Artikel • Auf Tumorsuche
CUP-Syndrom: Rauch ohne Feuer
Das CUP-Syndrom schickt Radiologen auf eine mitunter frustrierende Schnitzeljagd: Beim Patienten werden Metastasen entdeckt, doch vom Primärtumor fehlt jede Spur.
Bericht: Wolfgang Behrends
Das CUP-Syndrom (von engl. cancer of unknown primary) ist eine sehr heterogene Erkrankung, weiß Prof. Krämer zu berichten: „Es beginnt häufig damit, dass an Lymphknoten, Leber, Knochen oder Gehirn Absiedlungen eines epithelialen Tumors gefunden werden, der dort nicht ortständig wächst. Es handelt sich also unzweifelhaft um eine Metastase – doch trotz intensiver Suche wird kein zugehöriger Primärtumor gefunden.“ Etwa 3-5% aller Tumorerkrankungen weisen dieses Muster auf, jeder siebte Todesfall durch Krebs ist auf das CUP-Syndrom zurückzuführen. Nur bei etwa 20 Prozent der Fälle wird im Behandlungsverlauf ein Primärtumor gefunden. Stirbt der Patient, bleibt selbst eine Autopsie in vielen Fällen ergebnislos. „Eine Möglichkeit ist, dass der Primärtumor von den Zellen des Immunsystems zerstört wurde, die Metastasen jedoch nicht. Eine Frage, die seit langem kontrovers diskutiert wird, ist: Handelt es sich um eine eigene Entität, die sich biologisch anders verhält als Metastasen bei bekanntem Primärtumor?“
„Da muss doch etwas sein“
Paradoxerweise kann gerade das umfangreiche Arsenal zur Detektion von Karzinomen CUP-Patienten zum Verhängnis werden. „Oft wird mit allen Mitteln versucht, den Primärtumor ausfindig zu machen“, sagt Krämer: „Dabei verstreicht aber viel Zeit, bevor eine Therapie eingeleitet wird, und die Prognose verschlechtert sich deutlich.“ Anstatt sich also allzu lange mit der Suche aufzuhalten, empfiehlt der Experte, nach Anwendung der Standard-Untersuchungsmethoden zügig eine Behandlung zu beginnen – auch wenn kein Primärtumor entdeckt wurde.
Die Eile ist durchaus geboten, denn die Prognose beim CUP-Syndrom ist häufig ungünstig, besonders dann, wenn nicht einmal über die Art des mutmaßlichen Tumors spekuliert werden kann. Besser sieht es für CUP-Patienten aus, deren Metastasen eine Zuordnung erlaubt. „Nur bei etwa 15 bis 20% der Patienten ist entweder die Lokalisation oder die Pathologie der Metastasen suggestiv für einen bestimmten Primärtumor“, sagt Krämer und nennt ein Beispiel: „Wenn bei einer Frau axilläre Lymphknotenmetastasen eines Adenokarzinoms festgestellt werden, ist das suggestiv für Brustkrebs. Selbst, wenn der Primärtumor nicht gefunden wird, sollte die Patientin trotzdem wie bei Brustkrebs behandelt werden. Das verbessert die Prognose deutlich.“ Das gilt auch für Patientinnen mit einer Peritonealkarzinose, die auf ein Ovarialkarzinom hindeutet. Liefern die Metastasen keinen derartigen Hinweis, bleibt oft nur eine unspezifische Chemotherapie. Dafür werden in der Regel zwei Wirkstoffe kombiniert, eines davon ist meist ein Platin-Derivat. „In diesen Fällen – die etwa 80 bis 85% der Befunde ausmachen – ist die Prognose sehr ungünstig, das mediane Überleben liegt bei etwa 9 Monaten“, so der Experte. „Entscheidend ist also zum einen, nicht zu viel Zeit in die Suche nach einem Primärtumor zu investieren“, fasst Krämer zusammen. „Zum anderen gilt es, die prognostisch günstigen Subgruppen nicht zu verpassen.“
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Krebs mit unbekanntem Primärtumor (CUP): Neue Leitlinie erschienen
Bei etwa 3-5% aller Krebserkrankungen wird der Primärtumor nicht gefunden. Für die Versorgung von Patienten mit einem „Cancer of Unknown Primary" (CUP) ist nun eine neue Leitlinie erschienen.
Studien sollen neue Therapiewege erschließen
Im Vergleich zu anderen Krebsarten ist über das CUP-Syndrom vergleichsweise wenig bekannt. Zwei große Studien sollen neue Erkenntnisse liefern und bessere Behandlungswege aufzeigen. Dabei geht es zum einen um eine Mutationsanalyse von Tumorgenen, die Hinweise auf zielgerichtete Therapien (targeted therapy) geben soll (CUPISCO-Studie1). Untersucht wird, ob mutations-spezifische Behandlungen in der Erstlinie der unspezifischen Platin-basierten Chemotherapie überlegen sind.
Die zweite Studie richtet sich an CUP-Patienten, bei denen die Metastasen nicht auf eine frühere Chemotherapie angesprochen haben (Zweitlinie). Bei ihnen sollen Immun-Checkpoint-Inhibitoren das körpereigene Immunsystem aktivieren und gezielt auf die Metastasen ansetzen. Die Studie, genannt CheCUP, soll Mitte 2019 beginnen.
Darüber hinaus könnte auch die Auswertung von Genexpressionen neue Ansätze zur Behandlung liefern: „Dabei wird das Genexpressionsprofil des Tumorgewebes untersucht“, erklärt Krämer. „Diese Profile werden mit großen Datenbanken abgeglichen, um Übereinstimmungen mit bestimmten Primärtumorarten zu finden. Auf diese Weise kann auf einen bestimmten Krebstyp behandelt werden, auch wenn kein Primärtumor gefunden wird. Die bisherigen diesbezüglichen Studienergebnisse sind jedoch eher ernüchternd, eine aktuell publizierte japanische Studie erbrachte ein negatives Ergebnis. Die Ergebnisse einer randomisierten Studie aus Frankreich2 werden in Kürze erwartet.“
Profil:
Prof. Dr. med. Alwin Krämer ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie und Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Molekulare Hämatologie/Onkologie am Universitätsklinikum Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf den Ursachen und Konsequenzen genomischer Instabilität, seit 2006 ist er Leiter der Task Force "Carcinoma of Unkown Primary (CUP)" am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) der Universität Heidelberg.
1: A Phase II Randomized Study Comparing the Efficacy and Safety of Targeted Therapy or Cancer Immunotherapy Versus Platinum-Based Chemotherapy in Patients With Cancer of Unknown Primary Site (CUPISCO); https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03498521
2: Identifying the Primary Site Using Gene Expression Profiling in Patients with Carcinoma of an Unknown Primary (CUP): A Feasibility Study from the GEFCAPI; https://doi.org/10.1159/000336300
23.08.2019