Beweisführung dank postmortalem CT

Artikel • Todesursache unbekannt

Beweisführung dank postmortalem CT

Die postmortale CT rückt immer mehr in den Fokus der Rechtsmedizin. Spätestens seit Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Bildgebung in 2014 hat sich die Methode als zusätzliches Tool weiter etabliert und die Fallzahlen steigen Jahr um Jahr.

Bericht: Marcel Rasch

Weshalb die postmortale CT große Vorteile bietet und der Verdichtung der Beweisführung vor Gericht sehr dienlich ist, erklären Prof. Dr. Rotem Lanzman, Geschäftsführender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, und PD Dr. Joel Aissa, Oberarzt und Facharzt für Radiologe an der Universitätsklinik Düsseldorf im Gespräch.

portrait of rotem lanzman
Prof. Dr. Rotem Lanzman

Liegt bei Leichenfund ein Tötungsdelikt vor, kontaktiert die Kriminalpolizei zunächst den diensthabenden Rechtsmediziner, der am Tatort der erste Ansprechpartner für die Polizei ist. Die Entscheidung zur Indizierung einer postmortalen CT trifft er aufgrund der Sachlage. „Seit es den standardisierten Indikationskatalog der Arbeitsgemeinschaft für forensische Bildgebung gibt, der klar festlegt, wann postmortale CT-Untersuchungen indiziert sind, ist die Rechtsmedizin zunehmend dazu angehalten, postmortale CT-Untersuchungen durchzuführen“, klärt Lanzman auf. Dabei handelt es sich zumeist um Tötungsdelikte durch Schuss, scharfe oder stumpfe Gewalteinwirkung, Tötungsverdacht bei Kindern oder den Verdacht auf eine Gasembolie.

„Die genannten Indikationen bespricht der Rechtsmediziner mit der Kriminalpolizei. Für sie ist die postmortale CT eine relativ neue Methode, weshalb es mit Hilfe von Seminaren und Vorträgen ein wenig Überzeugungsarbeit und Werbung bedurfte, um die neue Untersuchungsmethode zu etablieren“, verrät Dr. Aissa. Auch die Kostenübernahme spielte hier eine Rolle. Mittlerweile ist die Methode so gut angekommen, dass die beiden Radiologen als Gutachter vor Gericht eingesetzt werden, um die Beweisführung rund um den Todeshergang zu verdichten. In den letzten zwei Jahren durften die Radiologen des Universitätsklinikums Düsseldorf ca. 80 Untersuchungen dieser Art durchführen, Tendenz steigend. Allein in 2018 wurden bis Oktober bereits über 30 solcher Untersuchungen durchgeführt.

Verdichtung der Beweiskette

portrait of joel aissa
PD Dr. Joel Aissa

„Mit der CT liefern wir viele Informationen, die durch Obduktion nicht immer sicher nachvollzogen werden können. So können wir anhand der Bilder beispielsweise einen Schusskanal rekonstruieren und erkennen, welches Organ verletzt wurde, bevor der Körper geöffnet wird. Auch können wir eine Aussage darüber treffen, ob der Lufteintritt in die Lunge oder den Pleuraraum durch die Kugel hervorgerufen wurde“, nennt Lanzman ein Beispiel.

Auch die Dokumentation der Ergebnisse ist ein wichtiger Punkt, da alle Bilder im PACS abgespeichert werden. „Auf diese Weise kann eventuell später auftauchenden Fragestellungen noch mal nachgegangen werden. Für die Richter ist bei einer Verhandlung von Vorteil, wenn sich die Todesursache anschaulich rekonstruieren lässt. So konnte im zuvor genannten Fall durch den Schusskanal beispielsweise genau berechnet werden, von welcher Position aus geschossen wurde. Als Ergänzung zum Obduktionsbefund ist dies eine sehr hilfreiche Information“, präzisiert Dr. Aissa.

