Durchschaut: Der Zoll und sein Röntgenblick

Wer kennt sie nicht, diese Unschuldsminen bei der Passagierkontrolle auf die Frage, ob etwas zu verzollen sei. Hier deckt der Zoll die vermeintlichen Kavaliersdelikte auf, überwiegend Zigaretten, Parfum oder Alkohol in nicht erlaubten Mengen. Um kriminellen Schmuggel im großen Stil geht es hingegen bei internationalen Warenimporten

Unter enormer Vergrößerung und mit sehr viel Erfahrung können speziell...
Unter enormer Vergrößerung und mit sehr viel Erfahrung können speziell geschulte Zöllnerinnen und Zöllner auf ähnlichen Dichtebildern sogar losen Tabak von losem Tee unterscheiden.
Arnes Petrick
Arnes Petrick

So zum Beispiel im Hamburger Seezollhafen. Alle Waren, insbesondere solche, die von außerhalb in die EU kommen, müssen wahrheitsgemäß deklariert, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer müssen entrichtet werden. Allein der Zigarettenschmuggel generiert aber Steuerschäden in Milliardenhöhe. Wenngleich das Hauptaugenmerk der Zollverwaltung also auf fiskalischen Aspekten liegt, gehen den Beamtinnen und Beamten in der Hansestadt aber auch Drogen, Betäubungsmittel, Schuss- und Kriegswaffen bis hin zu Elefantenstoßzähnen in ihre „Röntgen-Falle“.

Seit 1996 ist im hiesigen Hafen, der zu den zehn größten Containerhäfen weltweit zählt, der Prototyp einer Großröntgenanlage im Einsatz: Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, abgesehen von kleinen Wartungspausen, werden mittlerweile im 10-Minuten-Takt stichprobenartig einzelne 20 bis 40 Fuß lange Container vollständig durchleuchtet und ihr Inhalt ausgewertet. Ganze Schiffsladungen umfassen 12.000 bis 14.000 Container, sodass eine erfolgversprechende Vorauswahl nur auf Basis einer sehr ausgewogenen Risikoanalyse erfolgen kann: EDV-gestützte Spürnasen ziehen Rückschlüsse aus den bereits vor dem Auslaufen aus dem Absendehafen beim Zoll eingehenden Voranmeldungen und der summarischen Voranmeldung der Waren durch den Importeur vor Ort, sobald dessen Sendung am Hamburger Kai angekommen ist. Ob allerdings in dem Container mit einer bestimmten Nummern- und Buchstabenfolge die avisierten Waren – und nur diese – enthalten sind?

Bis Mitte der 1990er Jahre mussten die Spediteure den zu inspizierenden Container öffnen, von Hand durchaus komplett entladen und den Zollbeamten alle darin befindlichen Waren zeigen. Von Gesetzes wegen dürfen die Zöllner selbst die Waren nicht anfassen, sie könnten sie ja beschädigen oder manipulieren. 12 bis 18 Stunden mussten dafür pro Container veranschlagt werden, ein enormer zeitlicher und damit auch finanzieller und personalaufwändiger Prozess.

Die Hamburger Containerprüfanlage ist weitaus effizienter und auch zuverlässiger: Wie in einer Waschstraße wird der zu prüfende Container mit konstanter Geschwindigkeit durch zwei Röntgenstrahlen hindurch gezogen: In dieser Zweistrahl-Anlage werden Bilder sowohl aus der Senkrechten als auch aus der Waagrechten produziert.

Die digitalen Aufnahmen werden vom Rechner zusammengesetzt. Das Ergebnis: Hochauflösende Dichtebilder, ohne Unterscheidung nach organischem oder anorganischem Ursprung. Speziell geschulte Beamte, die Bildauswerter, erkennen darauf nicht nur zerlegte Oldtimer, Hubschrauber oder Kriegswaffen. Sie können auch Haschischplatten von richtiger Isolierung unterscheiden, sowie unter enormer Vergrößerung und mit sehr viel Erfahrung sogar losen Tabak von losem Tee.

Für den Strahlenschutz der Zöllner ist ausreichend gesorgt: Obwohl es nicht einmal um „harte“ Röntgenstrahlen als vielmehr um den Einsatz eines Linearbeschleunigers geht, gleicht die Anlage von außen einem Bunker mit meterdicken Betonwänden und mit zwei Toren an Ein- und Ausfahrt, jedes 16 Tonnen schwer und 50 cm stark.

Dies ist die größte Anlage in der Bundesrepublik. Darüber hinaus sind hierzulande sechs teilmobile Röntgenanlagen im Einsatz. Mit diesen sog. CABs (Compact Accelerated Beam 2000) können immerhin noch ganze LKW durchleuchtet werden, allerdings nur mit einem Strahl. Mit zwölf vollmobilen Röntgenanlagen, die optisch Imbisswagen ähneln, werden je nach Bedarf, sei es auf Autobahnen oder bei der Post, größere Packstücke kontrolliert, durchaus noch bis zu einem Volumen von LKW-Reifen.

Die bundesweit 130 stationären Anlagen komplettieren das Ensemble vom „Röntgenblick des Zolls“. Ähnlich den Installationen auf den Flughäfen dienen sie überwiegend dazu, versuchte Steuerhinterziehungen aufzuspüren. Was sich zudem gleicht, sind stets die Unschuldsminen der Betroffenen bzw. ihrer Auftraggeber.

 

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Im Profil

Arnes Petrick trat 1982 in die Bundeszollverwaltung bei der Oberfinanzdirektion Hamburg ein. Nach seiner Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt leistete er Dienst an verschiedenen Zolldienststellen im Hamburger Hafen. Seit 2002 verantwortet der Hamburger die Pressearbeit für den Zoll in der Oberfinanzdirektion Hamburg, bzw. jetzt in der Bundesfinanzdirektion Nord.
 

08.05.2012

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