Der Teufel steckt im Detail

Qualitätsmanagement zwischen Pflicht und Neigung

Wer in den Richtlinien der International Standard Organisation (ISO) nach dem Begriff „Qualität“ sucht, der stößt auf folgende Definition: „Qualität ist die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesagte Erfordernisse zu erfüllen.“ Wirklich schlau wird man daraus nicht, aber die Augen gleich ganz vor dem Thema Qualitätsmanagement zu verschließen, ist leider auch keine Lösung. Gerade in der Medizin ist ein hoher Qualitätsanspruch wichtig.

Dr. Christoph Trumm ist in Gräfelfing, in der Nähe von München aufgewachsen....
Dr. Christoph Trumm ist in Gräfelfing, in der Nähe von München aufgewachsen. Der 36-Jährige studierte in der bayerischen Landeshauptstadt. Seit Dezember 2010 arbeitet er als Oberarzt und Leiter des Funktionsbereichs Angiographie und Interventionelle Radiologie am Standort Großhadern des Instituts für Klinische Radiologie an der LMU. Im Rahmen der ISO-Zertifizierung seines Instituts ließ Dr. Trumm sich 2010 nach den Vorschriften der Bundesärztekammer zum Ärztlichen Qualitätsmanager ausbilden. Auf medizinischem Gebiet gehört die Interventionelle Onkologie Onkologie (CT-gesteuerte Tumorablation, Vertebroplastie, SIRT, HIFU) zu seinen Leidenschaften.

Das Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München (KUM) ist bereits seit 2008 nach DIN ISO EN 9001:2008 zertifiziert. Seit Mai 2010 dabei im QM-Team ist Oberarzt und Ärztlicher Qualitätsmanager Dr. Christoph Trumm.

radiologia bavarica: Dr. Trumm, warum braucht man ein Qualitätsmanagement?

Dr. Trumm: Der Qualitätsanspruch ist im Sozialgesetzbuch verankert. Der Paragraph 135a sagt aus, dass zugelassene Krankenhäuser verpflichtet sind, sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern, ein internes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Über diese gesetzliche Notwendigkeit hinaus bringt das QM aber auch viele positive Effekte. Es erleichtert die Arbeitsabläufe und macht Prozesse viel transparenter. Durch Standardisierungen wächst außerdem die Sicherheit, z.B. im Hygiene-Management.

rb: Welche Qualifizierungsnormen gibt es?

Dr. Trumm: Es gibt im Wesentlichen drei große Modelle, zwischen denen man wählen kann. Die Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen ist ein branchenspezifischer Katalog (aktuell: KTQ 6.0), der für gesundheitliche Einrichtungen gilt, und nach dem in der Regel komplette Häuser (Krankenhäuser, Pflegeheime, Rehabilitationseinrichtungen) oder Praxen zertifiziert werden. Die International Standard Organisation (ISO) dagegen richtet sich an Betriebe aus allen Industriezweigen und auch an Einzelinstitutionen, die an größere Einrichtungen angebunden sind. Durch ihren internationalen Charakter ist sie sehr verbindlich und erlaubt eine überregionale Vergleichbarkeit auf dem Gesundheitsmarkt. Und als drittes Modell steht die EFQM (European Foundation for Quality Management) zur Verfügung. Dieses Modell steht für besondere Exzellenz und wird von Unternehmen genutzt, die bereits zertifiziert sind und einen Schritt weitergehen wollen.

rb: Welche Kriterien muss man erfüllen?

Dr. Trumm: Es gibt grobe Regeln, an die man sich halten muss. Die ISO schreibt z.B. vor, dass man alle zwei Jahre Befragungen durchführen muss, z.B. unter den Patienten oder Zuweisern. Die Umfrageergebnisse werden dann ausgewertet und entsprechend diskutiert. Hintergrund ist der so genannte Plan-Do-Check-Act-Kreislauf nach William Edwards Deming. Bei diesem PDCA-Zyklus geht es um kontinuierliche Verbesserungsprozesse: Man legt zunächst ein Ziel fest, führt den Prozess aus, überwacht ihn und misst dann anhand von Kennzahlen, was es gebracht hat. Am Ende wachsen aus den Resultaten neue Prozesse und Ziele. Das Problem ist, dass in den Norm-Vorschriften keine Details zur genauen Umsetzung des Qualitätsmanagements stehen. Man muss die Norm also selbst interpretieren und entscheiden, ob die Abläufe am Arbeitsplatz schon normkonform sind oder nicht.

rb: Wie lange dauert ein Zertifizierungsprozess?

Dr. Trumm: Die Vorbereitung auf die erste Zertifizierung hat bei uns mehr als ein Jahr in Anspruch genommen. Die Zertifizierung selbst dauert nur zwei bis drei Tage. Dafür kommt ein Auditorenteam einer akkreditierten Zertifizierungsgesellschaft ins Haus und erstellt eine detaillierte Liste, welche Abweichungen vorliegen und welche Verbesserungen und Potentiale noch umzusetzen sind. Dann ist es üblich, dass alle drei Jahre eine Rezertifizierung stattfindet. Dazwischen liegen noch jährlich stattfindende Überwachungsaudits, bei denen die Auditoren vorbeischauen und sich stichprobenartig verschiedene Ausschnitte aus dem QM anschauen wie Materialverwaltung, Patientenversorgung oder Lehre. Damit es bei diesen externen Audits nicht zu bösen Überraschungen kommt, werden zusätzlich regelmäßig interne Audits verschiedener Abteilungsbereiche durch speziell geschulte Mitarbeiter des Instituts durchgeführt und regelmäßige Treffen des QM-Teams abgehalten.

rb: Wer sitzt im QM-Team und welche Aufgaben erfüllt es?

Dr. Trumm: Das sind Vertreter aus dem ärztlichen Bereich, der Pflege und der Verwaltung. In unserem Institut treffen wir uns meist alle zwei Wochen. Diese QM-Zirkel dienen hauptsächlich der Erstellung und Überwachung von Prozessen. Es gibt eine grobe übergeordnete Struktur, an der wir uns orientieren, z.B. für den administrativen Bereich, Patientenversorgung, Lehre und Forschung. Dann vertieft man sich in die einzelnen Prozessschritte. Das kann z.B. bei einer CT-Untersuchung sein: Vorbereitung des Patienten, Durchführung der Untersuchung und Nachbereitung, also Befundung usw. Das wird in der Prozessbeschreibung bis ins kleinste Detail festgelegt.

rb: Wie erfahren die Mitarbeiter von den QM-Maßnahmen?

Dr. Trumm: Üblicherweise gibt es ein institutsspezifisches Handbuch, in dem alle Prozessbeschreibungen aufgeführt sind. Bei uns ist dieses Handbuch digital für alle Mitarbeiter zur Ansicht hinterlegt. Wir haben im QM-Zirkel aber auch einen elektronischen Newsletter ins Leben gerufen, um die Informationspolitik im Institut zu verbessern und die Kollegen über aktuelle Projekte auf dem Laufenden zu halten. Es ist wichtig, nicht nur innerhalb des QM-Teams immer am Ball zu bleiben, sondern kontinuierlich das gesamte Personal mit ins Boot zu holen.

rb: Dr. Trumm, vielen Dank für das Gespräch.
 

12.10.2011

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