einem so fest etablierten Verfahren, das darüber hinaus prinzipiell ein so geringes Komplikationsrisiko aufweist. Vergleichsstudien in diese Richtung laufen bereits. Ganz ersetzen wird die Valvuloplastie die Herz-OP aber sicher nicht. Für Patienten, die neben der neuen Aortenklappe auch gleichzeitig einen Bypass benötigen, wird das operative Verfahren sicherlich weiterhin Methode der Wahl sein.“ Dennoch ist zu erwarten, dass Kardiologen in Zukunft häufiger an den Radiologen zur Planung eines minimal-invasiven Aortenklappenersatzes im CT herantreten werden.
Im Profil
Florian Schwarz, geboren 1983 in München, studierte Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Von 2004 bis 2011 nahm er am Förderprogramm für Forschung und Lehre des Max-von-Pettenkofer-Instituts teil.2008 führte ihn ein Auslandsaufenthalt nach Charleston, USA, an die Medical University of South Carolina (Schwerpunkt Herzbildgebung).
Seit 2009 ist Schwarz Assistenzarzt am Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der LMU München.
12.01.2012