Der springende Punkt

Am Kongresssamstag wählen die Redner zum Refresherkurs „Diagnostik von Sprunggelenk und Fuß“ ein ungewöhnliches Vortragskonzept. Sie suchen das Gespräch untereinander und mit dem Publikum. Unter dem Motto „Orthopädisch-radiologischer Dialog“ bietet sich den Radiologen die Gelegenheit, mit dem auch international bekannten Facharzt Prof. Dr. Andreas Imhoff, Vorstand der Abteilung für Sportorthopädie der TU München, zu diskutieren.

Prof. Dr. Andreas Heuck
Prof. Dr. Andreas Heuck

Die radiologischen Experten sind Prof. Andreas Heuck, Facharzt am Radiologischen Zentrum München Pasing, und Dr. Christoph Schäffeler, Leiter Muskuloskelettale Bildgebung im Kantonspital Graubünden, Schweiz. Prof. Heuck erklärt, was genau hinter dem dialogischen Konzept steckt und was der springende Punkt bei der Diagnostik von Verletzungen und Erkrankungen an Sprunggelenk und Fuß ist.

Nach Meinung von Prof. Heuck muss der Radiologe sich eng an den Bedürfnissen seiner klinischen Partner orientieren: „In der muskuloskelettalen Diagnostik ist der Orthopäde ist schließlich unser Auftraggeber und erwartet einen radiologischen Befund, der in direktem Zusammenhang zur klinischen Symptomatik steht. Das setzt aber voraus, dass wir Radiologen uns auch mit den Beschwerdebildern auskennen. Die Qualität unserer Befunde misst sich daher wesentlich an der Qualität unseres klinischen Verständnisses.“

Welche genauen Erwartungen hat der Kliniker aber an den Radiologen? Welche diagnostischen Problemstellungen treiben ihn um? Welche Bildinformationen sind für ihn bei einer bestimmten Fußerkrankung oder -verletzung von Bedeutung? Für diese Fragen steht der Sportorthopäde Prof. Andreas Imhoff bei der Sitzung im Hegelsaal Rede und Antwort. Dabei wird er praktische Fallbeispiele aus seinem Klinikalltag präsentieren, die die Kollegen Heuck und Schäffeler aus radiologischer Sicht kommentieren.

„Unsere Fortbildungsveranstaltung soll ein wichtiges Zeichen setzen“, findet Andreas Heuck. „Damit der Radiologe seine Befunde nicht nur für die Krankenakte schreibt, sondern seine Aussagen eine klinische Relevanz haben, muss er sich auch selbst als Kliniker verstehen, nicht bloß als Bildbeschreiber. Er muss im engen fachlichen Kontakt zum Zuweiser stehen, aber auch zum Patienten.“ Deshalb herrscht an seinem Arbeitsplatz, dem Radiologischen Zentrum München-Pasing, auch eine feste Regel: Jeder Patient wird vom Radiologen gesehen und gesprochen. Es sei wichtig, dass er sich selbst ein Bild davon mache, warum der Patient zur Untersuchung komme, so Heuck.

Denn durch die hohe diagnostische Aussagekraft der MRT werden oft auch Befunde sichtbar, die zum Teil seit Jahren bestehen können, aber gar nicht der Auslöser für die aktuelle Konsultation eines Arztes sind. Wer hier nur abdiktiert, was alles zu sehen ist, der fertigt im schlechtesten Fall einen unspezifischen und somit für den Orthopäden oder Fußchirurgen wenig hilfreichen Befund an. Eine kompetent ausgeführte und klinisch orientierte Befundung stellt dagegen einen sehr wichtigen Faktor für die Therapieentscheidung dar, betont Heuck, denn: „Während der orthopädische Befund funktionelle Informationen liefert, zeigt die radiologische Untersuchung das morphologische Korrelat. Beide Aspekte gehören für eine hochwertige Diagnostik unbedingt zusammen.“

