Die Surgical Planning Unit der Zukunft
Interview: Karoline Laarmann
Die Planung von Operationen ist eine komplexe Herausforderung: Neben radiologischen Bildbefunden aus CT und MRT stehen den Chirurgen mittlerweile viele weitere Informationsquellen, wie etwa f- MRT, PET oder Elektrophysiologie-Signale, zur Verfügung. Gerade für minimal-invasive Eingriffe sind diese zusätzlichen Bildinformationen von großer Wichtigkeit für die exakte Navigation im Körper.
Bisher ist es die Aufgabe des Chirurgen, diese Einzelinformationen aus unterschiedlichen Bilddaten allein durch sein Vorstellungsvermögen zusammenzufügen – das wird sich jedoch in Zukunft ändern, meint Prof. Dr. med. Jürgen Meixensberger, Director of the Board am Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Leipzig, Deutschland.
Das ICCAS an der Medizinischen Fakultät der Leipziger Universität hat einen weltweit einmaligen Hightech-Raum für die Operationsplanung entwickelt, in dem erstmals alle erhobenen Daten in einem digitalen 3-D-Patientenmodell animiert werden können. „Die Surgical Planning Unit (SPU) ist damit die ideale Plattform, um Operationen strategisch zu planen, in ihrer Komplexität zu besprechen und dadurch auch eine ideale Schulungsmöglichkeit für weniger erfahrene Operateure“, erklärte Prof. Dr. Meixensberger im Interview mit EUROPEAN HOSPITAL.
EH: Prof. Meixensberger, wie funktioniert die Kombination aus medizinischer Bildgebung und Informationstechnologie in der SPU?
In der Regel ist es heute so, dass den Chirurgen verschiedene Schnittbilder in verschiedenen Achsen, also axial, sagittal und koronar, von der Radiologie zur Verfügung gestellt werden. Sie müssen sich dann im Kopf selbst ein 3-D-Bild zusammensetzen. Das gelingt einem erfahrenen Operateur natürlich leichter, als einem weniger erfahrenen. In der SPU übernimmt die Informationstechnologie diese Aufgabe. Dazu generiert die Software aus der ursprünglichen Komplettinformation des Volumendatensatzes ein animiertes 3-D-Organbild. Auf den errechneten Bildern lassen sich dann einzelne Schichten, wie Haut oder Knochen, separat abtragen, so dass sich genau erkennen lässt, wo beispielsweise ein Tumor liegt und welche sensiblen Bereiche, wie Arterien oder Nerven, involviert sind.
EH: Ist die Surgical Planning Unit damit der Chirurgische Arbeitsplatz von morgen?
Absolut. Mithilfe der SPU kann nicht nur die beste Operationsmethode für das individuelle Krankheitsbild diskutiert werden, sondern der chirurgische Eingriff kann auch virtuell oder am Gipsmodell simuliert werden. So lassen sich komplizierte und neuartige Eingriffe optimal üben. Die SPU ist daher z.B. auch die ideale Plattform um im Rahmen eines Tumorboards Fälle in ihrer Komplexität zu besprechen und eine operative Strategie festzulegen: Wie ist die Beziehung der Risikostrukturen ? Wo liegen die Resektionsränder des Tumors? Wo ist der beste Zugang?
Außerdem werden die Gesamtdaten in einem weiteren Schritt mit den chirurgischen Assistenzsystemen, wie Instrumentennavigation oder Abstandswarnsysteme verknüpft, so dass wir die Modellinformationen direkt in den OP-Saal bringen. Der Chirurg kann sich damit voll und ganz auf das Operationsgeschehen konzentrieren.
EH: Generell lässt sich die SPU jedoch auf alle operativen Eingriffe anwenden?
Natürlich. Am ICCAS widmen wir uns speziell klinischen Fragestellungen im Bereich HNO, Neurochirurgie und Herzchirurgie, so forschen wir u.a. in einem SPU-Projekt nach dem idealen Herzklappen-Ersatz oder der ideale Hörprothese. Aber andere Anwendungsfelder, z.B. die Weichteilchirurgie im Bereich der Leber, können genauso gut davon profitieren. Man muss natürlich beachten, dass die Aufbereitung eines virtuellen 3-D-Modells aus verschiedenen Bildmodalitäten momentan noch sehr zeitaufwändig ist. Wenn man 10. Mio Datenpunkte aus einem Volumendatensatz in ein Organ-Modell umwandeln möchte, dann dauert das einen ganzen Tag. Deshalb versuchen wir im Rahmen unserer Forschungs- & Entwicklungsarbeit die technische Datenverarbeitung noch weiter zu beschleunigen, damit irgendwann alle klinischen Fälle, nicht nur die komplexen, geplant werden können.
EH: Wie viel kostet eine SPU?
Unser SPU-Prototyp wurde vom Freistaat Sachsen finanziert und kostete 700.000 Euro. Die Integration von Hardware- und Infrastruktur sind der aufwändigste Teil. Wir haben aber bereits Anfragen aus den USA und Frankreich bekommen, die an dem Konzept interessiert sind. Bei der SPU handelt es sich darüber hinaus um eine völlig neuartige Raumkultur innerhalb eines Krankenhauses. Deshalb beschäftigen wir uns auch mit der Frage, wo der optimale Punkt für so einen Planungsraum wäre. Die Operationsplanung und – simulation ist weder an die Radiologische Abteilung, noch an den Operationssaal gebunden, sondern geschieht unabhängig von Diagnosestellung und Operationsdurchführung. Deshalb könnte die SPU auch telemedizinsch über räumliche Distanz hinweg genutzt werden. Ich glaube, dass zumindest an Kliniken, die sehr komplexe OP-Leistungen erbringen, es schon bald die ersten SPUs geben wird.
26.05.2010