Kardiologie
Der Rhythmus macht‘s
Wenn die elektrischen Ströme im Herzen versagen oder gestört sind, hat dies für alle Patienten, teils sogar starke, Auswirkungen auf die Lebensqualität und kann in einigen Fällen auch zum Tod führen. Auch die unangenehmen Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie dämpfen das Wohlbefinden des Patienten. Am Herzzentrum Leipzig, integraler Teil der Universität Leipzig, und mit 440 kardiovaskulären Betten wohl größtem Herzzentrum Europas, wendet man ein neues Verfahren an und beeinflusst die Kurzschlüsse am Herzen mit kathetergestützten Operationen, der so genannten Ablationstherapie, im Kernspintomogramm (MRT). Dieses Verfahren ist eine Domäne der interventionellen Kardiologen: Die MRT liefert dafür die benötigten Bilder, um den Katheter für die Ablationsbehandlung präzise an die richtige Stelle im Herzen zu dirigieren.
Report: Marcel Rasch
Einer, der den Takt vorgibt
Professor Gerhard Hindricks, Chefarzt und Leiter der Abteilung für Rhythmologie und seit 17 Jahren verantwortlich für diesen Bereich, erklärt die Vorgehensweise: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen in ein Haus, wandern dort von Geschoss zu Geschoss, schauen in den Sicherungskasten und prüfen dann Strom und Spannung. Das ist das, was normalerweise in einem Katheterlabor passiert.“
Katheter gestützte Operationen sind im Prinzip mit minimal-invasiver Chirurgie gleichzusetzen. Über die Leistengefäße werden kleine Drähte zum Herzen vorgeführt, die an der Spitze steuerbar, drehbar und biegsam sind. Mit ihrer Unterstützung wird die Herzelektrik „abgetastet“ und im Anschluss eine elektrische Karte des Herzens erstellt. Für diese Aufgabe gibt es im Katheterlabor normalerweise eine Röntgeneinheit. Doch Röntgenstrahlen haben gewisse Nachteile. „Erstens sind sie nicht besonders gesund und können Nebenwirkungen haben und zweitens sind die damit erzeugten Bilder nur zweidimensional. In die Tiefe gelangt man mit Röntgenstrahlen eher nicht“ erläutert Hindricks. „Zwar lassen sich die Bildergebnisse durch Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln verbessern, doch einen Einblick in die eigentliche Struktur des Gewebes gewinnt der Operateur so nicht“, führt er weiter aus.
Der Vorteil des MRT
Das Herz als Organ mitsamt Gewebe zu erkennen, ist allerdings ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Behandlung. Vor allem Narben, Wassereinlagerungen und Verkalkungen sind im Zuge einer gezielten Untersuchung von großer Wichtigkeit. Im MRT lässt sich das Herz dreidimensional darstellen und auch das Herzmuskelgewebe kann analysiert werden. Letzteres vor allem spielt in der Rhythmologie eine große Rolle. Es gibt Formen von Rhythmusstörungen, bei denen die elektrischen Fehlschaltungen durch Veränderungen bestimmt werden, die nur im MRT erkennbar sind. Welche Rolle Narben dabei spielen, erklärt sich aus der Zusammensetzung des Gewebes. „Narben im Herzmuskelgewebe entstehen durch die Unterdurchblutung oder gar durch Stopp der Durchblutung eines bestimmten Bereichs des Herzmuskels (Herzinfarkt)“ so Hindricks und führt weiter aus „im Rahmen des körpereigenen Reparaturprozesses entsteht Narbengewebe, das elektrisch nicht leitend ist. Dort liegt genau das Problem.“ Die fehlende Leitfähigkeit des Narbengewebes kann zu elektrischen Fehlschaltungen führen und diese sogar fördern, nämlich immer dann, wenn sich die Narbe in einem Teil des überlebenden Herzmuskelgewebes befindet. Die entstehenden Fehlleitungen führen zu Herzrasen oder sogar zum Herztod. Durch die MRT ist es möglich, das Narbengewebe aufzuspüren und genau festzustellen, an welcher Stelle die Ablationsbehandlung durchgeführt werden muss.
Leben im richtigen Rhythmus
Da Patienten zunehmend ein Leben im richtigen Herzrhythmus leben wollen, erfährt die Rhythmologie Aufwind. „Die Rhythmologie ist derzeit das am stärksten wachsende Gebiet der Medizin“ freut sich der Hindricks: „Damit haben wir als Internisten jetzt Zugang zu einem kurativen Gebiet, das bisher nur Chirurgen vorbehalten war.“ Die Vorteile für den Patienten sind immens: „Der Patient kann, wenn der Eingriff gut verläuft, die Klinik bei guter Lebensqualität und mehr Belastbarkeit, ohne Rhythmusstörungen und ohne stabilisierende Medikamente wieder verlassen“ fasst Professor Hindricks die Vorteile zusammen. Knapp 60.000 kathetergestützte Operationen sind im Jahr 2014 allein in Deutschland durchgeführt worden, weiß das „White Book“ der European Heart Rhythm Association zu berichten. Hindricks schätzt, dass dies einer Steigerung von knapp 20 Prozent zum Vorjahr entspricht. 5.000 Patienten behandelt allein das Herzzentrum Leipzig pro Jahr, knapp die Hälfte werden interventionell mit der Ablationsbehandlung kuriert.
PROFIL:
Professor Gerhard Hindricks ist seit 1998 Leitender Arzt der Abteilung für Rhytmologie am Herzzentrum Leipzig. Er ist Präsident der European Heart Rhythm Association und ist aktives Mitglied sowohl in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-, Herz- und Kreislaufforschung, als auch in der European Society of Cardiology (ESC). Hindricks ist des Weiteren Editor und Gutachter für führende medizinische Fachzeitschriften, wie das European Heart Journal, Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology und viele mehr.
04.05.2016