Bei ihrem gemeinsamen Refresherkurs werden die drei Experten sich typische Verletzungs- und Krankheitsbilder an Sprunggelenk und Fuß vornehmen. Einer der häufigsten Gründe, warum Patienten zur MRT-Untersuchung kommen, sind Sportverletzungen wie z.B. Sprunggelenksdistorsionen. Besonders klinische Fragestellungen zu fibularen Band- und Syndesmosenverletzungen und deren Folgeschäden nehmen zu. Die Diagnose einer Syndesmosenverletzung lässt sich oftmals klinisch nicht eindeutig stellen, häufig haben die Patienten unspezifische Beschwerden. Im Falle einer vollständigen Ruptur ist jedoch eine Operation vonnöten. Während konventionelles Röntgen früher häufiger zu falsch negativen Befunden geführt hat, lassen sich etwa Schäden am fibularen Bandapparat und ihre Begleitverletzungen oder Syndesmosenverletzungen heutzutage mit der MRT zuverlässig abklären.

Im Rahmen der Sprunggelenksverletzungen stellt sich häufig die Frage nach Knochen-/Knorpelabscherungen am Talus. Solche osteochondralen Läsionen haben einen wichtigen Stellenwert hinsichtlich der weiteren Prognose, da sie zu langfristigen Beschwerden führen können. „Andere Komplikationen nach Sprunggelenksverletzungen laufen auch häufig unter der klinischen Diagnose Impingment-Syndrom“, ergänzt Prof. Heuck. „Es gibt fünf verschiedene Impingement-Formen am Sprunggelenk. Wir müssen als Radiologen wissen, was die Klinik und das pathoanatomische Substrat dieser Impingement-Syndrome ist, um bei entsprechender Fragestellung und Symptomatik gezielt danach zu suchen.“

Andere häufige Indikationen, die am Fuß auftreten können, sind Überlastungsschäden. Darunter fallen neben den Stressfrakturen beispielsweise auch chronische Sehnenüberlastungen, Sehnenrisse und Sehnenscheidenentzündung. Es kann sich aber auch um Folgeschäden einer Verletzung oder Fußdeformität wie Platt- oder Spreizfuß handeln.

Kurz werden sich die drei Seminarleiter auf dem BRK auch mit Koalitionen beschäftigen. Dabei geht es ihnen aber nicht um ihr interdisziplinäres Bündnis, erklärt der Münchner Radiologe: „Koalitionen sind angeborene pathologische Verbindungen von Fußwurzelknochen, sie können bindegewebiger oder knöcherner Natur sein. Dadurch ist die betroffene Region versteift, sodass es hier und in benachbarten Gelenken zu Überlastungen kommt.“ Koalitionen stellen sich manchmal als sehr diskrete Befunde im Bild dar und können so leicht übersehen werden.

Bei Fußverletzungen kommt der Erkennung von Luxationen und Luxationsfrakturen des Lisfranc-Gelenks eine große Bedeutung zu. Sie sind mit konventionellem Röntgen ebenfalls schwer zu finden: „Beide Pathologien können jedoch starke Schmerzen verursachen und zu erheblichen Langzeitschäden führen, wenn sie unerkannt und unbehandelt bleiben. Eine sorgfältige radiologische Befundung kann helfen, dies zu verhindern.“
 

Im Profil:
Prof. Dr. Andreas Heuck ist Vorsitzender und Ausbilder bei der AG Muskoskelettale Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft. In seiner Funktion als Prüfer der Bayerischen Landesärztekammer ist er für das Fachgebiet Radiologie zuständig. Zudem gehört Heuck zum Redaktions- und Reviewerteam der Zeitschrift „RöFo“ und wird als Reviewer bei der Zeitschrift „European Radiology“ konsultiert. Er hat selbst bereits über 80 Originalarbeiten in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften und zahlreiche Buchbeiträge veröffentlicht. Von 1993 bis 1999 war der Radiologe als Oberarzt an der Universität München tätig, zuletzt als Leitender Oberarzt sowie Vertreter des Direktors des Institutes für Radiologische Diagnostik am Klinikum Großhadern der LMU. Seit 14 Jahren arbeitet er am Radiologischen Zentrum München-Pasing, kurz RZM. 2001 war Prof. Heuck selbst Tagungspräsident des Bayerischen Röntgenkongresses.

18.10.2013

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