News • Millionen Dollar für Forschung

Beeinflusst Darmflora genetische Risikofaktoren für Parkinson?

Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erhält von der US-amerikanischen Initiative „Aligning Science Across Parkinson’s“ (ASAP) drei Millionen US-Dollar an Forschungsförderung. Die Mittel gehen zu gleichen Teilen an die DZNE-Standorte in Bonn und Tübingen.

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Die ASAP-Initiative stellt — in Zusammenarbeit mit der Stiftung „The Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research“, die die Fördermittel verwaltet — den am Projekt beteiligten Forschungseinrichtungen insgesamt mehr als acht Millionen US-Dollar zur Verfügung. Unterstützt werden: University College London (London), INRAE (Paris), Fondazione Mondino (Pavia) und DZNE (Bonn/Tübingen).

Die dortigen Wissenschaftler wollen untersuchen, in welcher Weise die Darmflora genetische Risikofaktoren für Parkinson beeinflusst und mit der Erkrankung einhergehende Protein-Ablagerungen fördert. Das Vorhaben ist Teil eines Verbundprojekts mit Partnern aus Großbritannien, Frankreich und Italien. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, Mechanismen der Parkinson-Erkrankung aufzuklären, Kriterien für eine individualisierte Medizin bestimmen und neue Ansatzpunkte für die Therapie liefern.

Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns, die sich durch Bewegungsstörungen und andere schwerwiegende Symptome bemerkbar macht. Auf mikroskopischer Ebene ist die Erkrankung durch die Schädigung bestimmter Nervenzellen gekennzeichnet und davon, dass sich ein Protein namens „Alpha-Synuclein“ innerhalb von Nervenzellen in aggregierter Form ansammelt. Die Ursache der Parkinson-Erkrankung ist unbekannt; allerdings weiß man, dass manche Genvarianten das Krankheitsrisiko erhöhen können. Mutationen im Gen für das Enzym Glucocerebrosidase (GBA) sind der häufigste bekannte genetische Risikofaktor. Es ist jedoch bemerkenswert, dass nicht alle Menschen, die solche Mutationen aufweisen, auch an Parkinson erkranken. Außerdem kann die Erkrankung bei Personen mit diesen Mutationen in unterschiedlichem Alter auftreten und die Symptome können mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Folglich werden die Entstehung und der Verlauf der Parkinson-Erkrankung bei Menschen mit GBA-Mutationen von bislang unbekannten Faktoren beeinflusst.

Die „Darm-Hirn-Achse“

Immer mehr Befunde deuten auf die Möglichkeit hin, dass das Krankheitsgeschehen rund um das Protein Alpha-Synuclein den Darm betrifft und dass sich diese Pathologie vom Darm zum Gehirn — und umgekehrt — über eine „Darm-Hirn-Achse“ ausbreiten könnte. Diese Wechselbeziehung umfasst sowohl Nervenverbindungen als auch Signalwege, an denen Hormone und das Immunsystem beteiligt sind. Die Gemeinschaft der Mikroorganismen, die den Darm besiedeln — „Darmmikrobiom“ oder auch „Darmflora“ genannt — könnte Vermutungen zufolge für die Entwicklung der Alpha-Synuclein-Pathologie im Darm und für deren Ausbreitung ins Gehirn eine wichtige Rolle spielen. Infolgedessen und weil die Darmflora von Person zu Person variiert, wären manche Menschen möglicherweise anfälliger für Parkinson und andere weniger.

„Wir wollen untersuchen, wie all diese Puzzleteile zusammenpassen könnten. Unsere Hypothese ist, dass sich das Mikrobiom von Parkinson-Patienten mit einer GBA-Mutation vom Mikrobiom jener Menschen unterscheidet, die die Mutation zwar tragen, die Erkrankung jedoch nicht entwickeln. Wir werden auch Mechanismen untersuchen, die diesen Zusammenhang zwischen Variationen im Mikrobiom und der Krankheitsentwicklung erklären könnten. Diese Mechanismen könnten Ansatzpunkte für neue Therapeutika gegen Parkinson werden“, so Donato Di Monte, Forschungsgruppenleiter und Koordinator des Projekts am DZNE in Bonn.

„Es ist bekannt, dass mehrere Faktoren die Darmflora beeinflussen, wie genetische Faktoren, Ernährung und Medikamente“, sagt Michela Deleidi, Forschungsgruppenleiterin am Tübinger Standort des DZNE. „Wenn wir verstehen, wie diese Faktoren die Darm-Hirn-Achse beeinflussen und wir auf das Mikrobiom gezielt einwirken, könnte es möglich sein, das Risiko einer Parkinson-Erkrankung zu verringern oder Krankheitssymptome zu lindern.“

Internationale Teamarbeit

„Dieses Forschungsvorhaben ist wahrlich interdisziplinär und in hohem Maße translational, wodurch der Transfer neuer Erkenntnisse vom Labor in die klinische Anwendung und von der Klinik ins Labor erleichtert wird. Das Projekt wird davon profitieren, dass Fachleute aus der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung mit sich ergänzendem Know-how aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland eng zusammenarbeiten“, so Di Monte. Patientinnen und Patienten werden in erster Linie in Großbritannien und Italien rekrutiert und untersucht, Analysen des Mikrobioms erfolgen hauptsächlich in Frankreich, Laborstudien an einer Vielzahl von Versuchsmodellen werden in Bonn und Tübingen stattfinden.

„Durch Untersuchung des Zusammenhangs zwischen genetischen Faktoren, Umweltfaktoren und Darmmikrobiom wird unsere Forschung einen Schritt in Richtung Präzisionsmedizin darstellen. Darunter versteht man Behandlungsmaßnahmen, die gezielt auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sind“, sagt Deleidi.

„Die neuen Erkenntnisse über Parkinson-Patienten mit GBA-Mutationen werden für alle Menschen mit Parkinson bedeutsam sein. Das ist ein wichtiger Aspekt dieses Projekts. Denn in der Tat könnte bei allen Menschen mit Parkinson die Darm-Hirn-Achse für die Entstehung und Entwicklung der Erkrankung eine Rolle spielen“, so Di Monte.

Quelle: Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V.

01.12.2020

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