Der konkrete Fall

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Oft sind es nur Kleinigkeiten, die allerdings im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder zur Findung der Todesursache große Bedeutung haben. „In einem konkreten Fall wurden im Rahmen einer Kindstötung diverse akute Frakturen befundet, jedoch konnte nur mittels CT eine weitere Fraktur nachgewiesen werden, die älterer Herkunft war. Damit konnte belegt werden, dass die Gewalt gegen dieses Kind eine längere Geschichte hatte, was im Rahmen des Gerichtsprozesses für das spätere Strafmaß ausschlaggebend war“, verdeutlicht Lanzman einen spezifischen Fall.

Auch Dr. Aissa hat einen solchen Fall vor Augen: „Bei Neugeborenen gilt es oft zu beweisen, dass das Kind zum Zeitpunkt der Geburt tatsächlich nicht gelebt hat oder andersherum, dass es sich um eine Kindstötung handelt. Per CT ist dies anhand der Lungenbelüftung sehr leicht nachweisbar. Für den Rechtsmediziner ist dieser Nachweis schwieriger zu erbringen, weil das Gewebe entnommen, Schwimmproben gemacht und diverse Analysen angefertigt werden müssen.“

Beweisführung dank postmortalem CT

Erweiterung durch CT-Angiographie

Die postmortale CT ist um die CT-Angiographie erweitert für bestimmte Fragestellungen sogar noch aussagefähiger. Hierzu werden die Gefäße vor der CT-Untersuchung vollständig präpariert und kanüliert. Daraufhin werden ca. drei Liter Gemisch aus Öl und Kontrastmittel mittels Maschine durch den Körper gepumpt, so dass Gefäßverletzungen sowie Weichteil- oder Organverletzungen besser dargestellt werden können. „Wir kreieren auf diese Weise einen künstlichen Blutkreislauf. Die bisherigen Studien zeigen, dass sich unter anderem Blutungsquellen und Weichteilverletzungen besser darstellen lassen, die ohne die Gabe von Kontrastmittel schwierig nachzuweisen sind“, so Aissa.

Allerdings wird diese Untersuchung nicht in Düsseldorf durchgeführt, sondern bundesweit nur in zwei von insgesamt 29 Instituten in Deutschland. „Die postmortale CT-Angiographie ist aufwändig, da die Präparation und die Gabe des Kontrastmittels viel Zeit in Anspruch nehmen. Da postmortale CT-Untersuchungen in Deutschland in aller Regel in radiologischen Instituten durchgeführt werden, wird diese Methode hierzulande nur selten durchgeführt,“ ergänzt Aissa. Vorreiter ist hier die Schweiz.

Ein viel diskutiertes Thema ist die Frage, ob die CT zukünftig die konventionelle Obduktion ablösen wird. Diese Frage verneinen beide Radiologen eindeutig. „Die postmortale CT ist ein zusätzliches Werkzeug. Während einer Obduktion werden typischerweise eine Toxikologie und eine Histologie durchgeführt, so dass die CT nur einen weiteren Baustein bei der Klärung der Todesursache darstellt, der die Beweisführung vor Gericht verdichten kann. Wir hoffen jedoch, dass die Nachfrage nach postmortalen CT-Untersuchungen auch in Zukunft weiter ansteigen wird“, resümieren die beiden Radiologen.


Profile:

Prof. Dr. Rotem Lanzman ist Facharzt für Radiologie und Kinderradiologie. Er hat in Halle/Saale, Madrid, Essen und Düsseldorf Medizin studiert. Lanzman absolvierte seine Facharztausbildung in der Uniklinik Düsseldorf, wo er seit 2011 als Oberarzt und von 2014 bis zum 15.10.2018 als Geschäftsführender Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie tätig war. Er habilitierte im Jahr 2012 und wurde 2015 durch die Heinrich-Heine-Universität zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Prof. Lanzman wird sich zum 01.01.2019 in einer radiologischen Praxis in Mülheim a.d. Ruhr niederlassen.

PD Dr. Joel Aissa ist Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Der anerkannte Facharzt für Radiologie absolviert derzeit eine Weiterbildung zum Kinderradiologen am selbigen Institut. Zuvor spezialisierte er sich mit einem Traineeship auf die postmortale Computertomographie und CT Angiographie am Centre Universitaire Romand, Médecine Légale des Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne.

10.11.2018

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