Die Doppelspitze im Leber-Tumorboard

Präzise Diagnose und schonende Therapie – neue Ansätze für Interventionen

Gemeinsam mit Chirurgen, Internisten und Strahlentherapeuten sitzen die Radiologen in den Tumorboards. Sie präsentieren – als „Doppelspitze“ – die Bilder und stellen Optionen der interventionellen Therapie für den jeweiligen Fall vor.

Prof. Dr. Christian Stroszczynski
Prof. Dr. Christian Stroszczynski

Im interdisziplinären Konsens wird nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft entschieden. Die Leber ist in diesem Kontext das Organ, bei dem Radiologen sowohl als diagnostischer als auch behandelnder Partner zu Stahl, Strahl und Chemotherapie überzeugend auftreten können, erläutert Prof. Dr. Christian Stroszczynski, Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg. Als viertes Standbein hat die Radiologie bei diesem häufig befallenen, robusten Organ eine ganze Palette an lokalen Therapieoptionen anzubieten, die schonend und effektiv sind.

„Elektroschocks“ als neue Therapieoption

In den letzten zwanzig Jahren haben sich minimalinvasive Methoden bei der Tumorbehandlung durchgesetzt und sind inzwischen – neben chirurgischen Eingriffen – auch in Leitlinien eingeflossen. Eine neue Behandlungsmethode, die Radiologen künftig in die Diskussionen der Tumorboards anbieten können, ist die „irreversible Elektroporation“ (IRE). „Dieses schonende Verfahren haben wir in Regensburg mit weiterentwickelt und über fünfzigmal zur Anwendung gebracht, insbesondere bei der Behandlung von Leberzellkarzinomen und von Metastasen in der Leber“, so Prof. Stroszczynski. Langzeiteffekte von IRE werden zurzeit in Studien getestet.

Das Verfahren ermöglicht die selektive Zerstörung von Zellen durch starke, örtlich begrenzte elektrische Felder. Mehrere tausend Volt starke, wenige Mikrosekunden kurze elektrische Impulse, appliziert durch Nadeln im Tumorgewebe, bewirken eine dauerhafte Öffnung der Zellmembranen, was schließlich zum Platzen der wasserführenden Zellen und zur Apoptose im definierten Leber-areal führt. Der Eingriff wird bildgestützt durchgeführt.

IRE schont kritische Strukturen

„Während es bei Radiofrequenz- und Mikrowellenablation durch den Abtransport der therapeutischen Hitze aus dem Tumor durch größere Gefäße zur unvollständigen Zerstörung des Tumors kommen kann, tritt diese Schwierigkeit bei IRE nicht auf“, betont der Lehrstuhlinhaber und Klinikdirektor. Ferner werden bei thermischen Therapieformen alle Gewebeelemente zerstört, die IRE-Behandlung jedoch schont die extrazelluläre Matrix und kritische Strukturen. Blut- und Lymphgefäße regenerieren sich daher vollständig: Zerstörte Zellen bilden sich entlang der Matrix erneut aus. Auch die Nervenscheiden bleiben erhalten und ermöglichen ggf. eine schnelle Regeneration. Die erhaltene Durchblutung des Behandlungsfeldes ermöglicht das rasche Ausräumen der zerstörten Tumorzellen. Die IRE-Behandlung der Leber wird in Vollnarkose durchgeführt, dauert zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden – und hinterlässt keine äußerlichen Narben. „Unser Eindruck lautet: IRE ist sicher, bewirkt weniger Komplikationen und ist genauso effektiv wie thermische Therapien“, fasst Prof. Stroszczynski zusammen.

Im Profil:
Prof. Dr. Christian Stroszczynski ist Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg. Vorher war der gebürtige Wiesbadener als Stellvertretender Direktor und Leitender Oberarzt am Institut und an der Poliklinik für Radiologische Diagnostik, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden tätig, davor als Leitender Oberarzt an der Klinik für Strahlenheilkunde, Charité. Seine Schwerpunkte liegen auf abdomineller Diagnostik und Intervention, auf Gefäßmedizin im Kontext interventioneller Radiologie sowie auf der onkologischen Diagnostik und Intervention.

 

17.10.2013

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